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Ökologie: Wipfel als Windfabrik

Wälder beeinflussen das Wetter - das wissen Wissenschaftler schon lange. Das Wasser in ihren Blättern verdunstet und erzeugt Wolken und Regen. Eine kontrovers diskutierte Theorie legt nahe: Wälder rufen außerdem die Winde hervor, welche die Wolken über Kontinente hinweg bewegen.
Mit dem Kanu auf dem Amazonas

Jeden Sommer verlässt Anastassia Makarieva ihr Labor in Sankt Petersburg für einen Urlaub in den ausgedehnten Wäldern Nordrusslands. Die Atomphysikerin zeltet inmitten von Fichten und Kiefern an den Ufern des Weißen Meers und bewegt sich in ihrem Kajak entlang der breiten Flüsse der Region, um sich Notizen über die Natur und das Wetter zu machen. »Die Wälder sind ein großer Teil meines Innenlebens«, meint sie. Nach 25 Jahren, in denen sie ihre jährliche Pilgerreise in den Norden unternimmt, sind Wälder zusätzlich immer mehr zu einem bedeutenden Teil ihres Berufslebens geworden.

Seit über einem Jahrzehnt hat Makarieva gemeinsam mit ihrem Mentor und Kollegen am Institut für Kernphysik in Sankt Petersburg, Victor Gorschkow, eine Theorie dazu entwickelt, wie Russlands boreale Wälder (die größte Baumfläche der Erde) das Klima in Nordasien regulieren. Dabei handelt es sich um ein relativ einfaches physikalisches Modell, das beschreibt, wie der von den Bäumen emittierte Wasserdampf Luftströme antreibt: Winde, die den Kontinent durchqueren und feuchte Luft von Europa über Sibirien in die Mongolei und nach China transportieren; Winde, die Regenfälle liefern, welche die riesigen Flüsse Ostsibiriens nähren; Winde, die das nordchinesische Tiefland bewässern, die Kornkammer der bevölkerungsreichsten Nation der Erde.

Große Wälder nehmen Kohlendioxid aus der Luft auf und geben Sauerstoff ab – darum bezeichnet man sie oftmals als die Lungen unseres Planeten. Makarieva und Gorschkow zufolge sind sie aber ebenso dessen schlagendes Herz. »Wälder sind komplexe, selbsterhaltende Systeme, die Regen erzeugen. Zudem treiben sie die atmosphärische Zirkulation auf der Erde an«, sagt Makarieva. Gemäß ihrer Theorie führen die riesigen Baumgruppen enorme Wassermengen in die Luft und bilden dabei auch Winde, welche die Feuchtigkeit um die Welt pumpen. Der erste Teil dieser Idee – Wälder als Regenmacher – stammt von anderen Wissenschaftlern und ist inzwischen belegt. Der zweite Teil, wonach Baumgruppen Winde verursachen, was Makarieva als »biotische Pumpe« bezeichnet, ist allerdings weitaus umstrittener …

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  • Quellen

Keys, P. W. et al.: Megacity precipitationsheds reveal tele-connected water security challenges. PLoS One 13, 2018

Makarieva, A. M., Gorshkov, V. G.: Biotic pump of atmospheric moisture as driver of the hydrological cycle on land. Hydrology and Earth System Sciences Discussions, European Geosciences Union 11, 2007

Makarieva, A. M., et al.: Where do winds come from? Atmospheric Chemistry and Physics 13, 2013

Van der Ent et al.: Origin and fate of atmospheric moisture over continents. Water resources research 46, 2010

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