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Lexikon der Neurowissenschaft: Sucht

Sucht w, Suchtkrankheit, Eaddiction, ursprünglich Form der Arzneimittelabhängigkeit; heute wird der Begriff Sucht zunehmend umgangssprachlich und damit unscharf für verschiedene Arten von Abhängigkeiten verwendet, z.B. neben einer allgemeinen Form der Abhängigkeit von Substanzen ( siehe Tab. ) auch eine Abhängigkeit von Verhaltensweisen, z.B. als Eßsucht, Arbeitssucht, Spielsucht. Sucht als Form der Arzneimittelabhängigkeit ist von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) 1964 verbindlich definiert worden ( siehe Zusatzinfo ). Die mildeste Form der Arzneimittelabhängigkeit wird als Gewohnheitsbildung bezeichnet und besteht im Verlangen nach der regelmäßigen Einnahme eines Pharmakons, ohne daß Entzugserscheinungen auftreten (keine physische Abhängigkeit), wenn auf die Einnahme verzichtet wird. Gewöhnung ist dagegen immer an die Entwicklung einer Toleranz gegenüber dem Pharmakon gebunden, was zum Zwang einer Dosiserhöhung führt, um den gleichen Effekt zu erzielen. – Die wesentliche Problematik des Suchtverhaltens ist der irreversible Drang (craving) nach der die Sucht auslösenden Droge, der lebenslang bestehen kann und meist mit Entgleisungen im privaten und beruflich-sozialen Umfeld einhergeht. Die Entwicklung einer Sucht ist nicht nur von pharmakokinetischen (z.B. rasches Anfluten von Heroin im Gehirn) und pharmakodynamischen (z.B. Bindung an endogene Opiatrezeptoren) Faktoren abhängig, sondern auch vom Kontext der Einnahme. So wirkt die freiwillige Einnahme als wesentlicher positiver Verstärker der Drogenappetenz; ängstliche Versuchstiere konsumieren im Experiment mehr Alkohol. Negativ kann bei Menschen auch das Großstadtmilieu gegenüber einer ländlichen Umgebung auf die Suchtentwicklung wirken. Die Suchtentwicklung vollzieht sich jedoch prinzipiell auf eindeutig biochemischer Grundlage, da ausnahmslos alle diejenigen Drogen, die beim Menschen eine Sucht auslösen, auch im Tierversuch (Selbstapplikation mit Vernachlässigung des Sozialverhaltens und Verzicht auf Nahrungsaufnahme) süchtig machen. Die biochemischen Grundlagen der (irreversiblen) Suchtentwicklung sind erst in ihren Anfängen verstanden. Eine wesentliche Rolle spielen einmal das Hypothalamus-Hypophysen-Nebennieren-System, in dem die zirkulierenden Glucocorticoide und das adrenocorticotrope Hormon die Ansprechbarkeit auf Drogen positiv modulieren (Hypophyse, Hypothalamus, Nebenniere). Zum anderen ist das mesolimbische System (Area tegmentalis ventralis) maßgeblich an der Bildung der Sucht auslösenden bzw. erhaltenden Engramme beteiligt. Die Freisetzung von Dopamin im Nucleus accumben, führt über eine cAMP-vermittelte Aktivierung von Transkriptionsfaktoren, wie z.B. CREB, zur langanhaltenden Expression von Genen, wie z.B. das für Pro-Dynorphin; Nachlassen der Droge bewirkt über einen negativen Feedback-Mechanismus eine Hemmung dieser Signal-Transkriptions-Kaskade mit Dysphorie und nachfolgender kompensatorischer Drogenappetenz. Funktioneller Knockout der Gene für den Dopamintransporter (verlängerte Wirkung von Dopamin im synaptischen Spalt bei kompensatorischer Reduktion der postsynaptischen Dopaminrezeptoren) und für CREB (keine cAMP-vermittelte Genexpression) heben im Tierversuch die Wirkung von Psychostimulantien auf bzw. verhindern einen experimentell induzierten Entzug. Drogen (Tab.), Rauschgifte.

Sucht

Wichtige Substanzen, die zur Sucht führen können:
Alkohol (Ethanol; Alkoholismus)
Nicotin
Cannabinoide (Haschisch, Marihuana)
Opiate (Heroin, Morphin)
Barbiturate
Tranquilizer (Benzodiazepine)
Weckamine
Cocain
Meskalin
Lysergsäurediethylamid

Sucht

Die WHO gibt folgende Definition für Sucht und Abhängigkeit (1964):
"Sucht ist ein Zustand periodischer oder chronischer Vergiftung, schädlich für den einzelnen oder/und die Gesellschaft, der durch den wiederholten Genuß eines natürlichen oder synthetischen Arzneimittels hervorgerufen wird. Zur Sucht gehören 1. ein dringendes Verlangen oder ein echtes Bedürfnis (Zwang), die Einnahme des Mittels fortzusetzen und es unter allen Umständen in die Hand zu bekommen; 2. die Tendenz, die Dosis zu steigern; 3. die psychische und meist auch physische Abhängigkeit von der Wirkung des Mittels."
"Abhängigkeit ist ein Zustand (psychisch oder auch physisch), der aus der Wechselwirkung eines Pharmakons mit dem lebenden Organismus entsteht und durch Verhaltens- und andere Reaktionen charakterisiert ist, zu denen immer der Drang gehört, das Pharmakon periodisch oder wiederholt einzunehmen, um dessen psychische Effekte zu erleben, und in manchen Fällen auch, um die unangenehmen Effekte seines Fehlens zu vermeiden."

  • Die Autoren
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