Lexikon der Biologie: Partnerwahl
Partnerwahl, mate choice, tritt dann auf, wenn sich Tiere mit einigen bestimmten Mitgliedern des anderen Geschlechts paaren, mit anderen aber nicht. Dabei wird in der Soziobiologie keine bewußte oder vernunftbedingte Auswahl angenommen. Ein Tier, das sich mit einem "guten" Partner verpaart, kann entweder unmittelbar einen materiellen Vorteil erfahren oder auf lange Sicht einen genetischen Vorteil für die Nachkommen erzielen. Die Bevorzugung bestimmter Geschlechtspartner bezieht sich nicht nur auf die Partnerwahl der Weibchen (Weibchenwahl, versteckte Weibchenwahl), sondern auch auf die Partnerwahl der Männchen. Letztere zeigt sich z.B. darin, daß viele Arthropoden-Männchen eine Präferenz für große Weibchen zeigen. Die Größe der Weibchen ist häufig signifikant mit ihrer Fruchtbarkeit (Größe oder Anzahl der Eier) korreliert, woraus abgeleitet werden kann, daß sich die Präferenz auf den Fortpflanzungserfolg des Männchens positiv auswirkt. Weibchenwahl und Männchenwahl (Gattenwahl) spielen bei den meisten Tierarten gleichzeitig eine Rolle, wodurch eine getrennte Untersuchung der beiden Phänomene erheblich erschwert wird. Generell wird hauptsächlich jenes Geschlecht wählen, welches mehr in die Fortpflanzung investiert als das andere. Folglich sind bei polygynen Paarungssystemen (Fortpflanzungssysteme, Polygamie) die Weibchen wählerisch, und die Männchen konkurrieren (Konkurrenz) untereinander um die Geschlechtspartnerinnen, bei polyandrischen Arten hingegen wählen die Männchen, und die Weibchen konkurrieren. R. Trivers erweiterte die Idee der unterschiedlichen Kosten (Kosten-Nutzen-Analyse) bei der Gametenproduktion als Ursache der Weibchenwahl um das Konzept des Elterninvestments: Je ähnlicher die Höhe des Elterninvestments von Vätern und Müttern, desto geringer der Unterschied in den geschlechtstypischen Varianzen im Reproduktionserfolg und desto geringer die intrasexuelle Konkurrenz. Bei den meisten Arten wird das Elterninvestment fast ausschließlich von den Weibchen besorgt. Aus ganz spezifischen sozio-ökologischen Gründen bringen bei manchen Arten jedoch die Männchen den größeren Anteil am Elterninvestment. Vertauschte Geschlechterrollen finden sich bei einigen Insekten, Seepferdchen und anderen Fischen, Fröschen und Vögeln. Dort konkurrieren die Weibchen untereinander um Männchen und sind größer und farbenprächtiger, während die Männchen das wählende Geschlecht sind. – Auch bei der menschlichen Partnerwahl treffen wir geschlechtstypische Unterschiede an (Partnerschema). Zwar finden beide Geschlechter Eigenschaften wie Verständnisfähigkeit, Intelligenz, Treue und Sinn für Humor am wichtigsten, aber für Frauen sind transkulturell ein gutes Einkommen, Selbstbewußtsein und Dominanz des Wunschpartners wichtiger als umgekehrt (Hypergamie). Diese Eigenschaften zeigen einen hohen Status an und erhöhen damit die Aussicht auf gute materielle Ressourcen, um den Nachwuchs erfolgreich aufziehen zu können. Bevorzugt werden überdies Männer mit möglichst geringer fluktuierender Asymmetrie in ihrem Aussehen, diskutiert als Anzeichen besserer genetischer Ausstattung (good genes). Für Männer haben die körperliche Attraktivität der Wunschpartnerin und ihre Jugendlichkeit eine größere Bedeutung bei der Partnerwahl als für die Frau. Gesteigerte Attraktivität wird von der Humansoziobiologie als Hinweis auf erhöhte Fitness (Adaptationswert) und Reproduktionsfähigkeit gedeutet. Für die Partnerwahl beider Geschlechter spielt zudem das assortative mating (übereinstimmende Paarung) eine wichtige Rolle. Partnerwahlentscheidungen basieren auch auf Geruch (Eigengeruch, Pheromone), da mit dem Geruch ein sensorisches Fenster zum Erkennen der genetischen Kompatibilität des Partners zur Verfügung steht (Haupt-Histokompatibilitäts-Komplex). Menschen, mit denen man gemeinsam aufgewachsen ist, sind sexuell unattraktiv und werden in die Partnerwahl nicht miteinbezogen (Inzuchtvermeidung). – Das Prinzip der female choice (Weibchenwahl) findet sich auch beim menschlichen Werbeverhalten wieder, wo es als aktive Rolle der Frau bei der Steuerung des Flirt- (Flirtverhalten) und Werbeablaufs deutlich wird. So hängt z.B. die Wiederholungshäufigkeit der interaktiven Körperbewegungsmuster zwischen den Flirtpartnern allein vom Interesse der Frau ab. Man muß davon ausgehen, daß im allgemeinen die Frau die Entscheidung zum Eingehen einer Paarbindung fällt. Geruchsrezeptoren, Geschlechterkonflikt, Homosexualität, Lek-Paarung, Männchen-Konkurrenz, optimale Diskrepanz.
G.U./J.Be.
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