Lexikon der Neurowissenschaft: Hypnotika
Hypnotika [von Hypnos = griech. Gott des Schlafs, Zwillingsbruder des Thanatos (Gott des Todes)], Hypnagoga, Somnifera, Schlafmittel, E hypnotics, zur Behandlung von Schlafstörungen verwendete Pharmaka. Seit dem Altertum wurden "magische" Getränke als Schlafmittel eingesetzt. Brom wurde 1853 als erstes spezifisches Sedativum und 1864 als Schlafmittel eingesetzt. Ab 1903 wurden die Barbiturate als sehr erfolgreiche Sedativa und Hypnotika verwendet. Eine Trennung zwischen sedativer und hypnotischer Wirkung wurde erst durch die Einführung von Phenobarbital möglich, was zur Entdeckung von Phenytoin, Chlorpromazin und Meprobamat (1950) führte. Mit der Einführung von Chlordiazepoxid begann die Ära der Benzodiazepine (1961). – Die Steuerung des Schlafs unterliegt einer circadianen Rhythmik (circadianer Rhythmus, Chronobiologie) und wird durch die Formatio reticularis (Wach-Zentrum), das limbische System und die Raphe-Kerne (Schlaf-Zentrum) reguliert. Der Wirkort der Hypnotika ist unterschiedlich. Barbiturate wirken auf die Formatio reticularis, Benzodiazepine hauptsächlich auf das limbische System ein und bewirken damit eine Veränderung der Dauer der Schlafphasen. Die Hypnotika steigern die inhibitorische Wirkung von GABA und wirken zum Teil auch membranstabilisierend, wodurch es zu einer Erhöhung der Reizschwelle kommt. Viele Hypnotika wirken in geringen Konzentrationen sedierend, in sehr hohen Dosen narkotisch (Narkotika). Je nach Art der Schlafstörungen werden Hypnotika mit schnellem Wirkeintritt und kurzer Wirkdauer (Einschlafmittel) oder lang wirksame Hypnotika (Durchschlafmittel) eingesetzt. – Man unterscheidet verschiedene Gruppen von Hypnotika: 1) Die Benzodiazepine sind heute die am meisten verwendeten Hypnotika, z.B. Diazepam und neuere, ähnlich wirkende Substanzen, wie Zolpidem und Zopiclon. 2) Die Barbiturate werden seit 1903 (Veronal® mit dem Inhaltsstoff Barbital) verwendet. Heute gibt es 60 verschiedene Barbiturate, deren Verwendung jedoch stark eingeschränkt wurde. 3) Bromharnstoff-Derivate (Monoureide), z.B. Bromisoval; 4) Piperidindione, z.B. Thalidomid; 5) Chinazolon-Derivate, z.B. Methaqualon; 6) Alkohole, z.B. Chloralhydrat; 7) Aldehyde, z.B. Paraldehyd; 8) Antihistaminika, z.B. Doxylamin; 9) Phenothiazine; 10) Glutethimid; 11) pflanzliche Extrakte, z.B. Hopfen, Baldrian. 12) Bei Patienten mit Abhängigkeitsrisiko werden auch Neuroleptika (z.B. Clozapin) oder Antidepressiva als Schlafmittel verwendet. – Außer den Schlafmitteln mit nur einer Wirksubstanz sind zahlreiche Kombinationspräparate auf dem Markt erhältlich. Diese enthalten entweder mehrere Hypnotika oder ein Hypnotikum und ein Beruhigungsmittel, wie z.B. ein Neuroleptikum. Aufgrund der Gefahr von Vergiftungen und der schwierigen Behandlung wird immer mehr die Verwendung von Monosubstanz-Präparaten empfohlen ( siehe Zusatzinfo ). Psychopharmaka, Schlaf.
S.G./R.M.
Hypnotika
Aufgrund ihrer z.T. schweren Nebenwirkungen sollten Hypnotika nur vorübergehend zur Behandlung von Schlafstörungen herangezogen werden, bis die Gründe der Schlaflosigkeit (z.B. Streß, Angst, Depressionen, Schmerz, Medikamentwirkungen, Wirkungen von Coffein und Nicotin) erkannt und beseitigt sind. So besteht bei längerer Einnahme von Hypnotika die Gefahr der Gewöhnung (Sucht) und Abhängigkeit (Drogenabhängigkeit), das Reaktionsvermögen ist vermindert, die Wirkung mancher Pharmaka wird verstärkt (z.B. Antihypertonika, Antihistaminika) oder durch beschleunigte Biotransformation durch Enzyminduktion vermindert. Aufgrund der z.T. recht langen Wirkdauer der Hypnotika kann es zur Kumulation und damit zu einer narkotischen oder sogar letalen Wirkung kommen (z.B. bei Barbituraten). Auch teratogene Wirkungen wurden beobachtet (z.B. bei Thalidomid). Eine verbreitete Nebenwirkung der Hypnotika ist der hang over. Da Hypnotika die Dauer der Schlafphasen verändern (meist Verkürzung der Phase IV und des REM-Schlafs), werden diese Schlafphasen nach Absetzen der Hypnotika vermehrt durchlaufen (Rebound-Effekt).
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