Geregelte Mahlzeiten: Haben sich Hunde selbst domestiziert?

Wer ein Haustier hat, weiß: Liebe geht durch den Magen. Für die Tiere ist die regelmäßige Versorgung mit Fresschen einer der Hauptvorzüge des Lebens in menschlicher Gesellschaft. Nicht anders könnte das vor 30 000 Jahren gewesen sein: Wölfe lernten vielleicht von ganz allein die Nähe des Menschen zu tolerieren, weil es für sie eine bequeme Form der Nahrungsbeschaffung bedeutete. Mit der Zeit könnte sich die Wölfe auf diese Weise selbst domestiziert haben – ganz ohne Zutun des Menschen.
Dieses Szenario sei mit dem bekannten Zeitverlauf der Hundedomestikation jedenfalls kompatibel, argumentieren nun Wissenschaftler um Alex Capaldi von der James Madison University in Harrisonburg. In einer Publikation im Fachmagazin »Proceedings of the Royal Society B« schildern sie die Ergebnisse einer Simulation, mit der sie den Einwand ihrer Fachkollegen entkräften wollen, für eine solche Selbstdomestikation hätte nicht genügend Zeit zur Verfügung gestanden.
Archäologische Funde legen nahe, dass ab einem Zeitpunkt vor rund 15 000 Jahren der Mensch gezielt solche Eigenschaften bei seinen Hunden förderte, die ihm wichtig waren. Doch in den 15 000 bis 20 000 Jahren davor sei nicht offensichtlich, wieso die wilden Hundevorfahren immer zahmer wurden und immer mehr Merkmale von Haustieren aufwiesen. In diesem langen Zeitabschnitt könnte besagte Selbstdomestikation abgelaufen sein, so die Forscher.
In ihren Simulationen funktionierte das jedoch nur, wenn Wölfinnen vor allem jene Partner bevorzugten, die ebenfalls die Nähe des Menschen suchten. Diese sexuelle Selektion war in allen Simulationsläufen eine nötige Zutat, damit sich der Wolf in zwei »Unterarten« mit getrennten Ernährungsstrategien aufspaltete. Es genügte folglich nicht, dass diejenigen Tiere, die die Nähe des Menschen suchten, eine höhere Überlebenswahrscheinlichkeit hatten – sprich: natürliche Selektion allein reichte nicht aus.
Mit seiner Studie konnte das Team freilich nicht nachweisen, dass Selbstdomestikation auch tatsächlich der dominante Treiber war, der aus Wölfen Hunde machte, sondern nur, dass die Zeit dafür theoretisch ausgereicht hätte. Andere Einwände bleiben bestehen: Womöglich fielen im Umfeld der menschlichen Behausungen gar nicht genügend Speisereste an, dass sich für Wölfe die Anwesenheit lohnte. Zu erwarten wäre auch, dass der Mensch die wilden Tiere sogar eher gezielt verscheuchte, als sie noch zu füttern.
In einem alternativen Szenario näherten sich Wolf und Mensch aneinander an, indem Menschen neugeborene Wolfswelpen adoptierten und aufzogen. Die zahmsten unter ihnen blieben in menschlicher Gesellschaft, was einer Selektion gleichkommt. Doch auch dieses Modell hat seine Schwachstellen, zum Beispiel ist nicht offensichtlich, wie sich aus einzelnen Adoptionen eine kontinuierliche Entwicklung zu immer zahmeren Tieren ergeben sollte.
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