Lexikon der Mathematik: harmonisches Maß
in der Funktionentheorie verwendetes Wahrscheinlichkeitsmaß der folgenden Art.
Ein harmonisches Maß für ein Gebiet \(G\subset \hat{\mathbb{C}}\) an einem Punkt a ∈ G ist ein Wahrscheinlichkeitsmaß \(\omega^{a}_{G}\) auf \(\partial_{\infty}G\) derart, daß für jede in cl∞G stetige und in G harmonische Funktion u gilt
Das harmonische Maß für G hängt von dem Punkt a ∈ G ab. Jedoch sind für a, b ∈ G die Maße \(\omega_{G}^{a}\) und \(\omega_{G}^{b}\) äquivalent, d. h. für E ⊂ ∂∞G gilt \(\omega_{G}^{a}(E)=0\) genau dann, wenn \(\omega_{G}^{b}(E)=0\). Genauer gilt sogar: Es existiert eine Konstante c > 0 (die im allgemeinen von a, b und G abhängt) derart, daß für E ⊂ ∂∞G gilt
Weiter gibt es Mengen A ⊂ E und B ⊂ ∂∞G\E mit \(\omega_{G}^{a}(\partial_{\infty}G \backslash(A\cup B))=0\) derart, daß \(\lim_{z\rightarrow \xi}\omega(z)=1\) für ζ ∈ A und \(\lim_{z\rightarrow \zeta}\omega(z)=0\) für ζ ∈ B. Außerdem besitzt \(\omega_{G}^{a}\) keine Atome, d. h. für jeden Punkt ζ ∈ ∂∞G gilt \(\omega_{G}^{a}(\{\zeta\})=0\).
Im Spezialfall \(G=\mathbb{E}=\{z \in \mathbb{C}:\vert z \vert \lt 1 \}\) und a = 0 ist \(\omega^{0}_{\text{E}}\) gerade das normalisierte Lebesgue-Maß m auf \(\mathbb{T}=\partial E\). Normalisiert bedeutet dabei, daß \(m(\mathbb{T})=1\). Für einen beliebigen Punkt \(a\in \mathbb{E}\) ist \(d\omega_{\mathbb{E}}^{a}=P_{a}\) d.h. für jede Lebesgue-meßbare Menge \(E\subset \mathbb{T}\) gilt
Einige weitere Beispiele (dabei bezeichne Arg stets den Hauptwert des Arguments):
- (a) Es sei \(G=\mathbb{H}=\{z\in\mathbb{C}:\text{Im}\ z \gt 0\}\) die obere Halbebene und \(E=[x_{1},x_{2}]\subset \partial\mathbb{H}=\mathbb{R}\) ein Intervall. Dann gilt für \(a \in \mathbb{H}\)
\begin{equation}\omega_{\mathbb{H}}^{a}(E)=\frac{1}{\pi}\mathrm{Arg}\frac{a-x_{2}}{a-x_{1}}.\end{equation} - (b) Es sei G die Halbkreisscheibe \({z\in \mathbb{E}:\text{Im}\ z \gt0}\) und \(E=\{z\in \mathbb{T}:\mathrm{Im}\ z\geq 0\}\). Dann gilt für a ∈ G
\begin{equation}\omega_{G}^{a}(E)=\frac{2}{\pi}\mathrm{Arg}\frac{1+a}{1-a}.\end{equation} - (c) Es sei G die geschlitzte Einheitskreisscheibe \(\mathbb{E}\) \[0, 1] und E = [0, 1]. Dann gilt für a ∈ G
\begin{equation}\omega_{G}^{a}(E)=1-\frac{2}{\pi}\mathrm{Arg}\frac{1+\sqrt{a}}{1-\sqrt{a}},\end{equation} wobei stets Im \(\sqrt{a}>0$?> gilt. - <?PageNum _374(d) Es sei G der Kreisring {z ∈ ℂ : 0 < r1< |z| < r2< ∞}, E1 ={z ∈ ℂ : |z| = r1} und E2 = {z ∈ ℂ : |z| = r2}. Dann gilt für a ∈ G
\begin{eqnarray}\begin{array}{*{35}{l}}\omega _{G}^{a}( {{E}_{1}}) & = & \frac{\log {{r}_{2}}-\log \left| a \right|}{\log {{r}_{2}}-\log {{r}_{1}}}, \\ \omega _{G}^{a}( {{E}_{2}}) & = & \frac{\log \left| a \right|-\log {{r}_{1}}}{\log {{r}_{2}}-\log {{r}_{1}}}.\\\end{array}\end{eqnarray}
Nun sei G ⊂ ℂ ein einfach zusammenhängendes Gebiet mit G ≠ ℂ und f eine konforme Abbildung von \(\mathbb{E}\) auf G. Dann existieren die radialen Randwerte
Das harmonische Maß besitzt folgende Monotonieeigenschaft:
Sind G, \(H\subset \hat{\mathbb{C}}\)Gebiete mit H ⊂ G, a ∈ H und \(E\subset {{\partial }_{\infty }}G\mathop{\cap }^{}{{\partial }_{\infty }}H\)eine Borel-Menge, so gilt
Zwei weitere wichtige Ergebnisse, bei denen das harmonische Maß eine zentrale Rolle spielt, lauten:
Es sei \(G\subset \hat{\mathbb{C}}\)ein Gebiet und u eine in G beschränkte, harmonische Funktion. Weiter sei \(E\subset {{\partial }_{\infty }}G\)eine Menge mit \(\omega _{G}^{a}\left( E \right)=0\), a ∈ G und \(\lim\limits_{z\to\zeta}\ u\left( z \right)=0\)für alle \(\zeta \in {{\partial }_{\infty }}G\backslash E\).
Dann gilt h(z) = 0 für alle z e G.
Es sei \(G\subset \hat{\mathbb{C}}\)ein Gebiet, A eine in G abgeschlossene Menge mit \(\omega _{G\backslash A}^{a}\left( {{\partial }_{\infty }}A\mathop{\cap }^{}G \right)=0,\,a\in \,G\backslash A\)und u eine in G\A beschränkte, harmonische Funktion.
Dann ist u nach G harmonisch fortsetzbar, d. h. es existiert eine in G harmonische Funktion U mit U(z) = u(z) für z ∈ G\A.
Es besteht ein enger Zusammenhang zwischen dem harmonischen Maß und der Greenschen Funktion. Es sei G ⊂ ℂ ein Gebiet, a ∈ G und gG(·, a) die Greensche Funktion von G mit Pol an a. Dann gilt
Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.