Lexikon der Neurowissenschaft: Vorstellung
Vorstellung w,Econception, idea, eine meist absichtlich herbeigeführte, wahrnehmungsähnliche innere Vergegenwärtigung von Gedächtnisinhalten (Gedächtnis), die wie Erinnerungen "abgespielt" oder aber zu neuen Situationen (Phantasie-Vorstellungen) kombiniert werden können. Die Vorstellung kann sich auf sämtliche Sinnesgebiete beziehen, also auf allgemeine (viscerale und nozizeptorische) und speziell-sensorische Systeme, wie das visuelle, auditive, vestibuläre, gustatorische und olfaktorische System. Neuropsychologisch bedeutet visuelles Vorstellungsvermögen die Fähigkeit des Gehirns, Bilder aus dem Langzeitgedächtnis abzurufen (Abruf)und diese im Kurzzeitgedächtnis aufrechtzuerhalten. In einer neurowissenschaftlichen EEG-Studie (Elektroencephalogramm) von Malerinnen konnte der Nachweis einer Involvierung des primären und extrastriären visuellen Cortex als neuraler Basis für Vorgänge visuellen Wahrnehmens und Vorstellens erbracht werden. Dies bedeutet, daß bildhaftes Vorstellen und visuelles Wahrnehmen interferieren, also teils auf gleiche Ressourcen zurückgreifen und partiell dieselben Mechanismen des kognitiven Systems aktivieren. Die empirische Untersuchung zeigt jedoch auch intrahemisphärische Unterschiede, die sich in frontalen Kohärenzänderungen (Kohärenzanalyse) niederschlagen. Vorgänge von Entkoppelung fürs Wahrnehmen stehen Vorgängen von Verkoppelungen von Vorstellungen gegenüber. Die Erklärung dürfte vermutlich darin liegen, daß der Vorgang des Vorstellens – im Unterschied zum Wahrnehmen – zu einer verstärkten Aktivierung des Arbeitsgedächtnisses führt. Was die interhemisphärischen Unterschiede betrifft, steht beim Vorstellen die fronto-occipitale Zusammenarbeit – im Gegensatz zur posterioren lokalen Kooperation der Hemisphären beim Wahrnehmen – im Vordergrund. In der kognitionspsychologischen Literatur findet für visuelles Vorstellen häufig der Ausdruck "geistiges Auge" Anwendung. Denken, Wahrnehmung.
Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.