Lexikon der Biologie: Pilzgifte
Pilzgifte, die toxischen Inhaltsstoffe (Gifte) der Giftpilze, deren chemische Konstitution in vielen Fällen noch unbekannt ist. Ihre Wirkung reicht von leichten Verdauungsstörungen, Auslösen von Leberschäden und Leber-Krebs bis zur tödlichen Vergiftung. Zu den Pilzgiften ( vgl. Tab. ) zählen z.B. die Amatoxine und Phallotoxine des Knollenblätterpilzes, das Muscarin der Rißpilze und Trichterlinge, Ibotensäure und Muscimol des Fliegenpilzes (Fliegenpilzgifte), das Gyromitrin der Frühjahrslorchel (Gyromitra esculenta, Mützenlorcheln) und die Cortinarine der Schleierlinge. Manche Pilze enthalten halluzinogene Verbindungen (Rauschpilze), z.B. Psilocybin und Psilocin, Mutterkornalkaloide usw. Die Giftstoffe der Schimmelpilze (Schimmelpilzgifte) werden (übereinkunftsgemäß) meistens als Mykotoxine bezeichnet (Pathotoxine).
Pilzgifte
Einige wichtige Pilzgifte
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Agaricus xanthoderma Gen. (Karbol-Egerling) | + | Isovelleral u.a. Sesquiterpene | heftige Magenbeschwerden, Reizung der gastrointestinalen Schleimhaut, Erbrechen, Durchfall | |
Amanita muscaria Pers. (Fliegenpilz) | ++ | Ibotensäure, (Aminosäure), Muscimol, Muscacon (Muscarin) | Konzentrationsabnahme, Erhöhung emotioneller Spannung, psychotische Indifferenz, Derealisations- und Depersonalisationsphänomene; Rauschmittel, Veränderung des Zeitgefühls (keine Halluzinationen) | |
Amanita pantherina Krbh. (Pantherpilz) | ++ | Ibotensäure, Muscimol | vgl. Amanita muscaria; Todesfälle kommen vor | |
Amanita phalloides Link. (Grüner Knollenblätterpilz) | +++ | Amatoxine, Phallotoxine | Schädigung von Nieren, Herz, Skelettmuskulatur, v.a. Leberschädigung; Auftreten schwerster Vergiftungserscheinungen unterschiedlicher Art in mehreren Phasen; auch 10 Tage nach Vergiftung noch Todesfälle möglich! | |
Aspergillus flavus u.a. Schimmelpilze | Mykotoxikoseerreger (s.u.) | Aflatoxine (Mykotoxine) | Hepatocancerogen (Aflatoxin B1: stärkstes pilzliches Cancerogen) | |
Boletus satanas Lenz (Satanspilz) | + | strukturell unbekannte Toxine | Brechdurchfall, Schock, Austrocknung, Verlust von Blutsalzen | |
Claviceps purpurea Tul. (Mutterkornpilz, Secale cornutum) | ++ | Mykotoxine: Lysergsäurederivate von Indolalkaloiden (z.B. Ergonorin, Ergometrin u.a.) | u.a. Magen-Darm-Beschwerden, Leib- und Gliederschmerzen, Kopfschmerz, Temperaturerhöhung, Zittern, Frösteln; Konvulsionen, epileptiforme Anfälle, Pulsschwäche, Bewußtseinsverlust, tiefes Koma, Tod infolge Atem- und Herzlähmung. – Bei chronischer Vergiftung (Ergotismus): a) konvulsischer Ergotismus: schwerste klonische epilepsieähnliche Krämpfe, darauf schwere Nachkrankheiten des ZNS, meist Demenz nach sich ziehend. b) gangränöser Ergotismus: Verfärbung der Haut, Abhebung der Epidermis, trockener Brand der Zehen, Finger, Nase, Ohren; häufig Früh- und Fehlgeburten | |
Cortinarius orellanus Fr. (Oranggefuchsiger Hautkopf) | ++(+) | Orellanin | Durst, Erbrechen, Durchfall, Übelkeit, Bauchkrämpfe; in schweren Fällen starke Nierenschädigungen, verminderte Harnausscheidung, Albumin, Erythrocyten, Leukocyten im Harn, Leberschwellungen; nur langsame Erholung, auch Todesfälle | |
Helvella esculenta Pers. (Gyromitra esculenta Fr., Frühjahrslorchel, „Speiselorchel“) | + | Gyromitrin (N-Methyl-N- formyl-acetaldehydhydrazon) | getrocknet angeblich eßbar, bzw. frisch nach Verwerfen des Kochwassers (Name!). Aber: Vergiftungserscheinungen häufig: gastrointestinale Störungen, Kopf- und Leibschmerzen, Müdigkeit, Durst; später Gelbsucht, Schwäche, Schwindel, Angstgefühl; schwere zentrale Störungen; Kreislaufkollaps und Atemstörungen als Todesursache | |
Inocybe patouillardi Bres. (I. erubescens Blytt., Ziegelroter Rißpilz) | ++ | Muscarin | Schweißausbruch, Magen-Darm-Koliken, Pupillenverengung; Bradykardie, Schock, Dyspnoe, Bronchospasmus; in schweren Fällen Tod durch Lungenödem und Kreislaufversagen | |
Lactarius torminosus S.F. Gray (Birken-Reizker) | + | scharfharzige, terpenoide Substanzen (z.B. Necatoron) | lokale Reizung der gastrointestinalen Schleimhaut → Bauchschmerzen, Koliken, choleraähnliche Durchfälle, Schock | |
Paxillus involutus Fr. (Kahler Krempling) | ++ | unbekannte Gifte, Hämolysine, Hämagglutinine | Schüttelfrost, Herzjagen, Schweißausbrüche, Übelkeit, Sehstörungen, verminderte Harnausscheidung, allergische Überempfindlichkeitsreaktion (Schock), Koma | |
Ramaria formosa Quél. (Dreifarbige Koralle) | + | unbekannt | gastrointestinale Beschwerden durch lokale Reizung der Magen-Darm-Schleimhaut | |
Russula emetica Pers. (Speitäubling) | + | evtl. Sesquiterpene (nicht gesichert) | Schwäche, Übelkeit, kalter Schweiß, heftiges Erbrechen (Name!), Durchfall; in schweren Fällen Bewußtlosigkeit, Vergrößerung und Druckempfindlichkeit der Leber, Gelbsucht; Ansteigen der Körpertemperatur, Erhöhung der Herzfrequenz; Tod noch nach mehreren Tagen möglich | |
Scleroderma citrinum Pers. (S. vulgare Fr., S. aurantium Vaill., Gemeiner Kartoffelbovist) | + | Sesquiterpene | Reizung der gastrointestinalen Schleimhaut; Erbrechen und Durchfall, evtl. Schwindel, Ohnmacht | |
Tricholoma pardalotum Henrik & Kotl. (T. pardinum Quél., T. tigrinum Kumm., Tiger-Ritterling) | ++ | Isovelleral u.a. Sesquiterpene | lokale Reizung der gastrointestinalen Schleimhaut; Erbrechen; stark abführende Wirkung; Todesfälle selten | |
Tylopilus felleus Karst. (Gallenröhrling) | (+) | unbekannt | Übelkeit, Völlegefühl, Brechreiz, Durchfall | |
Ustilago maydis (Maisbrand) | + | nicht gesichert; evtl. Mutterkornalkaloid-ähnliche Stoffe sowie Histidin, Acetylcholin-ähnliche Cholinester | Durchfall, Erregung des Uterus, Krämpfe; bei trächtigen Tieren (Kühe, Meerschweinchen) Abort |
Gefährlichkeitsgrad: wenig oder kaum giftig: (+), giftig: +, stark giftig: ++, sehr stark giftig: +++
Als Mykotoxikosen bezeichnet man Pilzvergiftungen, die durch Schimmelpilze (Aspergillus sp., Penicillium sp., Fusarium sp. u.a.) oder von Kleinpilzen (z.B. Claviceps purpurea) hervorgerufen werden. Meist sind die aufgenommenen Mengen an Toxin sehr gering, so daß die chronischen Vergiftungen überwiegen, die aber zu schweren Leberschädigungen oder zu Leberkrebs führen können. Akute Intoxikationen sind dagegen relativ selten.
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