Persönlichkeit : Flexibel oder stabil?
Sam ist der Prototyp einer extravertierten Person: redselig, durchsetzungsfähig, voller Energie und gerne unter Menschen. Deshalb arbeitet sie am liebsten im direkten Kundenkontakt und trägt den Spitznamen »Social Sam«. Allerdings bleibt seit einigen Tagen die Kundschaft aus, weshalb sie allein im Lager Inventur machen muss. Das macht ihr wenig Freude.
Neben Gewissenhaftigkeit, Verträglichkeit, Neurotizismus und Offenheit für Erfahrungen ist Extraversion eines der zentralen Persönlichkeitsmerkmale in der Psychologie (siehe »Die großen Fünf«). Wie das Beispiel von Sam verdeutlicht, erlauben es uns aber die Umstände nicht immer, unsere Persönlichkeit auszuleben. Vor diesem Hintergrund stieß Walter Mischel (1930–2018), der vor allem für den »Marshmallow-Test« zur kindlichen Selbstkontrolle bekannt ist, Ende der 1960er Jahre eine Dekaden andauernde Debatte in der Persönlichkeitspsychologie an. Streitpunkt war, ob unser Verhalten von unserer Persönlichkeit bestimmt wird oder überwiegend von äußeren Faktoren. Für die Disziplin stand viel auf dem Spiel: Denn warum die Persönlichkeit erforschen, wenn sie im echten Leben kaum relevant ist?
Die Person-Situation-Kontroverse hat über 30 Jahre gedauert. Das lag nicht daran, dass wirklich bezweifelt wurde, dass Persönlichkeit eine wesentliche Rolle für unser Verhalten spielt. Vielmehr hatte sich die Forschung auf eine Sichtweise versteift, die Persönlichkeit im Sinne zeitlich stabiler Merkmale betrachtet. Solche »Traits« ermöglichen es, zwischen Personen zu unterscheiden, ohne dabei auf deren spezifische Lebensumstände verweisen zu müssen. Dieser Ansatz hatte und hat immer noch viele Vorzüge ...
Schreiben Sie uns!
Beitrag schreiben