Verdrängte Schwangerschaft: Plötzlich Mutter
»Blinddarm entpuppte sich als strammer Junge.« So oder so ähnlich lautet die Schlagzeile, wenn es eine erst kurz vor der Geburt erkannte Schwangerschaft in die Presse schafft. Und natürlich fragen sich die Leserinnen und Leser dann, ob das denn wahr sein kann, ob so etwas wirklich vorkommt. Ja, es kommt vor.
Spät entdeckte Schwangerschaften sind gar nicht so selten, wie man annehmen möchte. Die meisten Chirurgen können von Fällen berichten, in denen eine Frau mit einer vermeintlich akuten Blinddarmentzündung in die Klinik kam und sich spätestens im Ultraschall herausstellte, dass sie ein Kind erwartet. Manchmal steht die Entbindung unmittelbar bevor, und die Bauchschmerzen, die zur Aufnahme geführt haben, sind bereits erste Wehen.
Der Gynäkologe Jens Wessel hat 1997 die bisher einzige größere Studie in Deutschland zu dem Thema durchgeführt. Er analysierte die Daten aus 19 Frauenkliniken und vier Hebammenpraxen im Berliner Raum während eines Jahres. Als verdrängte Schwangerschaft definierte er Fälle, in denen die werdenden Mütter erst nach der 20. Schwangerschaftswoche von ihrem Zustand erfahren hatten. Dies traf auf 65 Frauen zu. Zwölf von ihnen wurden von den Wehen überrascht. Eine bekam sogar Zwillinge, die entsprechend der 39. Woche vollständig entwickelt waren.
In einer Publikation von 2003 macht Wessel deutlich, dass es den »Typus Schwangerschaftsverdrängerin« nicht gibt. Vielmehr können Frauen jeden Alters, aus allen Berufsgruppen und mit jedem Familienstand sowie sozialem Hintergrund betroffen sein. Nach seinen Berechnungen kommt auf rund 500 Schwangerschaften eine verdrängte; bei einer von 2500 Geburten ahnt die Mutter bis zuletzt nichts ...
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