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Lexikon der Chemie: Fluor

Fluor, Symbol F, chem. Element aus der VII. Hauptgruppe des Periodensystems, der Gruppe der Halogene, Nichtmetall, Reinelement; Z 9, Atommasse 18,99840, Wertigkeit I, D. (am Kp.) 1,108 g cm-3, F. -219,61 °C, Kp. -187,52 °C, Standardelektrodenpotential (F-/F2) +2,87 V.

Eigenschaften. F. ist ein farbloses Gas von durchdringendem Geruch, und es ist das stärkste chemische Oxidationsmittel.

Fluor ist extrem giftig und wirkt unter anderem stark hautätzend. Gegenmaßnahmen: Flußsäure.

Hinsichtlich seiner Reaktivität nimmt F. unter den chem. Elementen eine deutliche Sonderstellung ein; es ist das Element mit der höchsten Elektronegativität, ist durch hohe Elektronenaffinität und bemerkenswert hohe Reaktivität gekennzeichnet. So reagiert F. mit fast allen Elementen, außer Stickstoff, Sauerstoff und den leichteren Edelgasen, direkt und meist sehr leicht, oft explosionsartig. Typisch ist die Fähigkeit des F., Elemente in Elementfluoride maximaler Oxidationsstufen zu überführen, wie diese z. B. in PF5, SF6, IF7, VF5, UF6 oder ReF7 vorliegen. Mit chem. Verbindungen reagiert F. bei mehr oder weniger hohen Temperaturen. Dabei verbindet es sich stets mit der elektropositiven Komponente der Reaktionspartner. Organische Verbindungen setzen sich mit F. äußerst heftig um. Mit Wasser reagiert es unter Bildung von Fluorwasserstoff, Sauerstoff, Wasserstoffperoxid und Ozon; in Gegenwart von Alkalien entsteht auch Sauerstoffdifluorid. Quarz wird von sorgfältig getrocknetem F. bei Raumtemperatur nicht angegriffen, oberhalb 250 °C setzen sich amorphes Siliciumdioxid und Quarzglas mit F. zu Siliciumtetrafluorid und Sauerstoff um.

Analytisches. Der qualitative Nachweis von Fluorid geschieht unter Anwendung der Ätz-, Kriech- oder Wassertropfenprobe. Zur quantitativen Fluoridbestimmung wird die Elektroanalytik unter Einsatz fluoridionensensitiver Elektroden herangezogen. Die Bestimmung von Fluorid kann auch über die Bildung von Calciumfluorid CaF2 gravimetrisch erfolgen.

Vorkommen. Am Aufbau der Erdkruste ist F. mit 6,6·10-2 % beteiligt, zählt damit zu den häufigeren Elementen und nimmt den Platz 14 der Häufigkeitsskala der Elemente ein. Das wichtigste Fluormineral, Fluorit (Flußspat) CaF2, bildet bis heute den Hauptrohstoff für die technische Gewinnung von F. und dessen Verbindungen. In jüngster Zeit gewinnt auch der 3 bis 4 % betragende Fluorgehalt der Fluorapatit Ca5(PO4)3F führenden natürlichen Phosphate, der die bedeutendsten Weltreserven an F. repräsentiert, zunehmendes Interesse. Weiterhin kommt F. in Kryolith Na3[AlF6], Topas Al2[Si3O10](F,OH)2 und Lepidolith (K,Li)Al2 ·[AlSi3O10](F,OH)2 vor. Fluoritvorkommen, die unter dem Einfluß radioaktiver Strahlung stehen, können auch geringe Mengen von elementarem F. als Kristalleinschlüsse enthalten. F. zählt zu den Spurenelementen, deren Fehlen im pflanzlichen oder tierischen Organismus Mangelerscheinungen hervorruft. Böden enthalten etwa 110 ppm, Pflanzen etwa 0,5 bis 2 ppm F. in der Trockensubstanz. Für den tierischen und menschlichen Organismus ist der Fluorgehalt der Knochen (≈ 0,9 bis 2,7 g/kg)und des Zahnschmelzes (≈ 0,2 bis 1,2 g/kg) von besonderer Bedeutung. Da der Fluoridbedarf des Menschen vor allem über das Trinkwasser gedeckt wird und Fluormangel Zahnkrankheiten (Karies) begünstigt, wird heute vielfach fluoridarmem Trinkwasser Fluorid zugesetzt (Fluoridierung).

Bei allen Arbeiten mit Fluor ist äußerste Vorsicht geboten. Die Werkstoffe für Reaktionsgefäße und Armaturen müssen sehr sorgfältig ausgewählt werden. Die verwendeten Geräte müssen sauber und trocken sowie völlig frei von Ölen, Fetten und weiteren organischen Substanzen sein. Geringfügige Verunreinigungen können explosionsartige Oxidations- und Fluorierungsreaktionen einleiten, die bei entsprechenden Temperaturen zu Umsetzungen aller Materialien (Stahl, Steine), teilweise unter Flammenerscheinungen führen können.

Gewinnung. F. wird auf elektrochem. Wege gewonnen. Man rührt die Elektrolyse an wasserfreien KF/HF-Schmelzen (KF·HF, F. 217 °C; KF·2 HF, F. 72 °C; KF·3 HF, F. 66 °C) unter Verwendung von Kupfer, Magnesium, Monelmetall, Nickel, Stahl und Kohle als Gefäß- bzw. Elektrodenmaterial durch. Folgende Verfahrensvarianten werden dabei angewandt: Tieftemperaturverfahren: Elektrolyt KF·2,9-6,7 HF, Arbeitstemperatur 15 bis 50 °C, Nickelanoden; Mitteltemperaturverfahren: KF·1,8-2,5 HF, 70 bis 130 °C, Kohleanoden; Hochtemperaturverfahren: KHF2 245 bis 310 °C, Graphitanoden. Heute wird überwiegend nach dem Mitteltemperaturverfahren unter Verwendung von Anoden aus graphitfreiem Kohlenstoff gearbeitet. Das so hergestellte F. wird in Stahlflaschen in den Handel gebracht.

Verwendung. Das industrielle Hauptanwendungsgebiet von F. liegt heute in der Herstellung von Uranhexafluorid zur Trennung der Uranisotope 235U und 238U. In kleinerem Umfang nutzt man F. zur Herstellung von Schwefel(VI)-fluorid als Dielektrikum. F. ist auch von Interesse als möglicher Raketentreibstoff. Im Laboratorium wird F. als Ausgangsstoff zur Synthese zahlreicher neuer Fluorderivate angewandt.

  • Die Autoren
Dr. Andrea Acker, Leipzig
Prof. Dr. Heinrich Bremer, Berlin
Prof. Dr. Walter Dannecker, Hamburg
Prof. Dr. Hans-Günther Däßler, Freital
Dr. Claus-Stefan Dreier, Hamburg
Dr. Ulrich H. Engelhardt, Braunschweig
Dr. Andreas Fath, Heidelberg
Dr. Lutz-Karsten Finze, Großenhain-Weßnitz
Dr. Rudolf Friedemann, Halle
Dr. Sandra Grande, Heidelberg
Prof. Dr. Carola Griehl, Halle
Prof. Dr. Gerhard Gritzner, Linz
Prof. Dr. Helmut Hartung, Halle
Prof. Dr. Peter Hellmold, Halle
Prof. Dr. Günter Hoffmann, Eberswalde
Prof. Dr. Hans-Dieter Jakubke, Leipzig
Prof. Dr. Thomas M. Klapötke, München
Prof. Dr. Hans-Peter Kleber, Leipzig
Prof. Dr. Reinhard Kramolowsky, Hamburg
Dr. Wolf Eberhard Kraus, Dresden
Dr. Günter Kraus, Halle
Prof. Dr. Ulrich Liebscher, Dresden
Dr. Wolfgang Liebscher, Berlin
Dr. Frank Meyberg, Hamburg
Prof. Dr. Peter Nuhn, Halle
Dr. Hartmut Ploss, Hamburg
Dr. Dr. Manfred Pulst, Leipzig
Dr. Anna Schleitzer, Marktschwaben
Prof. Dr. Harald Schmidt, Linz
Dr. Helmut Schmiers, Freiberg
Prof. Dr. Klaus Schulze, Leipzig
Prof. Dr. Rüdiger Stolz, Jena
Prof. Dr. Rudolf Taube, Merseburg
Dr. Ralf Trapp, Wassenaar, NL
Dr. Martina Venschott, Hannover
Prof. Dr. Rainer Vulpius, Freiberg
Prof. Dr. Günther Wagner, Leipzig
Prof. Dr. Manfred Weißenfels, Dresden
Dr. Klaus-Peter Wendlandt, Merseburg
Prof. Dr. Otto Wienhaus, Tharandt

Fachkoordination:
Hans-Dieter Jakubke, Ruth Karcher

Redaktion:
Sabine Bartels, Ruth Karcher, Sonja Nagel


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