Metzler Lexikon Philosophie: Thermodynamik
Bereich der Physik, der alle physikalischen und chemischen Phänomene umfasst, bei denen Arbeits-und Wärmewirkungen auftreten. Für die Vorgeschichte der modernen Th. ist die Interpretation von Wärme als einer Substanz charakteristisch. Bis zur Mitte des 19. Jh. herrschte die Auffassung vor, dass es sich bei der Wärme um eine Art Stoff handelt und die Temperatur eines Körpers demnach von seinem Gehalt an Wärmestoff abhängig ist. Ein entscheidender Beitrag zur Entwicklung der Th. ist mit Untersuchungen zu Wärmekraftmaschinen verknüpft. Auf der Basis der Annahme eines Wärmestoffs, der bei allen Austauschprozessen insgesamt erhalten bleibt, entwickelt S. Carnot 1824 erstmals eine Theorie über Dampfmaschinen, deren Funktionsweise er sich zunächst nach dem Modell eines Wasserrades vorstellte. Ihm zufolge wird in den Maschinen eine bewegende Kraft, also die physikalische Arbeit, dadurch erzeugt, dass der Wärmestoff von einem heißeren zu einem kälteren Körper übergeht (˲fällt˱). Er kam zu dem Ergebnis, dass der Wirkungsgrad, also das Verhältnis der erzeugten Arbeit und der dafür aufgewendeten Wärme, bei einem solchen Austauschvorgang proportional ist zum Temperaturunterschied zwischen den beteiligten Körpern. J. R. Mayer konnte 1842 auf theoretischem und J. P. Joule 1842–1850 auf experimentellem Wege nachweisen, dass zwischen der aufgewendeten mechanischen Arbeit und der erzeugten Wärmeenergie eine eindeutige Beziehung besteht, womit der Grundstein für eine kinetische Wärmetheorie gelegt war. Clausius gelang schließlich 1850 der Nachweis für den umgekehrten Vorgang, also für die Umwandlung von Wärmeenergie in Arbeit. Die noch bei Carnot zugrundeliegende Wärmestofftheorie ist um 1850 durch die phänomenologische (klassische) Th. abgelöst worden, die auf dem Grundsatz von der Äquivalenz von Wärme und Arbeit beruht: Beide sind wechselseitig ineinander umwandelbar und Ausdrucksformen der umfassenden physikalischen Größe Energie, die in allen Vorgängen erhalten bleibt (erster Hauptsatz). Wärme ist nur bis zu einer Obergrenze (Carnot’scher Kreisprozess) in mechanische Arbeit umwandelbar; bei der Energieumwandlung erfolgt eine Dissipation mechanischer Energie. Clausius prägt dafür den Begriff der Entropie. Bei reversiblen (umkehrbaren) Prozessen bleibt die Entropie konstant, bei irreversiblen nimmt sie zu. In der klassischen Th. werden folgende Hauptsätze aufgestellt: (1) Die Gesamtenergie (Bewegungs-, elektrische, thermische, und chemische Energie) in einem abgeschlossenen System ist unveränderlich. Dies ist eine Verallgemeinerung des Satzes von der Erhaltung der Energie. Aus diesem ersten Hauptsatz folgt u. a. die Unmöglichkeit eines perpetuum mobile erster Art, d. h., dass es unmöglich ist, dass ein bestimmter Systemzustand (eine Maschine) kontinuierlich Energie abgibt, ohne diese Energie (in irgendeiner Form) aufzunehmen. (2) Wärme kann nur von einer Zone jeweils höherer zu einer Zone jeweils niedrigerer Temperatur übergehen. Dieser zweite Hauptsatz ist das Theorem von der Zunahme der Entropie (als des thermodynamischen Ordnungszustands) abgeschlossener Systeme bei allen makrophysikalischen Vorgängen. (3) Nach dem dritten Hauptsatz (Nernst’sches Wärmetheorem) ist der absolute Nullpunkt unerreichbar. Beim absoluten Nullpunkt (-273,16° Kelvin) erreichte die Entropie eines Körpers den Wert Null, d.h. dass keine thermische Molekülbewegung (keine Wärmebewegung) mehr stattfindet und somit kein Wärmetausch erfolgen kann. Dieser Zustand lässt sich deshalb nur näherungsweise erreichen. In der neueren Th. beschäftigt man sich im Rahmen der Th. der irreversiblen Prozesse mit Ungleichgewichtszuständen (I. Prigogine).
Literatur:
- P. Mittelstaedt: Philosophische Probleme der modernen Physik. Mannheim u. a. 1989. S. 172–218
- M. Tribus: Thermostatics and Thermodynamics. An introduction to Energy, Information and States of Matter, with Engineering Applications. Princeton u. a. 1961.
JH
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