Umweltpolitik: Bittersüße Ernte
Seit Jahren gibt es kein Halten: Die Zerstörung des brasilianischen Amazonas-Regenwaldes schreitet weiter voran und nimmt wieder zu. Neben Aluminium- und Stahlindustrie, Rinderfleisch und Sojaproduzenten tritt jetzt auch die Agrarspritbranche zu einer neuen Zerstörungsorgie an.
"Wenn die Ölpreise weiter steigen, wird die Ethanolproduktion im Amazonas explodieren", warnte Mitte Januar Carlos Nobre, Wissenschaftler am Nationalen Weltraum-Forschungsinstitut Brasiliens, nach Auswertung von Satellitenbildern. Und die Daten geben ihm Recht, stieg doch die monatliche Zerstörungsrate von 234 Quadratkilometern Regenwald im August 2007 auf 948 Quadratkilometer im vergangenen Dezember. Nur einer will von dieser dramatischen Entwicklung wenig wissen: Brasiliens Präsident Luiz Inácio Lula da Silva.
Eine neue Agrarfront
"Es ist eine Lüge zu behaupten, dass sich Zuckerrohr nicht an das amazonische Klima anpassen könnte", erwidert auch der Fachmann Sérgio Nunomura vom Instituto Nacional de Pesquisas da Amazônia (Inpa) und fügt hinzu, dass es selbst im Bundesstaat Amazonas bereits Zuckerrohrplantagen gibt. Nach offiziellen Daten des brasilianischen Landwirtschaftsministeriums wird sich die Zuckerrohrernte in den Amazonasstaaten Maranhão, Mato Grosso, Pará, Tocantins und Amazonas in der diesjährigen Saison von 17 auf 19,3 Millionen Tonnen erhöhen.
Hauptgrund der raschen Expansion von Zuckerrohr am Amazonas ist die globale Nachfrage nach dem vermeintlich Klima schonenden Agrarsprit. Hohe Investitionen aus aller Welt schüren die Hausse. So kündigte die Brazilian Renewable Energy Company den Bau ihrer ersten Ethanolfabrik in Mato Grosso, weil die Region fruchtbare Böden und eine maschinengerechte Topographie habe. Bis 2009 will das Unternehmen insgesamt zehn große Ethanolfabriken auf Basis von Zuckerrohr in Brasilien errichten und investiert hierfür 2,2 Milliarden US-Dollar, die unter anderem von Ex-Weltbank-Präsident James Wolfensohn, dem AOL-Mitbegründer Steve Case sowie dem Filmproduzenten Steven Bing stammen.
Zur Zerstörung freigeben: Brasiliens Savannen
Neben dem weltweit bekannten Regenwald werden damit noch andere einzigartige Ökosysteme vernichtet – vor allem der Cerrado, den Biologen inzwischen als das artenreichste Savannenökosystem der Erde geadelt haben: Obwohl wenig untersucht, wurden hier bereits über 10 000 Pflanzenarten identifiziert, von denen 4400 endemisch sind. Daneben ist es reich an großen Tierarten wie Jaguar, Mähnenwolf oder Ameisenbär, weshalb der Cerrado auch als Lateinamerikas Serengeti bezeichnet wird. Zudem ist er Heimat Dutzender Indianervölker und bietet zugewanderten traditionellen Bevölkerungsgruppen Lebensraum und Existenz.
"Im Cerrado", sagt der Geograf Klemens Laschefski von der brasilianischen Bundesuniversität in Minas Gerais, "leben Menschen, die in den Statistiken und der Politik nicht wahrgenommen werden, weil sie nicht zur Wirtschaftskraft beitragen. Es gibt die Illusion, dass dieses Gebiet ökologisch nicht wertvoll sowie sozial untergenutzt ist." Dies sei eine alte Ideologie, mit der schon das Vordringen in den Amazonas begründet wurde – paradoxerweise werde nun die Erschließung des Cerrados mit der Rettung Amazoniens begründet, so Laschefski
Südamerikas Serengeti stirbt für Agrarsprit
"Die Umweltministerin Marina Silva behauptet immer, die Expansion der landwirtschaftlichen Nutzfläche zur Ethanolproduktion werde auf bereits degradierten Gebieten geschehen", kritisiert der erfahrene Journalist und Koordinator des Umweltinformationsplattform EcoDebate, Henrique Cortez. "Tatsache aber ist, dass die Agrarfront voranschreitet, ohne so genannte degradierte Flächen zu nutzen. Warum? Weil die Wiederherstellung von degradierten Flächen teuer ist und viel Zeit beansprucht." Es sei schlichtweg billiger und einfacher für die Agrarindustrie den Cerrado abzuholzen und die Agrarfront weiter nach Amazonien zu treiben. Davon unbekümmert spricht Eduardo Pereira de Carvalho, der Präsident von São Paulos Union der Zuckerrohrindustrie, von rund 100 Millionen Hektar Land, die in den nächsten 15 Jahren in Zuckerrohrmonokulturen umgewandelt werden könnten.
"In unseren Feldstudien haben wir festgestellt, dass die Viehfarmer im Cerrado ihr Land an die Zuckerrohrproduzenten verkaufen und den Erlös in neue Viehweiden in Amazonien investieren", erläutert Laschefski. "Der Raubbau am Amazonas geht also weiter und wird durch die Erschließung des Cerrados verschärft. In manchen Gebieten wandert der ganze Sektor der Milchwirtschaft inklusive der Verarbeitungsbetriebe in Richtung Amazonien."
Größtes Feuchtgebiet der Erde bedroht
Bislang war der Bundesstaat São Paulo Landesmeister in der Ethanolproduktion. Doch die Zukunft des brasilianischen Agrarsprits liegt nach Meinung von Milliardären wie George Soros in Mato Grosso do Sul. Denn für die Ausweitung des Zuckerrohranbaus verfügt der Bundesstaat, der international aufgrund des größten Süßwasserfeuchtgebiets der Erde, dem Pantanal, bekannt ist, über drei wichtige Voraussetzungen: Billige, relativ fruchtbare und ebene Böden, gute klimatische Bedingungen und ausreichend Wasser. Soros lässt gerade Zuckerrohrmonokulturen auf 150 000 Hektar anpflanzen und neue Ethanolfabriken bauen. Angestrebte Verarbeitungskapazität: Elf Millionen Tonnen Zuckerrohr pro Jahr.
Indianermorde und Landraub
An dessem Rande vollzieht sich aber noch eine weitere Tragödie, von der die letzten indigenen Völker Mato Grosso du Suls betroffen sind. Laut vorläufiger Statistik des Indianermissionsrats CIMI wurden 2007 in ganz Brasilien 76 Indianer umgebracht – 48 davon in Mato Grosso do Sul. Hauptursache: der Kampf um Land.
"Das Agrobusiness behauptet, es wolle Zuckerrohr nur auf degradierten Flächen Mato Grosso do Suls anpflanzen. Aber mit der Perspektive ständig steigender Profite haben sie ihre Ansicht geändert und kämpfen nun um die besten Flächen der Region, die Gebiete der Guarani-Kaiowá", erläutert Egon Heck, CIMI-Koordinator von Mato Grosso do Sul. "Auf den weniger produktiven Böden kann man 70 bis 80 Tonnen Zuckerrohr je Hektar erzielen, aber auf jenen der Guarani-Kaiowá bis zu 120 Tonnen je Hektar." Die Guarani-Kaiowá sind folglich schlicht ein unliebsames Hindernis, das es zu beseitigen gelte, so Heck. Große Konzerne kauften strategisch wichtige Flächen auf, um die Naturressourcen des Landes – darunter Wasser – zu kontrollieren.
Wasser für das Zuckerrohr, das Volk durstet
Leidtragende sind neben Kleinbauernfamilien, die Äcker und Häuser räumen mussten, rund 9000 Tumbalalá- und Truká-Indianer. Der Schamane der Truká-Gemeinde von Cabrobó, Antônio Cirilo de Sá, klagt: "Seit dem Bau des Sobradinho-Staudammes leben wir unter größten Schwierigkeiten. Wir verloren unsere fruchtbaren Felder an den Ufern des São Francisco, und die Fische im Fluss wurden weniger." Die Teilumleitung und das Absenken des Flusses werde noch mehr Hunger bringen sowie das Fischen und den Reisanbau weiter erschweren.
Auch der Vizepräsident der Vereinigung der Fischer im Bundesstaat Alagoas, Antonio Gomes dos Santos, kritisiert das Lula-Projekt: "Ich bin gegen den Zuckerrohranbau vor allem in den Wassereinzugsgebieten der Flüsse und Lagunen, weil es schon zu viel Zuckerrohr gibt. Wir brauchen diese Gebiete, um Nahrungsmittel wie Reis, Mais, Bohnen, Kartoffeln und Fruchtbäume anzubauen. Zuckerrohr bringt auch keine Arbeitsplätze. Was den Gemeinden Jobs gibt, ist die traditionelle Flussfischerei."
"Wenn Amazonien zum Zuckerrohranbau taugen würde, dann hätten die Portugiesen, die Zuckerrohr vor vielen Jahrhunderten in Brasilien einführten, längst mit Amazonien Schluss gemacht", sagte der Präsident im letzten Sommer anwesenden Minister aus der Europäischen Union während eines internationalen Agrartreibstoffkongresses in Brüssel. Und sein Landwirtschaftsminister Reinhold Stephanes versicherte: "Es existiert kein Zuckerrohr in Amazonien, Wir wissen von keinem einzigen Projekt in der Region." Doch nur einen Tag nach Lulas Aussage berichtete die Tageszeitung Diário do Pará, dass die Polizei über 1000 wie Sklaven gehaltene Feldarbeiter befreit hat, die auf einer fast 12 000 Hektar großen Zuckerrohrplantage nahe der Stadt Ulianópolis im Amazonas-Staat Pará schuften mussten.
Eine neue Agrarfront
"Es ist eine Lüge zu behaupten, dass sich Zuckerrohr nicht an das amazonische Klima anpassen könnte", erwidert auch der Fachmann Sérgio Nunomura vom Instituto Nacional de Pesquisas da Amazônia (Inpa) und fügt hinzu, dass es selbst im Bundesstaat Amazonas bereits Zuckerrohrplantagen gibt. Nach offiziellen Daten des brasilianischen Landwirtschaftsministeriums wird sich die Zuckerrohrernte in den Amazonasstaaten Maranhão, Mato Grosso, Pará, Tocantins und Amazonas in der diesjährigen Saison von 17 auf 19,3 Millionen Tonnen erhöhen.
Hauptgrund der raschen Expansion von Zuckerrohr am Amazonas ist die globale Nachfrage nach dem vermeintlich Klima schonenden Agrarsprit. Hohe Investitionen aus aller Welt schüren die Hausse. So kündigte die Brazilian Renewable Energy Company den Bau ihrer ersten Ethanolfabrik in Mato Grosso, weil die Region fruchtbare Böden und eine maschinengerechte Topographie habe. Bis 2009 will das Unternehmen insgesamt zehn große Ethanolfabriken auf Basis von Zuckerrohr in Brasilien errichten und investiert hierfür 2,2 Milliarden US-Dollar, die unter anderem von Ex-Weltbank-Präsident James Wolfensohn, dem AOL-Mitbegründer Steve Case sowie dem Filmproduzenten Steven Bing stammen.
Im Süden von Pará hat wiederum der Millionär Daniel Dantas seine Claims abgesteckt, um eine der größten Zuckerrohrplantagen des Landes inklusive Fabrik zum Ethanolexport zu errichten. Und auch der nordamazonische Bundesstaat Roraima ist vom Agrarspritboom bedroht. Das Unternehmen Biocapital will von dort Ethanol über das Nachbarland Guyana zollfrei in die USA verschiffen. Brasiliens Regierung forciert diese Exportpläne, in dem sie gerade eine Straße zu den Häfen Guyanas erweitert. Roraimas Klima und Böden seien ideal für Zuckerrohr, erklärte vergangenen September Alvaro Callegari, Landwirtschaftsminister von Roraima. Dafür solle kein Regenwaldbaum für die Zuckerrohrplantagen gefällt werden, versicherte er. Die vorgesehenen Flächen seien ausschließlich bisher für Rinderzucht genutzte Naturgrasgebiete und Savannen, der so genannte Cerrado.
Zur Zerstörung freigeben: Brasiliens Savannen
Neben dem weltweit bekannten Regenwald werden damit noch andere einzigartige Ökosysteme vernichtet – vor allem der Cerrado, den Biologen inzwischen als das artenreichste Savannenökosystem der Erde geadelt haben: Obwohl wenig untersucht, wurden hier bereits über 10 000 Pflanzenarten identifiziert, von denen 4400 endemisch sind. Daneben ist es reich an großen Tierarten wie Jaguar, Mähnenwolf oder Ameisenbär, weshalb der Cerrado auch als Lateinamerikas Serengeti bezeichnet wird. Zudem ist er Heimat Dutzender Indianervölker und bietet zugewanderten traditionellen Bevölkerungsgruppen Lebensraum und Existenz.
"Im Cerrado", sagt der Geograf Klemens Laschefski von der brasilianischen Bundesuniversität in Minas Gerais, "leben Menschen, die in den Statistiken und der Politik nicht wahrgenommen werden, weil sie nicht zur Wirtschaftskraft beitragen. Es gibt die Illusion, dass dieses Gebiet ökologisch nicht wertvoll sowie sozial untergenutzt ist." Dies sei eine alte Ideologie, mit der schon das Vordringen in den Amazonas begründet wurde – paradoxerweise werde nun die Erschließung des Cerrados mit der Rettung Amazoniens begründet, so Laschefski
So litt dieses Trockenwald-Ökosystem am stärksten unter der industriellen und oft gewalttätigen Agrarexpansion während der vergangen dreißig Jahre: Weite Teile des Cerrado wichen Sojaplantagen und Rinderweiden oder wurden rücksichtslos abgeholzt und als Holzkohle in brasilianischen Stahlwerken verfeuert. Die Schätzungen, wie viel dieses Ökosystems bereits verloren sind, reichen von 40 bis über 60 Prozent – und jetzt kommt der Ethanolfluch hinzu.
Südamerikas Serengeti stirbt für Agrarsprit
"Die Umweltministerin Marina Silva behauptet immer, die Expansion der landwirtschaftlichen Nutzfläche zur Ethanolproduktion werde auf bereits degradierten Gebieten geschehen", kritisiert der erfahrene Journalist und Koordinator des Umweltinformationsplattform EcoDebate, Henrique Cortez. "Tatsache aber ist, dass die Agrarfront voranschreitet, ohne so genannte degradierte Flächen zu nutzen. Warum? Weil die Wiederherstellung von degradierten Flächen teuer ist und viel Zeit beansprucht." Es sei schlichtweg billiger und einfacher für die Agrarindustrie den Cerrado abzuholzen und die Agrarfront weiter nach Amazonien zu treiben. Davon unbekümmert spricht Eduardo Pereira de Carvalho, der Präsident von São Paulos Union der Zuckerrohrindustrie, von rund 100 Millionen Hektar Land, die in den nächsten 15 Jahren in Zuckerrohrmonokulturen umgewandelt werden könnten.
"In unseren Feldstudien haben wir festgestellt, dass die Viehfarmer im Cerrado ihr Land an die Zuckerrohrproduzenten verkaufen und den Erlös in neue Viehweiden in Amazonien investieren", erläutert Laschefski. "Der Raubbau am Amazonas geht also weiter und wird durch die Erschließung des Cerrados verschärft. In manchen Gebieten wandert der ganze Sektor der Milchwirtschaft inklusive der Verarbeitungsbetriebe in Richtung Amazonien."
Größtes Feuchtgebiet der Erde bedroht
Bislang war der Bundesstaat São Paulo Landesmeister in der Ethanolproduktion. Doch die Zukunft des brasilianischen Agrarsprits liegt nach Meinung von Milliardären wie George Soros in Mato Grosso do Sul. Denn für die Ausweitung des Zuckerrohranbaus verfügt der Bundesstaat, der international aufgrund des größten Süßwasserfeuchtgebiets der Erde, dem Pantanal, bekannt ist, über drei wichtige Voraussetzungen: Billige, relativ fruchtbare und ebene Böden, gute klimatische Bedingungen und ausreichend Wasser. Soros lässt gerade Zuckerrohrmonokulturen auf 150 000 Hektar anpflanzen und neue Ethanolfabriken bauen. Angestrebte Verarbeitungskapazität: Elf Millionen Tonnen Zuckerrohr pro Jahr.
Insgesamt rechnete die Regierung des Bundesstaates 2007 mit Investitionen von rund zwei Milliarden US-Dollar und einer Ausweitung des Zuckerrohranbaus auf 710 500 Hektar in den nächsten beiden Jahren sowie mit wenigstens 31 neuen Ethanolfabriken. Die Zuckerrohrproduktion Mato Grosso do Suls soll nach Meinung der Regierung bis 2012 um 620 Prozent steigen. Der Pantanal ist durch den Ethanolwahn massiv bedroht – trotz Lulas Beteuerungen, das Feuchtgebiet nicht zu opfern.
Indianermorde und Landraub
An dessem Rande vollzieht sich aber noch eine weitere Tragödie, von der die letzten indigenen Völker Mato Grosso du Suls betroffen sind. Laut vorläufiger Statistik des Indianermissionsrats CIMI wurden 2007 in ganz Brasilien 76 Indianer umgebracht – 48 davon in Mato Grosso do Sul. Hauptursache: der Kampf um Land.
"Das Agrobusiness behauptet, es wolle Zuckerrohr nur auf degradierten Flächen Mato Grosso do Suls anpflanzen. Aber mit der Perspektive ständig steigender Profite haben sie ihre Ansicht geändert und kämpfen nun um die besten Flächen der Region, die Gebiete der Guarani-Kaiowá", erläutert Egon Heck, CIMI-Koordinator von Mato Grosso do Sul. "Auf den weniger produktiven Böden kann man 70 bis 80 Tonnen Zuckerrohr je Hektar erzielen, aber auf jenen der Guarani-Kaiowá bis zu 120 Tonnen je Hektar." Die Guarani-Kaiowá sind folglich schlicht ein unliebsames Hindernis, das es zu beseitigen gelte, so Heck. Große Konzerne kauften strategisch wichtige Flächen auf, um die Naturressourcen des Landes – darunter Wasser – zu kontrollieren.
Unabhängig vom Wasserbedarf auf dem Feld benötigen auch Ethanolfabriken das kostbare Nass: drei bis fünf Liter je Liter Alkohol. Der vom Ethanolwahn und seinem Durst auf Wasser angeheizte Konflikt ist auch entscheidend im Streit um die von der Regierung Lula durchgepeitschte, mindestens zwei Milliarden teure Teilumleitung des Rio São Francisco im Nordosten Brasiliens. Zu den Hauptprofiteuren des Projektes zählen die Zuckerbarone des Nordostens, die in freudiger Erwartung ihre Plantagen erweitern.
Wasser für das Zuckerrohr, das Volk durstet
Leidtragende sind neben Kleinbauernfamilien, die Äcker und Häuser räumen mussten, rund 9000 Tumbalalá- und Truká-Indianer. Der Schamane der Truká-Gemeinde von Cabrobó, Antônio Cirilo de Sá, klagt: "Seit dem Bau des Sobradinho-Staudammes leben wir unter größten Schwierigkeiten. Wir verloren unsere fruchtbaren Felder an den Ufern des São Francisco, und die Fische im Fluss wurden weniger." Die Teilumleitung und das Absenken des Flusses werde noch mehr Hunger bringen sowie das Fischen und den Reisanbau weiter erschweren.
Auch der Vizepräsident der Vereinigung der Fischer im Bundesstaat Alagoas, Antonio Gomes dos Santos, kritisiert das Lula-Projekt: "Ich bin gegen den Zuckerrohranbau vor allem in den Wassereinzugsgebieten der Flüsse und Lagunen, weil es schon zu viel Zuckerrohr gibt. Wir brauchen diese Gebiete, um Nahrungsmittel wie Reis, Mais, Bohnen, Kartoffeln und Fruchtbäume anzubauen. Zuckerrohr bringt auch keine Arbeitsplätze. Was den Gemeinden Jobs gibt, ist die traditionelle Flussfischerei."
"Brasilien besitzt sechs große Biome: Amazonien, Pantanal, Cerrado, Caatinga, Mata Atlântica und Pampa. Eines davon wurde bereits durch Zuckerrohr vernichtet – die Mata Atlântica, der Atlantischer Regenwald", fasst Roberto Malvezzi, der Koordinator der Comissão pastoral da Terra, traurig zusammen. "Heute bestimmt Zuckerrohr den Staat São Paulo. Und will es den Cerrado, das Pantanal und in einer perversen Form der Bewässerung die besten Böden der Caatinga übernehmen. Das Volk verdurstet, aber das Zuckerrohr bekommt Wasser im Überfluss."
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