Lexikon der Physik: Stringtheorie
Stringtheorie
Jan Louis, Halle, und Stefan Theisen, München
1 Anfänge
Die Anfänge der Stringtheorie gehen auf den Versuch zurück, Ordnung in die Vielzahl der experimentell gemessenen hadronischen Resonanzzustände, ihre Massen-Drehimpuls-Relationen sowie das Hochenergieverhalten hadronischer Streuamplituden zu bringen. Einen Meilenstein dieser Entwicklungen stellt die 1968 postulierte Veneziano-Amplitude dar, die die empirisch motivierte Dualitätshypothese realisiert. Diese besagt, daß sich die vollständigen Streuamplituden auf zwei duale Weisen berechnen lassen: entweder durch Summation über alle
-Kanal- oder alternativ alle
-Kanal-Feynman-Diagramme (Mandelstam-Variablen). Die Veneziano-Amplitude kann als Streuamplitude einer Theorie eindimensionaler Objekte, sogenannter Strings, hergeleitet werden. Die hadronischen Zustände sind die harmonischen Anregungen des Strings, und ihre Massen ergeben sich als ganzzahlige Vielfache einer charakteristischen Energieskala, die durch die Stringspannung
gesetzt wird. Alle Zustände liegen auf parallelen Regge-Trajektorien mit Drehimplus
und Steigung
. Die Größe
ist die für die Stringtheorie charakteristische Längenskala.
Diskrepanzen mit tiefinelastischen Streuexperimenten, insbesondere dem Partonverhalten von Hadronen (Partonmodell), beendeten den Versuch, die Stringtheorie als eine Theorie der starken Wechselwirkung zu verfolgen. Nach dem Beweis der Renormierbarkeit nicht-abelscher Eichtheorien fand die starke Wechselwirkung ihre adäquate Beschreibung in der Quantenchromodynamik.
Heute wird die Stringtheorie als Kandidat für eine Theorie der Quantengravitation mit
(Planck-Länge) diskutiert. Ausschlaggebend dafür ist die Tatsache, daß die Stringtheorie immer genau eine masselose Anregung mit Spin 2 besitzt. Auf Grund seiner Streuamplituden wird diese Anregung mit dem Graviton, dem Austauschteilchen der Gravitationswechselwirkung, identifiziert. Damit ist diese notwendigerweise Bestandteil der Stringtheorie und die Newtonsche Gravitationskonstante mit der Stringspannung verknüpft. Darüberhinaus können nicht nur das Graviton, sondern alle heute bekannten Elementarteilchen als (masselose) Anregungsmoden des Strings auftreten. Das ermöglicht eine Vereinheitlichung aller Elementarteilchen und ihrer Wechselwirkungen im Rahmen der Stringtheorie.
2 Der freie String
Die Dynamik des bosonischen Strings im
-dimensionalen Minkowski-Raum wird durch die Nambu-Goto-Wirkung
beschrieben. Das Integral ist der Flächeninhalt der durch
parametrisierten, vom String überstrichenen Weltfläche
in der auf ihr induzierten Metrik
.
beschreibt die Einbettung der Weltfläche in die
-dimensionale Raumzeit
mit Minkowski-Metrik
,
.
ist die direkte Verallgemeinerung der Wirkung punktförmiger (nulldimensionaler) relativistischer Teilchen auf eindimensionale Strings. Die Weltfläche eines frei propagierenden offenen Strings hat die Topologie eines Streifens und die eines geschlossenen Strings die eines Zylinders; im geschlossenen String ist
periodisch auf dem Zylinder (siehe Abb. 1 ).
Im offenen String kann man entweder Dirichletsche (D) oder Neumannsche (N) Randbedingungen an jedes der
Felder
an jedem der beiden Ränder der Weltfläche stellen. Physikalisch bedeuten Neumannsche Randbedingungen, daß kein Raumzeit-Impuls über das Ende des Strings abfließt; bei Dirichletschen Randbedingungen fließt dagegen Impuls ab. Die
-dimensionale Poincaré-Invarianz (Poincaré-Gruppe) der Theorie verlangt, daß dieser Impuls auf andere dynamische Objekte übertragen wird. Diese Objekte, auf denen offene Strings enden, heißen Dirichlet-Branes oder D-Branes (›Brane‹ ist eine Erweiterung von engl. ›Membrane‹). Haben
der räumlichen Komponenten von
an einem Ende des offenen Strings Neumannsche Randbedingungen und die übrigen
Komponenten Dirichletsche Randbedingungen, so endet dieser String auf einer Dp-Brane. Eine D0-Brane nennt man auch D-Teilchen und eine D1-Brane einen D-String, der vom fundamentalen String (F-String) zu unterscheiden ist (siehe Abb. 2 ).
Die Teilchen, die den Anregungen des offenen Strings entsprechen, propagieren nur auf dem Weltvolumen der D-Brane, die des geschlossenen Strings dagegen in der ganzen
-dimensionalen Raumzeit.
Die Quantisierung der Theorie vereinfacht sich durch die Benutzung der zur Nambu-Goto-Wirkung klassisch äquivalenten Poljakow-Wirkung
ist die Wirkung von
Skalarfeldern
, gekoppelt an die zweidimensionale Gravitation mit Metrik
.
ist invariant unter globalen Poincaré-Transformationen der Raumzeit
, unter lokalen Reparametrisierungen der Weltfläche
und unter lokalen Weyl-Reskalierungen der Metrik
. Die lokale Weyl-Invarianz impliziert, daß der Energie-Impuls-Tensor
der Feldtheorie auf der Weltfläche spurfrei ist:
. Die Reparametrisierungen erlauben den Übergang zur konformen Eichung
(konforme Feldtheorie). Klassisch entkoppelt auch der Weyl-Freiheitsgrad
. Die Verletzung der lokalen Weyl-Invarianz in der quantisierten Theorie signalisiert eine konforme Anomalie.
In der (1,1)-supersymmetrischen Version der Poljakow-Wirkung (Supersymmetrie) wird jedes bosonische Feld
zusammen mit zwei Majorana-Weyl-Superpartnern
positiver bzw. negativer Chiralität an zweidimensionale Supergravitation
gekoppelt. Wegen der zweidimensionalen lokalen Supersymmetrie sind in der klassischen Theorie neben den metrischen Freiheitsgraden auch diejenigen der Gravitinos
unphysikalisch.
Die Fermionen
auf der Weltfläche des geschlossenen Strings können periodisch (Ramond) oder antiperiodisch (Neveu-Schwarz) sein, wobei die Periodizitätsbedingungen für die beiden Chiralitäten unabhängig gewählt werden können. Das führt zu vier verschiedenen ›Sektoren‹ der geschlossenen Stringtheorie. Im Anregungsspektrum der Stringtheorie sind die Zustände in den (NS,NS)- und (R,R)-Sektoren Raumzeit-Bosonen, während die Raumzeit-Fermionen aus den beiden gemischten Sektoren (R,NS) und (NS,R) resultieren. Beim offenen String koppeln die Randbedingungen die beiden chiralen Weltflächenfermionen, und man erhält zwei verschiedene Sektoren: den NS-Sektor mit Raumzeit-Bosonen und den R-Sektor mit Raumzeit-Fermionen.
Die Quantisierung der Stringtheorie im Minkowski-Raum ist nur in einer kritschen Dimension
möglich, wobei
für den bosonischen String und
für den fermionischen String. Man erhält einen positiv-definiten Hilbert-Raum (no-ghost-theorem), und sowohl die Poincaré-Invarianz der Raumzeit wie auch die (Super)Weyl-Invarianz auf der Weltfläche sind frei von Anomalien. In der kovarianten BRS-Quantisierung führt die Eichfixierung der lokalen Symmetrien zu Geisterfeldern, den Reparametrisierungsgeistern
und ihren Superpartnern
. In der kritischen Dimension wird ihr Beitrag zur konformen Anomalie durch
und
kompensiert.
Das resultierende Spektrum der Stringtheorie enthält eine endliche Anzahl masseloser Anregungen und unendlich viele massive Anregungen. Dabei treten auch tachyonische Zustände mit negativem Massequadrat auf. Sie implizieren eine Instabilität des Vakuums. Dies ist im bosonischen String unvermeidlich. Das Spektrum des fermionischen Strings muß jedoch durch eine zusätzliche Projektion (Gliozzi-Scherk-Olive-Projektion (GSO-Projektion)) eingeschränkt werden. Diese GSO-Projektion kann so gewählt werden, daß u.a. das Tachyon herausprojiziert wird und gleichzeitig ein Raumzeit-supersymmetrisches Spektrum resultiert. Die GSO-Projektion ist notwendig und ergibt sich als Konsistenzbedingung (modulare Invarianz) aus den quantenmechanischen Streuamplituden, die unter Punkt 3 noch eingehender vorgestellt werden. In einer Theorie mit nur geschlossenen Strings besitzt das Spektrum zehndimensionale
-Supersymmetrie. Zwei mögliche, inäquivalente GSO-Projektionen führen zu der nicht-chiralen Typ-IIA- und der chiralen Typ-IIB-Theorie. Ihr masseloses Spektrum ist das der zehndimensionalen Typ-IIA- bzw. Typ-IIB-Supergravitationstheorie.
Das Spektrum der Typ-I-Theorie mit offenen und geschlossenen Strings ist
-supersymmetrisch und enthält im masselosen Sektor eine supersymmetrische Yang-Mills-Theorie gekoppelt an Supergravitation. Die Freiheitsgrade der Yang-Mills-Theorie liegen im Anregungsspektrum des offenen Strings. Die beiden Enden des Strings tragen Ladung in der fundamentalen Darstellung der Eichgruppe (Chan-Paton-Faktoren), so daß ein offener String die Quantenzahlen eines Eichbosons trägt. Die Freiheitsgrade der Supergravitation liegen wie in den Typ-II-Theorien im masselosen Anregungsspektrum des geschlossenen Strings. Die Konsistenz der Typ-I-Theorie fordert, daß die Eichgruppe die orthogonale Gruppe SO(32) ist – nur dann verschwinden alle Eich- und Gravitationsanomalien.
Die Typ-I- und Typ-II-Theorien werden auch als Superstringtheorien bezeichnet. Neben der Typ-I-Theorie gibt es zwei weitere Stringtheorien mit
-Raumzeit-Supersymmetrie, den heterotischenE8× E8- sowie den heterotischen SO(32)-String. Diese beiden Stringtheorien haben, wie die Typ-II-Theorien, nur geschlossene Strings. Im Gegensatz zur (1,1)-Weltflächensupersymmetrie der Superstringtheorien besitzen die heterotischen Theorien nur (1,0)-Supersymmetrie. Der Superpartner von
ist nun ein einziges Majorana-Weyl-Fermion
, und die Abwesenheit von Gravitationsanomalien auf der Weltfläche erfordert in der fermionischen Formulierung der Theorie das Hinzufügen von 32 zusätzlichen Majorana-Weyl-Fermionen
. In der bosonischen Formulierung des heterotischen Strings ersetzt man die 32 Fermionen durch 16 periodische chirale Skalarfelder
, die die Koordinaten eines 16-dimensionalen Torus sind. Modulare Invarianz schränkt die möglichen Tori auf solche ein, die von einem 16-dimensionalen euklidischen selbst-dualen geraden Gitter
durch
erzeugt werden. Es gibt genau zwei solche Gitter, die die beiden Eichgruppen E8 × E8 und SO(32) erlauben. Das masselose Spektrum der heterotischen Stringtheorien ist wiederum eine supersymmetrische Yang-Mills-Theorie gekoppelt an Supergravitation – diesmal mit Eichgruppe E8 × E8 oder SO(32).
3 Wechselwirkende Strings
Die bisherige Diskussion beruhte auf der freien Stringtheorie. Wechselwirkungen werden durch topologisch nicht-triviale Weltflächen berücksichtigt. Abb. 3 zeigt den Zerfall eines geschlossenen Strings in zwei geschlossene Strings als Beispiel.
Die Stärke der Wechselwirkung wird durch die dimensionslose Stringkopplungskonstante
kontrolliert. Sie ist dynamisch durch den Hintergrundswert (Vakuumerwartungswert)
des Dilatons
, das wie das Graviton zum masselosen Spektrum jeder Stringtheorie gehört, bestimmt:
. Verschiedene Werte von
entsprechen nicht verschiedenen Theorien, sondern parametrisieren die Grundzustände einer Theorie. Die Kopplungskonstanten der verschiedenen Stringtheorien sind jedoch a priori voneinander unabhängig.
Der quantenfeldtheoretischen Berechnung von Streuamplituden durch Summation über Feynman-Diagramme entspricht in der Stringtheorie die Summation über Weltflächen unterschiedlicher Topologie. Die erlaubten Topologien hängen dabei von der jeweiligen Stringtheorie ab. Insbesondere müssen für Typ-I-Theorien orientierbare und nicht-orientierbare Weltflächen berücksichtigt werden, während die Weltflächen der übrigen Stringtheorien orientierbar sind.
Die Berechnung der Streuamplituden
ist störungstheoretisch möglich.
wird in eine Potenzreihe in
entwickelt,
und jeder Term
separat bestimmt. Die Gültigkeit der Störungstheorie erfordert
. Die Potenz von
, zu der eine Weltfläche beiträgt, ist durch ihre Euler-Zahl (und damit ihre Topologie) bestimmt. Die Streuamplituden
physikalischer Zustände sind Korrelationsfunktionen BRS-invarianter Vertexoperatoren in der durch die Poljakow-Wirkung definierten zweidimensionalen Quantenfeldtheorie auf der Weltfläche. In der Pfadintegral-Formulierung muß man a priori sowohl über alle Metriken
auf
als auch über alle Einbettungen
der Weltfläche in die Raumzeit integrieren. Die Berechnung der Streuamplituden läßt sich am einfachsten mit den Methoden der konformen Feldtheorie durchführen. Mit Hilfe der lokalen Symmetrien geht man zur konformen Eichung über, und die unendlichdimensionale Integration über die
reduziert sich auf eine endlichdimensionale Integration über die modularen Parameter der Fläche
und eine Integration über die Fadejew-Popow-Geisterfelder
. Für geschlossene Strings schränkt die Forderung nach Invarianz auch unter solchen Reparametrisierungen, die nicht kontinuierlich mit der Identitätstransformation verbunden sind, den Integrationsbereich der modularen Parameter auf eine fundamentale Region ein. Diese modulare Invarianz der Ein-Schleifen-Amplituden garantiert die Anomaliefreiheit des Raumzeit-Spektrums. Für offene Strings übernimmt die tadpole-cancellation-Bedingung diese Rolle.
Für Streuimpulse, die klein sind gegenüber der charakteristischen Skala
stimmen die Streuamplituden mit denen einer effektiven Feldtheorie überein. Die Entwicklung der Streuamplituden in
entspricht einer Entwicklung der effektiven Wirkung in Potenzen von Ableitungen. In führender Ordnung in
ist die effektive Niederenergie-Wirkung jeder der fünf Stringtheorien gerade die Wirkung der jeweiligen klassischen Supergravitationstheorie. Die Kopplungskonstanten der Supergravitation (die 10-dimensionale Gravitationskonstante
und die 10-dimensionale Yang-Mills-Kopplung
) sind mit
und
über die Relationen
und
(heterotischer String) bzw.
(Typ-I-String) verknüpft. Die Korrekturen in
führen u.a. zu einer Modifikation der Einstein-Hilbert-Wirkung durch höhere Potenzen des Riemannschen Krümmungstensors.
Im Ultravioletten, d.h. für Streuimpulse
, wird die endliche Ausdehnung des Strings relevant, und Abweichungen von Quantenfeldtheorien werden bemerkbar. So sind, im Gegensatz zur Quantenfeldtheorie, die Streuamplituden der Stringtheorie UV-endlich. Dieses Verhalten kann man heuristisch anhand der im Vergleich zur Feldtheorie ›ausgedehnten‹ Feynman-Diagramme der Stringtheorie verstehen. Im Gegensatz zu den Diagrammen der Quantenfeldtheorie gibt es keine punktförmigen Wechselwirkungsvertizes mehr, die Wechselwirkung ist vielmehr ›verschmiert‹. Die perturbative Endlichkeit der Stringtheorie ist letztendlich eine Konsequenz der Tatsache, daß der String unendlich viele Anregungsmoden hat, die als Zwischenzustände in Streuamplituden auftreten können. Im Rahmen der Stringtheorie können nun z.B. störungstheoretische Quantenkorrekturen zur Gravitationswechselwirkung berechnet werden. In diesem Sinne ist die Stringtheorie (in ihrer supersymmetrischen Erweiterung) eine ultraviolett-endliche und unitäre perturbative Quantengravitationstheorie.
4 Kompaktifizierung
Die bisherige Diskussion war auf Stringtheorien in einer vorgegebenen
-dimensionalen Minkowski-Raumzeit mit Metrik
beschränkt. Es ist aber möglich, eine Stringtheorie in einer topologisch und metrisch nicht-trivialen Raumzeit zu formulieren, in der z.B. nur
Dimensionen von unendlicher und die verbleibenden
Dimensionen von endlicher Ausdehnung sind. Eine mögliche Realisierung einer solchen Kompaktifizierung beginnt mit dem Faktorisierungsansatz
für die zehndimensionale Raumzeit. Hier ist
der
-dimensionale Minkowski-Raum und
eine
-dimensionale kompakte Mannigfaltigkeit. In der Poljakow-Wirkung entspricht dies der Ersetzung von
durch die Metrik
des Produktraumes
, wodurch man ein zweidimensionales nichtlineares Sigma-Modell mit Zielraum
erhält. Die Konsistenz der Kompaktifizierung verlangt ein konform invariantes Sigma-Modell und impliziert somit starke Einschränkungen an
. Die resultierende
-dimensionale Theorie hängt von Geometrie und Topologie der kompakten Mannigfaltigkeit ab. Z.B. erhält man eine
-dimensionale supersymmetrische Theorie nur für solche
, auf denen Killing-Spinoren existieren. Allgemein wird eine Kompaktifizierung nicht nur durch die Metrik auf
, sondern zusätzlich durch nicht-triviale Hintergrundswerte anderer masseloser bosonischer Felder spezifiziert.
Die einfachste konsistente Kompaktifizierung des geschlossenen Strings ist auf einem Kreis
mit Radius
möglich. Dafür verlangt man
, für eine der Koordinaten. Dadurch entstehen zusätzliche masselose und massive Zustände: zum einen die Kaluza-Klein-Anregungen mit
, die für
entkoppeln, und zum anderen Windungszustände mit
, die für
masselos werden. Diese Windungszustände sind charakteristisch für die Stringtheorie und treten in kompaktifizierten Feldtheorien nicht auf. Sie führen zu einer Symmetrie des Spektrums und der Streuamplituden des bosonischen Strings unter der T-Dualitätstransformation
,
, bei der Kaluza-Klein- und Windungszustände ihre Rollen vertauschen. Es entsprechen also geometrisch verschiedene Kompaktifizierungen physikalisch identischen perturbativen Grundzuständen der Stringtheorie. Diese Symmetrie legt es nahe,
als eine Minimallänge der Stringtheorie zu interpretieren: Kompaktifizierung auf einem großen Kreis ist ununterscheidbar von der Kompaktifizierung auf einem kleinen Kreis. In beiden Fällen erhält man im Limes
bzw.
ein Kontinuum von masselosen Zuständen, was man als die Dekompaktifizierung einer zusätzlichen Dimension interpretiert. Durch die Kompaktifizierung auf
ensteht ein zusätzlicher freier Parameter, der Radius
des Kreises. Ähnlich wie die Stringkopplung
kann er als der (unbestimmte) Vakuumerwartungswert eines masselosen skalaren Feldes (Modulus) aufgefaßt werden. Die Grundzustände der kompaktifizierten Theorie sind durch die T-Dualität auf eine der beiden physikalisch äquivalenten fundamentalen Regionen
oder
beschränkt. Während die T-Dualität eine Symmetrie des bosonischen Strings ist, ist dies für die Typ-II-Theorien nicht der Fall: hier transformiert die T-Dualität die Typ-IIA-Theorie auf
in die Typ-IIB-Theorie auf
.
Eine einfache Verallgemeinerung der Kompaktifizierung auf dem Kreis ist die Kompaktifizierung auf einem
-dimensionalen Torus
. Hier ist die T-Dualität eine nicht-abelsche diskrete Symmetrie auf dem Parameterraum (Moduliraum) der Kompaktifizierung, der u.a. durch die Komponenten der Metrik auf
aufgespannt wird.
Physikalisch interessant ist der Fall
. Für die Typ-II-Theorien führt die Kompaktifizierung auf
, auf dem Niveau der niederenergetischen effektiven Wirkung zur
-Supergravitation und für die Typ-I- und die beiden heterotischen Theorien zur
-Super-Yang-Mills (SYM)-Theorie gekoppelt an
-Supergravitation.
-Supersymmetrie erhält man durch Kompaktifizierung des heterotischen Strings auf sechsdimensionalen Calabi-Yau-Mannigfaltigkeiten. Die Vielzahl topologisch verschiedener Calabi-Yau-Mannigfaltigkeiten führt zu einer Vielfalt vierdimensionaler Anregungspektren. Dies ergibt verschiedene effektive Niederenergietheorien, die sich u.a. durch Eichgruppe, masseloses Spektrum und Wechselwirkungen voneinander unterscheiden. Auch in diesen Kompaktifizierungen werden Größe und Form der Calabi-Yau-Mannigfaltigkeit durch die (störungstheoretisch) unbestimmten Vakuumerwartungswerte eichneutraler Skalarfelder, der Modulifelder, parametrisiert.
Allgemein bezeichnet man diskrete Symmetrien, die auf den Moduli einer Kompaktifizierung wirken und exakt in jeder Ordnung der Störungstheorie sind, als T-Dualität. Die mirror symmetry der Calabi-Yau-Kompaktifizierungen ist ein nicht-triviales Beispiel einer T-Dualität.
In der Sprache der konformen Feldtheorie besteht die Kompaktifizierung der Superstringtheorien darin, daß man
freie Superfelder
durch ein superkonformes nicht-lineares Sigma-Modell mit Zielraum
und der selben zentralen Ladung ersetzt. Allgemeiner kann man jedoch eine ›interne‹ superkonforme Feldtheorie derselben zentralen Ladung wählen, solange sie Konsistenzbedingungen wie z.B. modulare Invarianz erfüllt. Eine solche Theorie hat i.a. keine Formulierung als Sigma-Modell und läßt somit auch keine geometrische Interpretation zu. Eine analoge Diskussion gilt auch für die heterotischen Theorien, wobei dann auch die Beiträge der zusätzlichen Felder
bzw.
berücksichtigt werden müssen.
5 Dualität
Die bisher vorgestellte Formulierung der Stringtheorie beschreibt die störungstheoretische Quantisierung eines Strings, der sich in einem vorgegebenen, klassischen Raumzeithintergrund bewegt. Eine vollständige Theorie der Quantengravitation sollte jedoch auch diesen Raumzeithintergrund dynamisch generieren. Diesen Anspruch kann die Stringtheorie bisher nicht erfüllen, u.a. auch wegen ihrer bislang ausschließlich störungstheoretischen Formulierung. Meist werden störungstheoretische Methoden zur approximativen Berechnung physikalischer Größen einer zumindest im Prinzip bekannten Theorie benutzt. In der Stringtheorie ist die Situation eine andere: hier ist lediglich eine störungstheoretische Entwicklung bekannt, wohingegen eine fundamentale Formulierung der Stringtheorie, die zu dieser Störungsreihe führt, noch fehlt.
Einen Zugang zu nichtstörungstheoretischer Information eröffnet die aus supersymmetrischen Quantenfeldtheorien bekannte Dualität zwischen stark und schwach gekoppelten Theorien. Sie ermöglicht es, Bereiche starker Kopplung einer gegebenen Theorie mit perturbativen Methoden in der dualen Theorie zu kontrollieren. Die zueinander dualen Theorien können störungstheoretisch sehr unterschiedlich sein und sich z.B. in ihren Freiheitsgraden und Symmetrien voneinander unterscheiden. So können die störungstheoretischen Freiheitsgrade der einen Theorie Solitonen, also lokalisierte Lösungen der klassischen Bewegungsgleichungen, der (schwach gekoppelten) dualen Theorie sein. Diese gehören zum nichtperturbativen Spektrum, da ihre Massen für
divergieren und die Zustände somit entkoppeln. Falls die Solitonen bei starker Kopplung, d.h.
, sehr leicht werden und schwach gekoppelt sind, übernehmen sie in der dualen Theorie die Rolle der elementaren Anregungen. Die Dualität zwischen stark und schwach gekoppelten Theorien bezeichnet man als S-Dualität.
Die S-Dualität ist nicht-perturbativ im Sinne einer Entwicklung in der Kopplungskonstanten
, aber perturbativ in einer Entwicklung in
. Für die T-Dualität sind diese Sachverhalte gerade vertauscht. Von U-Dualität spricht man, wenn diskrete Symmetrien vorliegen, die weder in
noch in
perturbativ sind.
Der Beweis der S-Dualität (oder U-Dualität) ist schwierig, da er eine nicht-störungstheoretische Formulierung der Feld- und Stringtheorie voraussetzt. Man kann aber die Dualitätshypothese an solchen solitonischen Zuständen überprüfen, deren Quantenkorrekturen unter Kontrolle sind und deren Massen als Funktionen der Kopplungskonstanten bei schwacher Kopplung vollständig bestimmt werden können. Für diese Zustände ist eine Extrapolation in den Bereich starker Kopplung zulässig, und ein Vergleich mit den störungstheoretischen Zuständen der dualen Theorie wird möglich. Solche Zustände existieren in Feld- bzw. Stringtheorien mit erweiterter Supersymmetrie und werden als Bogomolny-Prasad-Sommerfield (BPS)-Zustände bezeichnet. Sie sind dadurch ausgezeichnet, daß sie einen Teil der Supersymmetrie erhalten.
Zum BPS-Spektrum der Stringtheorie gehören insbesondere die D-Branes. In Analogie zur Kopplung elektrisch geladener Teilchen an das Maxwell-Potential
koppelt eine ›elektrische‹ p-dimensionale Dp-Brane an ein
-Form-Potential
. Außer den elektrisch geladenen gibt es auch ›magnetisch‹ geladene Branes. Sie sind durch den zu
dualen Feldstärketensor
charakterisiert. Somit ist das zu einer elektrischen Dp-Brane duale (im Sinne von Hodge-Dualität) magnetisch geladene Objekt eine (6 – p)-dimensionale D(6 – p)-Brane. Die Potentiale
, an die die D-Branes koppeln, sind gerade die masselosen Felder in den (R,R)-Sektoren der Superstringtheorien (vgl. Tabelle 1). Das führt zu den D-Brane-Spektren in Tabelle 2.
Antisymmetrische Tensorfelder kommen auch im (NS,NS)-Sektor vor. Der fundamentale String (F1) koppelt an
, und das duale magnetische Objekt ist fünfdimensional und wird als NS5-Brane bezeichnet.
Branes wurden zunächst als klassische Lösungen der effektiven Supergravitationstheorien gefunden und erhielten dann eine stringspezifische Interpretation als die bereits oben eingeführten dynamischen D-Branes, an die offene Strings Raumzeit-Impuls abgeben können. Die Supergravitationslösungen beschreiben ausgedehnte Objekte und enthalten außer einer nicht-trivialen Raumzeit-Metrik und dem Dilaton eine nicht-verschwindende
-Form (Feldstärke). Die aus diesen Lösungen berechnete Spannung (Energiedichte) für den F1-String ist unabhängig von der jeweiligen String-Kopplungskonstante. Dahingegen verhält sich die Energiedichte der NS5-Brane wie
und die der D-Branes wie
. Bei schwacher Kopplung sind also sowohl die D-Branes als auch die NS5-Brane schwer und entkoppeln im Grenzwert
. Sie gehören zum nicht-perturbativen Sektor der jeweiligen perturbativ definierten Stringtheorie. Bei starker Kopplung,
, werden die BPS-p-Branes leicht und können in manchen Fällen als die fundamentalen Objekte der dualen Theorie, die jetzt eine Störungsreihe in
besitzt, interpretiert werden.
Ein Beispiel in
ist die S-Dualität zwischen dem heterotischen SO(32)-String und dem Typ-I-String. Die Kopplungskonstanten dieser beiden Theorien sind invers zueinander, und der D-String der Typ-I-Theorie wird im Limes starker Typ-I-Kopplung auf den fundamentalen heterotischen String abgebildet.
Die Typ-IIB-Theorie in
hat sowohl einen fundamentalen als auch einen D-String. Ihre Energiedichten verhalten sich wie
, d.h. bei starker Kopplung ist der D-String sehr viel leichter als der F-String. Die Typ-IIB-Theorie ist selbst-dual unter S-Dualität, d.h. invariant unter
und gleichzeitigem Vertauschen von F- und D-String. Über T-Dualität ist die Typ-IIB-Theorie mit der Typ-IIA-Theorie verbunden. T-Dualität verbindet auch die beiden heterotischen Theorien.
Die Typ-IIA-Theorie besitzt gebundene BPS-Zustände von
D0-Branes mit Masse
. Diese Zustände können als Kaluza-Klein-Anregungen einer auf
kompaktifizierten Theorie mit Radius
interpretiert werden. Im Limes
besitzt die Typ-IIA-Theorie elfdimensionale Poincaré-Invarianz. Die masselosen Freiheitsgrade und ihre Wechselwirkungen werden bei niedrigen Energien durch die elfdimensionale Supergravitation beschrieben. Mit
ergibt sich ihre charakteristische Skala zu
. Bei Energien
liefert weder die Stringtheorie noch die Supergravitation eine adäquate Beschreibung. Der noch unbekannten Theorie, die dies bewerkstelligt, hat man den Namen M-Theorie gegeben. Auch der stark gekoppelte E8 × E8-heterotische String kann als Kompaktifizierung – diesmal auf einem Intervall der Länge
– dieser M-Theorie interpretiert werden. Je ein E8-Faktor ist auf einem der beiden zehndimensionalen Ränder lokalisiert.
Die Dualitätsrelationen implizieren, daß alle fünf Stringtheorien lediglich verschiedene störungstheoretische Approximationen ein und derselben fundamentalen Theorie sind. Das Auftreten der elfdimensionalen Supergravitation bedeutet, daß die fünf Stringtheorien keine komplette Beschreibung im Bereich starker Kopplung liefern können. Die hypothetische Theorie, aus der sich sowohl die Stringtheorien als auch die elfdimensionale Supergravitationstheorie in verschiedenen Näherungen ableiten lassen, ist die schon erwähnte M-Theorie. Die elementaren Anregungen dieser Theorie hängen von der gewählten Approximation ab. Als elfdimensionale Theorie besitzt sie Membranen (M2-Branes) und deren duale Objekte, M5-Branes. Dann läßt sich z.B. der fundamentale String der Typ-IIA-Theorie als eine M2-Brane, deren eine Dimension um den Kreis mit Radius
gewickelt ist, interpretieren.
Außer den bisher beschriebenen Dualitätsrelationen gibt es noch viele weitere Beziehungen zwischen den verschiedenen Stringtheorien, sowohl in ihrer kritischen Dimension als auch nach der Kompaktifizierung. Bei allen nicht-perturbativen Dualitäten spielen Branes eine zentrale Rolle.
In Anwesenheit von D-Branes hat man außer den Anregungsmoden des geschlossenen Strings auch diejenigen des offenen Strings, dessen Endpunkte sich entlang der D-Branes bewegen. So werden z.B. die masselosen Moden für
deckungsgleiche D3-Branes bei niedrigen Energien (
) durch eine vierdimensionale
-SYM-Theorie mit Eichgruppe U(N) beschrieben. Diese Theorie ist auf dem Weltvolumen der D3-Branes lokalisiert. Ihre Eichkopplungskonstante ist
. Für
entkoppeln die Moden des offenen Strings von der Gravitation. Eine Vielzahl weiterer Theorien kann mit Hilfe geeignet gewählter D-Brane-Konfigurationen konstruiert und untersucht werden. Besonders hervorzuheben sind hier BPS-Konfigurationen, die mit extremalen Schwarzen Löchern identiziert werden können. Für diese läßt sich die Bekenstein-Hawking-Entropie durch Abzählen von Zuständen mikroskopisch herleiten.
Eine etwas anders geartete Dualität ergibt sich, wenn man die beiden Beschreibungen von D3-Branes miteinander vergleicht. Zum einen sind sie die möglichen Endpunkte offener Strings. Bei niedrigen Energien erhält man für
parallele, flache, unendlich ausgedehnte D3-Branes eine U(N)-SYM-Theorie mit
auf dem vierdimensionalen Weltvolumen, die von der zehndimensionalen Gravitation entkoppelt ist. Alternativ findet man dieselbe Brane-Konfiguration als klassische Lösung der Typ-IIB-Supergravitation, die eine Verallgemeinerung der Reissner-Nordstrøm-Metrik ist. Hier findet man bei niedrigen Energien die Entkopplung der asymptotisch flachen Region von dem Bereich in der Nähe des Horizontes, wo die Metrik die des
-Produktraumes ist. Ein Vergleich führt zu der Hypothese, daß die (
)-U(N)-SYM-Theorie in vier Dimensionen dual zur Typ-IIB-Supergravitation, kompaktifiziert auf
, ist. Untersucht man die Gültigkeit der effektiven Beschreibung der Typ-II-Stringtheorie durch die Supergravitation, findet man, daß
mit
gelten muß.
ist die effektive Kopplungskonstante der Eichtheorie. Es handelt sich damit um die Dualität zwischen einer schwach gekoppelten Stringtheorie und einer stark gekoppelten Eichtheorie im large N-Limes. Man erwartet, daß
-Korrekturen der Eichtheorie stringtheoretischen Korrekturen der Supergravitation entsprechen. Diese Dualität wird durch den Vergleich der Symmetrien und durch die Identifikation eichinvarianter Operatoren mit den Kaluza-Klein-Anregungen auf dem
-Hintergrund gestützt.
Da die (
)-SYM-Theorie eine konform invariante Quantenfeldtheorie ist, spricht man auch von einer AdS/CFT-Korrespondenz. Andere Beispiele einer solchen Korrespondenz ergeben sich z.B. durch die Kompaktifizierung der Typ-IIA-Theorie auf
. Diese Geometrie entspricht einer Anordnung von D1- und D5-Branes, und die Kompaktifizierung ist dual zu einer zweidimensionalen konformen Feldtheorie.
Literatur
[1] M. Green, J. Schwarz, E. Witten, Superstring Theory, Vol. I+II, Cambridge University Press, 1987.
[2] D. Lüst, S. Theisen, Lectures on String Theory, Springer Verlag, 1989.
[3] J. Polchinski, String Theory, Vol. I+II, Cambridge University Press, 1998.
Stringtheorie 1: Bosonische masselose Felder in den Typ-II-Theorien, im geschlossenen Stringsektor der Typ-I-Theorie und in den heterotischen Theorien.
ist die Raumzeit-Metrik,
ein antisymetrisches Tensorfeld und
das Dilaton.
ist das Vektorpotential der Eichgruppen E8 × E8 bzw. SO(32).
ist ein
-Form-Feld mit Feldstärke
. Die Feldstärke von
ist selbst-dual,
, und
ist eine nicht-propagierende 0-Form-Feldstärke.
| |||
Typ IIA | |||
Typ IIB | |||
Typ I | |||
heterotisch |
Stringtheorie 2: Die D(-1)-Brane der Typ-IIB-Theorie ist ein D-Instanton. Die D9-Brane in Typ I ist entartet. Sie impliziert, daß sich offene Strings frei in der zehndimensionalen Raumzeit bewegen können. Alle anderen D-Branes stehen in 1:1-Beziehung zu ›elektrischen‹ (R,R)-Potentialen und deren dualen ›magnetischen‹ Potentialen. Die D-Branes koppeln an diese Potentiale als elementare Quellen. Unter T-Dualität ändern sich die Randbedingungen der offenen Strings, N
D, und somit werden Dp-Branes in D(
)-Branes abgebildet, je nachdem ob die T-Dualität in einer Richtung entlang (-) oder transversal (+) zum Weltvolumen der Brane durchgeführt wird.
| ||
Typ IIA | 0,2,4,6,8 | |
Typ IIB | -1,1,3,5,7 | |
Typ I | 1,5,9 |
Stringtheorie 1: Weltfläche eines freien a) offenen und b) geschlossenen Strings.
Stringtheorie 2: Offene Strings können auf D-Branes enden.
Stringtheorie 3: Zerfall eines geschlossenen Strings in zwei geschlossene Strings.
Stringtheorie 4: Zwei offene Strings vereinigen sich zu einem geschlossenen String im a) Raumzeitbild und b) als Weltflächendiagramm.
Stringtheorie 5: Einschleifen-Quantenkorrektur zur Propagation des geschlossenen Strings.
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