Lexikon der Ernährung: Vollwert-Ernährung
Vollwert-Ernährung, E k. e. B., von Claus Leitzmann (geb. 1933) und Mitarbeitern an der Universität Gießen begründete, ganzheitliche alternative Ernährungsform, die versucht, alle Facetten des Ernährungssystems gleichermaßen zu berücksichtigen. Die V. orientiert sich an den Wertvorstellungen der Lebensreformbewegung (M. O. Bircher-Benner, Werner Kollath) unter Einbeziehung moderner wissenschaftlicher Erkenntnisse. Die V. versteht sich als eine Form der Normalkost nach den Prinzipien der vollwertigen Ernährung. Lebensmittel werden nach ihrem Verarbeitungsgrad in vier Wertstufen eingeteilt von „sehr empfehlenswert“ bis „nicht empfehlenswert“. Ge- und Verbote gibt es nicht. Empfohlen werden möglichst wenig bearbeitete, biologisch erzeugte Lebensmittel aus heimischer Produktion oder fair gehandelte. Kleine Mengen Fleisch aus ökologischem Landbau und Fisch (1–2mal pro Woche) sind „empfehlenswert“, aber nicht unbedingt erforderlich (Tab.); viele Anhänger der V. ernähren sich vegetarisch bzw. semi-vegetarisch (Vegetarismus, Semi-Vegetarier). V. hat auch in der Gemeinschaftsverpflegung ihren Platz.
Ernährungswissenschaftliche Bewertung: Die V. ist bei sachgerechter Lebensmittelauswahl als Dauerkost geeignet, auch für Kinder und Diätbedürftige. Die Bevorzugung von Vollgetreideprodukten, Gemüse und Obst entspricht den Forderungen der Ernährungswissenschaft. Die reservierte Haltung gegenüber jeder Art der Lebensmittelverarbeitung und die Empfehlung, nur biologisch erzeugte Lebensmittel zu verwenden, ist primär ökologisch begründet und in diesem Kontext unbestritten. Ernährungsphysiologisch können vorgefertigte Produkte aus konventionellen Lebensmitteln den für die V. empfohlenen Erzeugnissen ebenbürtig sein.
V. ist nicht zu verwechseln mit der Vollwertkost nach M. O. Bruker. Umgangssprachlich werden die Begriffe oft synonym gebraucht für jede Art betont vegetarischer Kostformen mit Lebensmitteln aus ökologischem Landbau.
Vollwert-Ernährung.: Tab. Empfehlungen für die Vollwert-Ernährung. [Quelle: Koerber, K. von, Männle, T., Leitzmann, C.: Vollwert-Ernährung, Konzeption einer zeitgemäßen Ernährungsweise. Karl F. Haug, Heidelberg, 1993]
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Gemüse, Obst (auch als Rohkost) | ||
Kartoffeln, Hülsenfrüchte | ||
Wasser, Früchte- und Kräutertee | ||
Gewürze, Kräuter | ||
mäßig | Nüsse, Ölsamen | |
Butter, kaltgepresste Öle | ||
Milch(produkte) | ||
Jodsalz | ||
gering | nicht-Vollkornprodukte | |
konservierte Lebensmittel | ||
isolierte Zucker | ||
Fleisch- und Wurstwaren | ||
Eier, raffinierte Fette | ||
Alkohol, schwarzer Tee, Kaffee | ||
Tafelsalz, nicht jodiert |
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