Gentechnik: ANDis leuchtender Nachwuchs
Vor neun Jahren erblickte der erste gentechnisch veränderte Affe das Licht der Welt. Jetzt kreierten Forscher zum ersten Mal Primaten, die eingebaute Gene weitervererben. An den Tieren könnten Krankheiten des Menschen erforscht werden - doch kritische Stimmen mahnen.
Am 2. Oktober 2000 war es endlich soweit: ANDi kam auf die Welt. Sein Name war Programm, verbirgt sich in ihm doch in umgekehrter Buchstabenfolge "inserted DNA" – das Rhesusäffchen ANDi war der erste gentechnisch veränderte Primat der Welt.
Einen winzigen Wermutstropfen mussten die Forscher in ihrer Euphorie damals hinnehmen: ANDi leuchtete wider Erwarten nicht grün auf. Denn bei dem eingefügten DNA-Schnipsel handelte es sich um die Sequenz für das jüngst mit dem Chemie-Nobelpreis geehrte grün fluoreszierende Protein (GFP), das sich schon in zahlreichen Labors als Universalmarker bewährt hat. Vermutlich produzierte das Äffchen schlicht zu wenig Grün; nichtsdestotrotz ließ sich das fremde Gen in mehreren Körperzellen nachweisen.
Doch was soll das Ganze? Warum wollen Forscher grün leuchtende Affen zusammenzimmern? Das dient natürlich keinem Selbstzweck, sondern verfolgt ein bestimmtes Ziel: so genannte Tiermodelle. Zahlreiche Mäuse, denen Gene für menschliche Krankheiten eingeschleust wurden, ermöglichten den Wissenschaftlern, die Biochemie dieser Leiden zu ergründen sowie die Wirkung neu entwickelter Medikamente zu testen. So lieferten Alzheimer-Mäuse bereits jetzt schon entscheidende Erkenntnisse über die immer noch unheilbare Krankheit.
Mäuse sind jedoch keine Menschen.
Das Gen allein tut es aber noch nicht. Wirklich interessant wird es erst, wenn das fremde Erbgut über die Keimzellen an Nachkommen weitergegeben wird – wenn also ein Stamm etabliert ist, der dann universell eingesetzt werden kann. Zahlreiche solcher transgenen Mausstämme kursieren schon lange in den Labors der Welt.
Tatsächlich gelang bei 80 von 91 Affenembryonen der Transfer des GFP-Gens, wobei die Forscher als Vehikel ein verändertes HI-Virus einsetzten, das fremdes Erbgut in andere Zellen einschleusen, sich aber nicht mehr vermehren kann.
"Die Geburt dieses transgenen Weißbüscheläffchens ist zweifelsohne ein Meilenstein", schwärmt Gerald Schatten, der jetzt an der University of Pittsburgh arbeitet und zusammen mit Shoukhrat Mitalipov vom Oregon National Primate Research Center einen Begleitkommentar in "Nature" verfasst hat [2]. Doch die beiden Forscher geben zu bedenken, dass Weißbüscheläffchen als Neuwelt- oder Breitnasenaffen sich nicht so gut als Modelle für menschliche Krankheiten eignen, da Homo sapiens wie der Rhesusaffe zu den Altwelt- oder Schmalnasenaffen zählt.
Außerdem erweist sich die Technik der Geneinschleusung doch als arg primitiv: Niemand weiß, wo das Virus seine Fracht entlädt und welche, eventuell fatale, Folgen für die Tiere aus diesem zufälligen Einbau resultieren. Das Tier der Wahl sollte daher nach Ansicht von Schatten und Mitalipov die Maus bleiben.
Dem will Sasaki auch nicht widersprechen: "Man muss eine Kosten-Nutzen-Analyse vornehmen. Wir sollten mit Nagern oder in vitro arbeiten, wenn das möglich ist. Aber für viele Krankheiten wie Parkinson gibt es bis jetzt noch kein gutes Tiermodell."
Doch darf man überhaupt Primaten künstlich mit menschlichen Krankheiten traktieren? Auch hier sehen Schatten und Mitalipov ethische Probleme und fordern, dass diese Tiere nur bei unheilbaren Krankheiten, bei denen in absehbarer Zeit eine Therapie entwickelt werden kann, eingesetzt werden sollen.
Auf ein weiteres ethische Dilemma weisen die beiden Forscher ebenfalls hin: Das Äffchen Kou könnte den Weg für gentechnische Manipulationen an der menschlichen Keimbahn weisen. Hier müssten sich "Wissenschaftler für eine sachkundige bioethische Debatte mit der Öffentlichkeit stark machen".
In das gleiche Horn bläst das Editorial der Zeitschrift: "'Nature' hält solche Experimente auf Grund ihres wissenschaftlichen Werts für gerechtfertigt, so lange sie verantwortungsvoll durchgeführt werden."
Eine solche Verschlossenheit, so mahnt das Blatt, sei letztlich kontraproduktiv: "Die Erfahrungen aus den Diskussionen mit Tierschützern zeigen, dass hier mehr und nicht weniger Engagement der Forschung dient. Wissenschaftler müssen überall bereit sein, über Tierschutz, die Möglichkeit transgener Menschen und andere kontroverse Themen zu diskutieren."
Wissenschaftler um Gerald Schatten, der damals am Oregon National Primate Research Center in Portland forschte, hatten mit Hilfe eines Virus ein Marker-Gen in unbefruchtete Eizellen eingeschleust, die manipulierten Zellen befruchtet und in Affenweibchen eingepflanzt. Von den 224 Versuchsansätzen mündete einer in die erfolgreiche Geburt des Affenkindes.
Einen winzigen Wermutstropfen mussten die Forscher in ihrer Euphorie damals hinnehmen: ANDi leuchtete wider Erwarten nicht grün auf. Denn bei dem eingefügten DNA-Schnipsel handelte es sich um die Sequenz für das jüngst mit dem Chemie-Nobelpreis geehrte grün fluoreszierende Protein (GFP), das sich schon in zahlreichen Labors als Universalmarker bewährt hat. Vermutlich produzierte das Äffchen schlicht zu wenig Grün; nichtsdestotrotz ließ sich das fremde Gen in mehreren Körperzellen nachweisen.
Doch was soll das Ganze? Warum wollen Forscher grün leuchtende Affen zusammenzimmern? Das dient natürlich keinem Selbstzweck, sondern verfolgt ein bestimmtes Ziel: so genannte Tiermodelle. Zahlreiche Mäuse, denen Gene für menschliche Krankheiten eingeschleust wurden, ermöglichten den Wissenschaftlern, die Biochemie dieser Leiden zu ergründen sowie die Wirkung neu entwickelter Medikamente zu testen. So lieferten Alzheimer-Mäuse bereits jetzt schon entscheidende Erkenntnisse über die immer noch unheilbare Krankheit.
Mäuse sind jedoch keine Menschen.
"Für viele Krankheiten wie Parkinson gibt es noch kein Tiermodell"
(Erika Sasaki)
Auch wenn Säugetiere sich grundsätzlich ähneln, unterscheiden sie sich in etlichen Details; und von vielen Krankheiten gibt es trotz langjähriger Mühen immer noch keine Tiermodelle. So träumen Mediziner schon lange davon, Krankheiten auch an unseren nächsten Verwandten, den Primaten, zu studieren. Und tatsächlich gelang 2008 das Einschleusen eines menschlichen Huntington-Gens in einen Rhesusaffen. (Erika Sasaki)
Das Gen allein tut es aber noch nicht. Wirklich interessant wird es erst, wenn das fremde Erbgut über die Keimzellen an Nachkommen weitergegeben wird – wenn also ein Stamm etabliert ist, der dann universell eingesetzt werden kann. Zahlreiche solcher transgenen Mausstämme kursieren schon lange in den Labors der Welt.
Diesen entscheidenden Schritt zum transgenen Affenstamm sind jetzt japanische Forscher um Erika Sasaki vom Zentralen Institut für Versuchstiere in Kawasaki gegangen. Die Wissenschaftler setzen für ihre Experimente allerdings nicht Rhesusaffen, sondern Weißbüscheläffchen (Callithrix jacchus) ein. Ihr Vorteil: Die Tiere sind nach 12 bis 18 Monaten geschlechtsreif, und jedes Weibchen kann bis zu 80 Junge in die Welt setzen.
Tatsächlich gelang bei 80 von 91 Affenembryonen der Transfer des GFP-Gens, wobei die Forscher als Vehikel ein verändertes HI-Virus einsetzten, das fremdes Erbgut in andere Zellen einschleusen, sich aber nicht mehr vermehren kann.
"Die Geburt dieses Affen ist ein Meilenstein"
(Gerald Schatten, Shoukhrat Mitalipov)
Die veränderten Embryonen verpflanzten die Forscher in 50 Ammenmütter, wovon sieben trächtig wurden. In drei Fällen kam es zu Fehlgeburten, vier Affenweibchen gebaren insgesamt fünf Junge: Hisui, Wakaba und Banko sowie das Zwillingspärchen Kei und Kou. Und alle fünf hatten das fremde Gen in sich, wie ihre grün fluoreszierenden Fußsohlen verrieten. (Gerald Schatten, Shoukhrat Mitalipov)
So weit hatte es ANDi vor neun Jahren auch (fast) gebracht. Doch zwei Weißbüscheläffchen trugen das GFP-Gen auch in ihren Keimzellen. Und so spendete das Männchen Kou, das bei den Forschern unter der Versuchsnummer 666 lief, nach seiner Geschlechtsreife seinen Samen, mit dem erfolgreich drei Embryonen im Reagenzglas gezeugt wurden. Ein grün leuchtendes Tier namens Kouichi kam schließlich im April 2009 per Kaiserschnitt zur Welt [1].
"Die Geburt dieses transgenen Weißbüscheläffchens ist zweifelsohne ein Meilenstein", schwärmt Gerald Schatten, der jetzt an der University of Pittsburgh arbeitet und zusammen mit Shoukhrat Mitalipov vom Oregon National Primate Research Center einen Begleitkommentar in "Nature" verfasst hat [2]. Doch die beiden Forscher geben zu bedenken, dass Weißbüscheläffchen als Neuwelt- oder Breitnasenaffen sich nicht so gut als Modelle für menschliche Krankheiten eignen, da Homo sapiens wie der Rhesusaffe zu den Altwelt- oder Schmalnasenaffen zählt.
Außerdem erweist sich die Technik der Geneinschleusung doch als arg primitiv: Niemand weiß, wo das Virus seine Fracht entlädt und welche, eventuell fatale, Folgen für die Tiere aus diesem zufälligen Einbau resultieren. Das Tier der Wahl sollte daher nach Ansicht von Schatten und Mitalipov die Maus bleiben.
Dem will Sasaki auch nicht widersprechen: "Man muss eine Kosten-Nutzen-Analyse vornehmen. Wir sollten mit Nagern oder in vitro arbeiten, wenn das möglich ist. Aber für viele Krankheiten wie Parkinson gibt es bis jetzt noch kein gutes Tiermodell."
Doch darf man überhaupt Primaten künstlich mit menschlichen Krankheiten traktieren? Auch hier sehen Schatten und Mitalipov ethische Probleme und fordern, dass diese Tiere nur bei unheilbaren Krankheiten, bei denen in absehbarer Zeit eine Therapie entwickelt werden kann, eingesetzt werden sollen.
Auf ein weiteres ethische Dilemma weisen die beiden Forscher ebenfalls hin: Das Äffchen Kou könnte den Weg für gentechnische Manipulationen an der menschlichen Keimbahn weisen. Hier müssten sich "Wissenschaftler für eine sachkundige bioethische Debatte mit der Öffentlichkeit stark machen".
In das gleiche Horn bläst das Editorial der Zeitschrift: "'Nature' hält solche Experimente auf Grund ihres wissenschaftlichen Werts für gerechtfertigt, so lange sie verantwortungsvoll durchgeführt werden."
"Wissenschaftler müssen sich für eine sachkundige bioethische Debatte stark machen"
(Gerald Schatten, Shoukhrat Mitalipov)
Allerdings sollten die ethischen Bedenken der Öffentlichkeit nicht unterschätzt und offen angegangen werden. Doch an dieser Debattierfreudigkeit mangele es japanischen Forschern, die sich traditionell eher zurückhaltend über ihre Arbeit äußern [3]. (Gerald Schatten, Shoukhrat Mitalipov)
Eine solche Verschlossenheit, so mahnt das Blatt, sei letztlich kontraproduktiv: "Die Erfahrungen aus den Diskussionen mit Tierschützern zeigen, dass hier mehr und nicht weniger Engagement der Forschung dient. Wissenschaftler müssen überall bereit sein, über Tierschutz, die Möglichkeit transgener Menschen und andere kontroverse Themen zu diskutieren."
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