Lebensraum Antarktis: Im Südpolarmeer vergammelt kein Holz
Vor einigen Jahren hatten Meereszoologen ein neues Lieblingsstudienobjekt entdeckt: die am Meeresgrund Walkadaver verzehrenden "Knochenfresserwürmer" der Gattung Osedax. Diese hochspezialisierten Ringelwürmer finden frisch herabgesunkene tote Meeressäuger inmitten der Tiefseewüsten zuverlässig und verblüffend rasch. Und das auch in extremen Lebensräumen wie isolierten Buchten in hohen antarktischen Breiten, wie Thomas Dalgren von der Universität Göteborg und seine Kollegen nun ermittelt haben: Die Forscher spürten zwei bisher unbekannte Osedax-Spezies in als Köder im Südpolarmeer ausgelegten Walknochen auf. Zum Vergleich versenkte Holzreste werden dagegen nahe der Antarktis von marinen Holzfressern gar nicht besiedelt, wie die Forscher berichten.
Mit dem Vergleich von holz- und knochenfressenden Arten wollten die Forscher vor allem untersuchen, wie isoliert der Tiefsee-Lebensraum des Südpolarmeers vom Rest der Ozeane ist. Man weiß seit Langem, dass die Wasserströmungen der antarktischen Konvergenzzone sowie des Antarktischen Zirkumpolarstroms den Faunenaustausch zwischen den Ozeanen und der Antarktis behindern können. Nun zeigt sich, dass Holzfresser tatsächlich in der Antarktis nicht heimisch sind: In fast jedem anderen Meer der Welt wären versenkte Holzköder in Windeseile von Spezialisten wie den als Schiffswürmern bekannten Xylophaga-Muscheln besiedelt und verspeist worden. Die für gut ein Jahr an zwei tiefen und einer flachen Stelle im Meer ausgelegten Hölzer von Dalgren & Co blieben dagegen unversehrt.
Reine Spekulation – aber faszinierend für Polarhistoriker
Das sollte Marinearchäologen Hoffnung machen, die sich für historisch interessante Schiffswracks nahe der Antarktis interessieren, etwa die 1914 vom Polarforscher Ernest Shackleton auf dem Westantarktischen Schelf zurückgelassene Endurance, schreiben die Forscher: Solche Wracks dürften vor Ort auch nach langer Zeit noch gut erhalten sein. Ganz überraschend kommt das Fehlen von spezialisierten Holzfressern wegen des hier ungenügenden Nahrungsangebotes allerdings nicht: Immerhin wuchsen die letzten Hölzer vor Ort vor 30 Millionen Jahren, und erst seit dem späten 20. Jahrhundert sorgt zunehmender Tourismus dafür, dass Holzabfall gelegentlich in halbwegs bedeutender Menge auch um Antarktika anfällt.
Für spezialisierte Osedax-Spezies wie den neu entdeckten O. antarcticus bietet das Südpolarmeer dagegen genug Nahrung: Die Gewässer sind reich an verschiedenen Walen, die regelmäßig als Kadaver anfallen. Zoologisch aufregend ist vor allem die zweite neue Spezies Osedax deceptionensis: Ein einzelnes weibliches Exemplar fiel erst bei sehr genauem Hinschauen in Knochenködern auf, die rund zwölf Monate in nur 20 Meter Tiefe in einer isolierten Bucht von Deception Island ausgelegen hatten. Der antarktische Flachwasser-Osedax ist sehr klein und weicht auch genetisch deutlich von anderen Osedax-Arten ab, wie die Forscher durch Gendatenbankvergleiche ermittelten. Bei anderen Osedax-Arten ist das Weibchen relativ groß, die Männchen dagegen miniaturisiert.
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