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Lexikon der Mathematik: harmonische Funktion

harmonische Abbildung, eine in einer offenen Menge D ⊂ ℂ definierte Funktion u : D → ℝ, die der Laplace-Gleichung genügt. Genauer muß gelten:

  1. u ist in D zweimal stetig reell differenzierbar, d. h. alle zweiten partiellen Ableitungen von u existieren in D und sind dort stetig.
  2. In G gilt \begin{equation}\Delta u:\frac{\partial^{2}u}{\partial x^{2}} + \frac{\partial ^{2}u}{\partial y^{2}}=0.\end{equation} .

Diese Gleichung heißt auch Laplace-Gleichung oder Potentialgleichung, und harmonische Funktionen nennt man auch Potentialfunktionen.

Neben der hier gegebenen komplexen Formulierung existiert auch eine reelle Definition der harmonischen Funktion (d.h., ℂ wird durch ℝ2 ersetzt), sowie offensichtliche Verallgemeinerungen im ℝn für n > 2. Allerdings sind in letzterem Fall keine funktionentheoretischen Methoden mehr anwendbar.

Die Menge aller in D harmonischen Funktionen bildet mit der punktweisen Skalarmultiplikation und Addition von Funktionen einen komplexen Vektorraum, der die konstanten Funktionen enthält. Die Definition läßt sich auf offene Mengen \(D\subset \hat{\mathbb{C}}\) erweitern. Ist ∞ ∈ D, so heißt u harmonisch an ∞, falls es eine in einer Umgebung U von 0 harmonische Funktion u* gibt derart, daß u*(z) = u(1/z) für alle zU \ {0}.

Ist f eine in Dholomorphe Funktion, so sind u : = Re f und v : = Im f harmonische Funktionen in D. Hiermit erhält man sofort viele Beispiele für harmonische Funktionen. So sind beispielsweise die Funktionen \begin{eqnarray}\begin{array}{l}& u_{1}(x+iy)=x,\\& u_{2}(x+iy)=y,\\& u_{3}(x+iy)=xy,\\& u_{4}(x+iy)=x^{2}-y^{2},\\& u_{5}(x+iy)=e^{x}\cos y,\\& u_{6}(x+iy)=e^{x}\sin y \end{array}\end{eqnarray} alle harmonisch in ℂ.

Ist u harmonisch in D, f eine in einer offenen Menge D* ⊂ ℂ holomorphe Funktion mit f(D*) ⊂ D und u*(z) := u(f(z)) für zD*, so ist u* harmonisch in D*.

Für eine in einem GebietG ∈ ℂ holomorphe Funktion f mit f(z) ≠ 0 für alle zG ist die Funktion u : = log |f| harmonisch in G. Insbesondere ist u(z) := log |z| harmonisch in ℂ \ {0}.

Das Produkt harmonischer Funktionen ist im allgemeinen nicht harmonisch, wie man schon an dem einfachen Beispiel u1(x + iy) = u2(x + iy) = x, also \begin{equation}u(x+iy)=u_{1}(x+iy)u_{2}(x+iy)=x^{2}\end{equation} erkennt.

Existiert zu einer in D harmonischen Funktion u eine in D harmonische Funktion v derart, daß die Funktion f : = u + iv holomorph in D ist, so heißt v eine zu u konjugiert harmonische Funktion. In diesem Fall ist v bis auf eine additive Konstante eindeutig bestimmt, d. h. sind v1 und v2 konjugiert harmonische Funktionen zu u, so ist die Differenz v1v2 konstant. Über die Existenz konjugiert harmonischer Funktionen gilt folgender Satz.

Es sei G ⊂ ℂ ein Gebiet. Dann ist G einfach zusammenhängend genau dann, wenn zu jeder in G harmonischen Funktion u eine konjugiert harmonische Funktion v existiert.

Jede in D harmonische Funktion u ist also lokal (d. h. in jeder offenen Kreisscheibe B ⊂ D) als Realteil einer holomorphen Funktion f darstellbar. Hieraus folgt, daß u in D unendlich oft reell differenzierbar ist.

Harmonische Funktionen lassen sich mit Hilfe der sog. Mittelwerteigenschaft charakterisieren. <?PageNum _372Eine stetige Funktion u : D → ℝ besitzt die Mittelwerteigenschaft, falls für jede abgeschlossene Kreisscheibe \(\bar{B}_{r}(z_{0})\subset D\) mit Mittelpunkt z0D und Radius r > 0 gilt \begin{equation}u(z_{0})=\frac{1}{2\pi}\int\limits_{0}^{2\pi}u(z_{0}+re^{it})dt.\end{equation} Damit gilt folgender Satz.

Es sei D ⊂ ℂ eine offene Menge und u : D → ℝ eine stetige Funktion. Dann ist u harmonisch in D genau dann, wenn u die Mittelwerteigenschaft besitzt.

Ähnlich wie für holomorphe Funktionen gilt auch für harmonische Funktionen ein Maximumprinzip.

(Maximumprinzip, 1. Version). Es sei G ⊂ ℂ ein Gebiet und u eine in G harmonische Funktion. Weiter gebe es einen Punkt z0G mit u(z0) ≥ u(z) für alle zG. Dann ist u eine konstante Funktion.

Zur Formulierung einer 2. Version wird der Begriff des erweiterten Randes G eines Gebietes G ⊂ ℂ benötigt. Dieser ist definiert durch G : = ∂G, falls G beschränkt ist und G := ∂G ⋃ {∞}, falls G unbeschränkt ist.

(Maximumprinzip, 2. Version). Es sei G ⊂ ℂ ein Gebiet und u, v harmonische Funktionen in G. Weiter gelte für jeden Punkt ζG\begin{equation}\mathop{\lim\sup}_{z\rightarrow \zeta}u(z)\leq \mathop{\lim\inf}_{z\rightarrow \zeta}v(z) \end{equation}Dann gilt entweder u(z) < v(z) für alle zG oder u(z) = v(z) für alle zG.

Hieraus erhält man als Folgerung:

Es sei G ⊂ ℂ ein beschränktes Gebiet und u eine in \(\bar{G}\)stetige und in G harmonische Funktion. Weiter gelte u(z) = 0 für alle z∂G. Dann gilt u(z) = 0 für alle zG.

Da mit u auch −u eine harmonische Funktion ist, gilt auch ein Minimumprinzip.

(Minimumprinzip). Es sei G ⊂ ℂ ein Gebiet und u eine in G harmonische Funktion. Weiter gebe es einen Punkt z0G mit u(z0) ≤ u(z) für alle zG. Dann ist u eine konstante Funktion.

Für Funktionen, die im abgeschlossenen Einheitskreis \(\bar{\mathbb{E}}\) stetig und in E harmonisch sind, gilt die Poisson-Integralformel.

Weitere Stichworte, die im Zusammenhang mit harmonischen Funktionen stehen, sind Dirichlet-Problem in der Ebene, harmonisches Maß und Harnacksches Prinzip.

  • Die Autoren
- Prof. Dr. Guido Walz

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