Lexikon der Mathematik: Fuzzy-Menge
Eine Fuzzy-Menge oder wuscharfe Menge vom Typ 1 ist eine Menge geordneter Paare
\begin{eqnarray}\tilde{A}=\Bigl\{(x,\mu_{A}(x))\vert x\in X\Bigr\},\end{eqnarray}
bei der jedem Element x einer Grundmenge X ein Wert μA(x) zugeordnet wird, der die Zugehörigkeit dieses Elementes zur unscharfen (Teil-)Menge à angibt.Die Bewertungsfunktion
\begin{eqnarray}\mu_{A}:X\rightarrow [0,1]\end{eqnarray}
wird Zugehörigkeitsfunktion (membership function), charakteristische Funktion oder Kompatibilitätsfunktion genannt.Die Verwendung einer numerischen Skala, hier des Intervalls [0, 1], erlaubt eine einfache und übersichtliche Darstellung der Zugehörigkeitsgrade. Um aber Fehlinterpretationen zu vermeiden, ist zu beachten, daß diese Zugehörigkeitswerte stets Ausdruck der subjektiven Einschätzung von Individuen oder von Gruppen sind. Die Zugehörigkeitswerte hängen darüber hinaus auch von der Grundmenge X ab.
Offensichtlich kommt in den Zugehörigkeitswerten eine „Ordnung“ der Objekte der Grundmenge X zum Ausdruck. Die unscharfe (Teil-)Menge à wird durch das beschreibende Prädikat induziert.
In der Literatur werden Zugehörigkeitswerte auch mit μÃ(x), mA(x) oder Ã(x) symbolisiert.
Andere Darstellungsformen für unscharfe Mengen sind
\begin{eqnarray}\int\limits_{X}\mu_{\tilde{A}}(x)/ x,\end{eqnarray}
falls X eine überabzählbare Menge ist.Wird die Wertemenge von μA beschränkt auf die zweielementige Menge {0, 1}, so entspricht die Fuzzy-Teilmenge
\begin{eqnarray}\tilde{A}=\{(x,\mu_{A}(x))\vert x\in X\}\end{eqnarray}
der Menge\begin{eqnarray}A=\{x\in X\vert \mu_{A}(x)=1\}\end{eqnarray}
die eine Teilmenge von X im klassischen Cantorschen Sinn ist.Die Theorie unscharfer Mengen bietet zwar die Möglichkeit, Abstufungen in der Zugehörigkeit zu einer Menge beliebig genau zu beschreiben, in praktischen Anwendungsfällen ist dies aber kaum und auch dann nur mit beträchtlichem Aufwand möglich. Die benutzten Funktionen sind daher als mehr oder minder gute Darstellungsformen der subjektiven Vorstellung anzusehen. Bei der Modellierung benutzt man daher zumeist einfache Funktionsformen, wie das bei Fuzzy-Zahlen des L-R-Typs der Fall ist, oder stückweise lineare Funktionen, bei denen wenige festgelegte Punkte durch Geradenstücke verbunden werden (Fuzzy-Intervalle vom ε-λ-Typ).
So läßt sich die unscharfe Menge „ungefähr gleich 8“ auf ℝ unter anderem beschreiben durch die Zugehörigkeitsfunktionen
\begin{eqnarray}\mu_{A}(x)=(1+(x-8)^{2})^{-1}\end{eqnarray}
oder\begin{eqnarray}\mu_{B}(x)=\begin{cases}\frac{x-6.5}{1.5} & \mathrm{f}\ddot{\mathrm{u}}\mathrm{r}\ 6.5\leq x \lt 8,\\ \frac{10-x}{2} & \mathrm{f}\ddot{\mathrm{u}}\mathrm{r}\ 8\leq x\leq 10,\\ 0 & \mathrm{sonst}.\end{cases}\end{eqnarray}
Die Tatsache, daß in realen Problemen oft keine eindeutige Zuordnung der Elemente einer gegebenen Grundmenge X zu einer Teilmenge à vorgenommen werden kann, beruht häufig nicht auf stochastischer Unsicherheit, sondern auf intrinsischer oder informationaler Unschärfe.
Die intrinsische Unschärfe ist Ausdruck der Unschärfe menschlicher Empfindung. Beispiele sind Ausdrücke wie „hoher Gewinn“, „gute Konjunkturlage“, „vertretbare Kosten“, „kleines Kind“, „alte Frau“ usw. Hier geben Adjektive keine eindeutige Beschreibung. Es ist z. B. nicht exakt festgelegt, ab welchem Betrag ein Gewinn als „hoch“ zu bezeichnen ist und wann nicht mehr. Abgesehen davon, daß die Festlegung einer unteren Grenze für „hohen Gewinn“ nur subjektiv erfolgen kann, bleibt es stets ein Erklärungsproblem, warum ein Gewinn, der um i Pfennig unter dieser Grenze liegt, nicht mehr dieses Prädikat verdient.
Die informationale Unschärfe ist dadurch bedingt, daß der Begriff zwar exakt definierbar ist, man aber bei der praktischen Handhabung große Schwierigkeiten hat, die vielen dazugehörigen Informationen zu einem klaren Gesamturteil zu aggregieren. Als Beispiel betrachten wir den <?PageNum _221Begriff „kreditwürdig“. Nach der in der Betriebswirt-schaftslehre üblichen Definition ist eine Person (ein Unternehmen) dann kreditwürdig, wenn sieden Kredit wie vereinbart zurückzahlt. Es ist aber schwierig, wenn nicht gar unmöglich, ex ante festzustellen, ob eine Person diese Eigenschaft besitzt. Diese informationale Unschärfe liegt auch vor, wenn nur unvollständige Informationen vorliegen.
Die Bedeutung von Fuzzy-Mengen liegt darin, daß sie eine mathematische Formulierung unscharfer Größen oder unscharfer Relationen ermöglichen und somit eine realistischere Modellierung realer Probleme gestatten.
Nach der Veröffentlichung des grundlegenden Aufsatzes „Fuzzy Sets“ von Zadeh in „Information and Control“ im Jahre 1965 wurden Fuzzy-Systeme in fast allen Wissenschaftsgebieten entwickelt. Einen guten Überblick über die Weiterentwicklung der mathematischen Theorie und deren Anwendungen geben die 7 Bände „The Handbooks of Fuzzy Sets“.
Die bekannteste Anwendung ist die Entwicklung von Fuzzy-Reglern, die sich zur Steuerung technischer und chemischer Prozesse weltweit etabliert haben (Fuzzy-Control).
Literatur
[1] The Handbooks of Fuzzy Sets, Bd. 1–7, Kluwer Dordrecht, 1998–2000.
[2] Rommelfanger, H.: Fuzzy Decision Support-Systeme, Entscheiden bei Unschärfe. Springer Heidelberg, 1994.
[3] Zadeh, L.A.: Fuzzy Sets. In: Information and Control 8, 1965.
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