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Bundeswaldinventur veröffentlicht: Deutschlands Wald belastet die nationale Klimabilanz

Alle zehn Jahre lässt die Bundesregierung den Zustand des Waldes ermitteln. Das von Landwirtschaftsminister Cem Özdemir präsentierte Ergebnis verheißt nichts Gutes für die deutsche Klimabilanz.
Ein Förster blickt mit dem Fernglas auf den Wald
Für die Bundeswaldinventur haben Inventurtrupps stichprobenartig Hunderttausende von Bäumen vermessen. Die Ergebnisse dokumentieren einen schlechten Zustand des Waldes (Symbolbild).

Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) hat die Ergebnisse der Bundeswaldinventur vorgestellt. Die Auswertung zeige, dass der Wald in Deutschland mehr Treibhausgase freisetzt, als er aufnimmt. Der Wald sei zu einer »Kohlenstoffquelle geworden«, sagte der Minister bei einer Pressekonferenz in Berlin.

Über die Ergebnisse dieser umfangreichsten Erhebung des Waldzustands und die Gründe dafür, warum der deutsche Wald absehbar als Klimaschützer ausfallen wird, hatte »Spektrum der Wissenschaft« bereits exklusiv vorab berichtet.

Die Bundeswaldinventur wird mindestens alle zehn Jahre im Auftrag des Landwirtschaftsministeriums durchgeführt. Bei der Vorstellung der Ergebnisse machte Özdemir nun vor allem den fortschreitenden Klimawandel für den schlechten Zustand der Wälder verantwortlich. Durch Stürme und Dürre sowie Käferbefall würde mehr Biomasse verloren gehen, als zeitgleich aufgebaut wird. Einen solchen Zuwachs an Biomasse braucht es allerdings, damit der Wald zusätzliches CO2 aus der Luft bindet.

Kaum noch neue Biomasse

Seit der Bundeswaldinventur 2012 hat die Waldfläche nur geringfügig um 15 000 Hektar zugenommen. Das sind gerade einmal 0,13 Prozent der rund 11,4 Millionen Hektar großen Waldfläche. Der Holzvorrat stagnierte in den vergangenen zehn Jahren bei 3,7 Milliarden Kubikmetern.

»Die Folge davon: Der deutsche Wald hilft uns nicht mehr in dem Maße, wie wir es bislang gewöhnt waren bei der Erreichung unserer Klimaziele«, sagte Özdemir laut Deutscher Presse-Agentur (dpa).

Tatsächlich war eingeplant, dass der Wald gemeinsam mit Mooren von 2027 bis 2030 jährlich im Durchschnitt 25 Millionen Tonnen Kohlendioxid aufnimmt – mindestens. Bis 2045 sollten es sogar 40 Millionen Tonnen sein. Die Ampelregierung ist nun mit dem Fall konfrontiert, dass der Wald die CO2-Bilanz belastet, anstatt sie auszugleichen, wie im Klimaschutzgesetz vorgesehen.

Zu einer Kohlendioxidquelle ist der Wald seit dem Jahr 2017 geworden. In diesem Jahr nahm das Ausmaß des Borkenkäferbefalls erstmals stark zu. Weil die Datensammlung im Jahr 2022 endete und das Fichten- und Kiefernsterben danach weiterging, befürchten Experten wie Pierre Ibisch von der Hochschule für nachhaltige Entwicklung in Eberswalde, dass die Klimabilanz der Wälder in Wahrheit noch schlechter ausfällt, als in der Bundeswaldinventur abgebildet.

Mehr alte oder mehr junge Wälder?

Wie der Wald zu einer Kohlenstoffsenke gemacht werden kann, wird unter Ökologen, Forstfachleuten und Waldbesitzerverbänden kontrovers diskutiert. Der Forstwissenschaftlerin Susanne Winter vom WWF zufolge hätten die deutschen Waldbesitzer zu lange auf klimaanfällige Nadelholzkulturen gesetzt. Wichtig sei nun, die intensive Waldbewirtschaftung zu reduzieren und insbesondere alte Laubwälder zu fördern – auch durch deutliche Reduktion des Einschlags.

Der Präsident der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Waldbesitzerverbände, Andreas Bitter, weist dagegen auf die CO2-Bindung junger, heranwachsender Wälder hin. Sie sei viel höher als bei älteren Beständen, so dass der junge Wald »stark als Kohlenstoffsenke wirkt«, sagte Bitter der dpa im Vorfeld der Vorstellung der Bundeswaldinventur. Dem steht allerdings entgegen, dass in diesen Jungwäldern – in absoluten Zahlen betrachtet – nur wenig Kohlenstoff gespeichert ist.

Die Bundeswaldinventur wird vom bundeseigenen Thünen-Institut in Braunschweig erstellt. Die Inventur erfolgt auf Basis von Stichproben, die in einem systematischen Raster über ganz Deutschland verteilt sind. 100 Inventurtrupps der Länder haben an 80 000 Probepunkten etwa 520 000 Probebäume vermessen und viele weitere Merkmale erhoben. Die Ergebnisse sind in einer Datenbank abgelegt, die im Internet öffentlich zugänglich ist.

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