Lexikon der Neurowissenschaft: Biophysik
Biophysikw, biologische Physik,Ebiophysics, ein relativ junges Wissenschaftsgebiet an der Grenze zwischen Physik, Chemie und Biologie. Der Forschungsgegenstand sind physikalische und physiko-chemische Erscheinungen in biologischen Systemen. Das Ziel ist die Aufklärung fundamentaler Prozesse, welche die Grundlage des Lebens bilden, mit physikalischen Methoden und im Rahmen physikalischer Vorstellungen. Die Biophysik ist ein Beispiel für die Integrationstendenzen in der modernen Wissenschaft. Fortschritte in der Biophysik sind einerseits untrennbar mit der Entwicklung der Biochemie, der Molekularbiologie und anderer Forschungsrichtungen, beispielsweise in der Biomedizin, verbunden. Andererseits stimulieren biophysikalische Fragestellungen durch ihre Komplexität die Entwicklung der Physik und die Erfindung neuer Gerätetechnik und Technologien. Die Biophysik als Wissenschaft basiert auf dem Postulat, daß alle Erscheinungen, darunter auch die biologischen, den fundamentalen physikalischen Gesetzmäßigkeiten unterliegen und daß keine weiteren Annahmen immaterieller Faktoren (wie im Vitalismus z.B. mit den Begriffen "Entelechie" oder im "Tele-Finalismus") zu deren Erklärung notwendig sind. Von diesem Standpunkt aus sind physikalisch-chemische Gesetzmäßigkeiten Einschränkungen der Entwicklungsmöglichkeiten lebender Systeme. – Ein Aspekt der Biophysik ist die Anwendung physikalischer Methoden in der Biologie. So konnten z.B. durch den Einsatz des Elektronenmikroskops vertiefte Kenntnisse über lichtmikroskopisch nicht mehr auflösbare Objekte gewonnen werden. Mit Hilfe der Röntgenstrukturanalyse wurden unter anderem Proteinstrukturen bestimmt und so ein Beitrag zum Verständnis biologischer Prozesse geleistet. Auch die Medizin hat von der Biophysik profitiert: Ohne bildgebende Verfahren und nichtinvasive diagnostische Techniken wie Röntgendiagnostik, Sonographie (Ultraschalldiagnostik), Szintigraphie oder Elektrokardiographie (Elektrokardiogramm) ist die moderne Medizin nicht vorstellbar. Neue Einsichten ergeben sich durch Schnittbilder oder Volumendarstellungen, welche mit computertomographischen Verfahren von inneren Organen und Geweben erzeugt werden können (Kernspinresonanztomographie, Positronenemissionstomographie). – Des weiteren ist die Erforschung der physikalischen Vorgänge im lebenden Organismus eine Aufgabe der Biophysik, wobei nicht immer eine Abgrenzung zur Physiologie besteht. Im Rahmen der klassischen experimentellen Biophysik werden unter anderem folgende biophysikalische Mechanismen erforscht: die Biomechanik von Bewegungsabläufen, die Physiologie der Muskelkontraktion, die Bioelektrizität sowie die Schallrezeption (Gehörorgane). Mit Fortschreiten der Forschung in den molekularen Bereich der Lebensvorgänge entwickelte sich auch eine molekulare experimentelle Biophysik. Hier beschäftigt man sich u.a. mit der Funktionsweise des Stofftransports durch biologische Membranen und Transduktionsmechanismen an Sinneszellen und Nervenzellen. Einsichten in den Aufbau und die Funktionsweise von Lebewesen werden wiederum bei der Konstruktion von neuen Computern (Neurocomputern) und technischen Bauteilen (z.B. Biosensoren, Biochips) sowie in der Architektur angewandt (Bionik).
Lit.:Adam, G., Läuger, P., Stark, G.: Physikalische Chemie und Biophysik. Berlin 31995. Breckow, J., Greinert, R.: Biophysik. Eine Einführung. Berlin 1994. Cantor, C.R., Schimmel, P.R.: Biophysical Chemistry. New York 1980. Daune, M.: Molekulare Biophysik. Wiesbaden 1996. Glaser, R.: Biophysik. Jena 41996. Hoppe, W., Lohmann, W., Markl, H., Ziegler, H.: Biophysik. Heidelberg-New York 21982.
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