Metzler Lexikon Philosophie: Objekt
(lat. obiectum: wörtl. Gegenwurf bzw. Vorwurf), entwickelt sich aus der ma. Übersetzung der griech. Wörter »antikeimenon« und »hypokeimenon« zum neuzeitlichen Begriff für einen Gegenstand, auf den sich das Subjekt bezieht. Kann »antikeime- non« bereits bei Aristoteles u. a. auch den Gegenstand einer Wissenschaft bezeichnen, so wird das O. im Anschluss an die von Descartes eingeleitete Ausbildung des neuzeitlichen Subjektbegriffs vorrangig als ein dem Subjekt entgegenstehendes Erkenntnis-Objekt gedacht. – Vermittelt ist dies durch die scholastische Auffassung des O.s als eines Gegenstandes von Seelenvermögen, wie sie etwa im Zusammenhang mit der Unterscheidung von Material-Objekt und Formal-Objekt, d.h. der undifferenzierten Gesamtheit des Seienden, auf die sich ein Vermögen richtet, und dem spezifischen Gesichtspunkt, unter dem dies geschieht, anzutreffen ist.
In der Auseinandersetzung mit dem Problem der Subjekt-Objekt-Spaltung werden äußere O.e der sinnlichen Wahrnehmung von inneren O.en der Reflexion unterschieden, in denen sich die Verstandestätigkeiten selbst zum O. machen (Locke, Leibniz). Dabei führt v.a. die Frage, ob und inwiefern den äußeren O.en ein vom Subjekt unabhängiges Sein zugesprochen werden muss, zu divergierenden Antworten: Zielt der idealistische Ansatz auf eine Identifikation von O. und subjektivem Erkenntnisinhalt (Berkeley, Dt. Idealismus), halten sowohl der transzendentale Ansatz, nach der das O. nur im Hinblick auf seine Erkennbarkeit vom Subjekt konstituiert wird (Kant, Neukantianismus), wie der intentionale Ansatz, der das O. gegenstandsintendierender Akte von der Weise seines Gemeintseins unterscheidet (Brentano, Husserl), an deren Differenz fest. – In Abhängigkeit davon meint der Begriff »Objektivierung« entweder das Gegenständlichwerden eines die Differenz von Subjekt und O. übergreifenden Absoluten (idealistisch), die Vergegenständlichung eines subjektiv Gegebenen (transzendental) oder die Gegenstandskonstitution durch ein subjektives Meinen (intentional). Der seltenere Begriff »Objektivation«, der besonders durch Diltheys Rede von der Objektivation des Lebens zur geschichtlichen Welt Eingang in den philosophischen Sprachgebrauch gefunden hat, kann von der Objektivierung nicht klar unterschieden werden. – Unter dem Titel »Objektivismus« werden zumeist Positionen kritisiert, die wie die antike Ontologie noch nicht über einen als grundlegend unterstellten Begriff des Subjekts verfügen oder dessen Bedeutung bestreiten, indem sie das O. auf etwas bloß Gegebenes reduzieren. – Die sprachanalytische Philosophie fasst das O. zumeist als das im Fluss raum-zeitlicher Ereignisse mit sich selbst Identische und konzentriert sich weithin auf die Frage, welchen Arten von O.en Existenz zuzusprechen ist. Dabei ist besonders die Existenz sog. abstrakter O.e umstritten.
Literatur:
- L. Dewan: »Obiectum«. In: Moyen Age 48 (1981). S. 37–96
- W. Dilthey: Der Aufbau der geschichtlichen Welt in den Geisteswissenschaften (Ges. Schriften Bd. 7). Leipzig 1927
- M. Heidegger: Die Frage nach dem Ding (Gesamtausgabe Bd. 41). Frankfurt 1984
- D. Henrich: Identität und Objektivität. Heidelberg 1976
- E. Husserl: Ideen I. Hua III/1. Den Haag 1950 ff. § 41
- I. Kant: Kritik der reinen Vernunft. Transzendentale Analytik § 17
- G. W. Leibniz: Nouveaux essais (Werke Bd. III/1. Hg. v. W. v. Engelhardt und H.H. Holz). Darmstadt 21985. S. 99 ff
- J. Locke: Essay. Hamburg 1968. II, 1
- H. W. Noonan: Objects and Identity. Den Haag 1980
- W. V.O. Quine: Word and Objects. Stuttgart 1980.
WAM
Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.