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Koevolution: Chemisches Wettrüsten

Parasiten haben es nicht leicht. Sind sie zu aggressiv, vernichten sie ihren Wirt, sind sie zu soft, werden sie vernichtet. Die Raupen eines Bläulings indes zeigen, wie man es macht: Sie sind dem Wirt immer dicht auf den Fersen - und haben für magere Zeiten einen Notfallplan in der Tasche.
Knotenameise trägt Bläulingsraupe ins Nest
Die Larven des Bläulings Maculinea alcon sind faule Gesellen. Statt sich wie andere Schmetterlingsraupen mühsam mampfend von Blatt zu Blatt zu robben, lassen sie sich ihr Essen gerne ans Bett bringen. Ihre Diener: Die Arbeiterinnen der Knotenameise, die blind für alle Artgrenzen die Raupen an Kindes Statt aufziehen.

Bläuling bei der Eiablage | Weiblicher Bläuling der Gattung Maculinea alcon legt seine Eier auf einem Enziangewächs ab.
Die bequeme Kinderstube nach Kuckucks-Manier verdanken die Schmetterlingsraupen einem chemischen Täuschungsmanöver. Denn ihre Außenhaut produziert bestimmte Duftstoffe auf Kohlenstoffbasis, die denen der Knotenameisen ähneln – und dafür sorgen, dass die fürsorglichen Arbeiterinnen die Raupen kurz nach dem Schlüpfen auf einem bestimmten Enziangewächs in das heimische Nest entführen, wo sie die Larven liebevoll umsorgen.

Besonders angetan haben es die Raupen einer bestimmten Knotenameisen-Art: der Myrmica rubra. In ihren Nestern finden sich die meisten der hungrigen Parasiten. Doch das Stopfen der fremden Mäuler führt im Ameisenstaat zu einigen Verlusten. Denn dank der nimmersatten Gäste wird der eigene Nachwuchs sträflich vernachlässigt. In kleinen Nestern reichen schon zehn Bläulings-Raupen – und die gesamte Ameisenbrut stirbt den Hungertod. Größere Ameisenstaaten sind zwar unempfindlicher, aber auch dort kommt es zu Nachwuchssorgen. Das wiederum ist auf dauer aber auch für die Raupen fatal – schließlich sind sie und ihre Nachfahren von der Pflege durch ihre Wirte abhängig.

Doch die Ameisen haben ihren Eindringlingen den Kampf angesagt, entdeckte David Nash von der Universität Kopenhagen bei Felduntersuchungen in Dänemark: Wurden die Krabbeltiere in der Vergangenheit schon einmal von Raupen infiltriert, änderten sie die chemische Zusammensetzung ihrer Duftstoffe – während ihre Artgenossen in Staaten ohne Eindringlinge bei den bislang genutzten Pheromonen blieben.

Knotenameise trägt Bläulingsraupe ins Nest | Eine Arbeiterin der Knotenameisen trägt eine Bläulingsraupe in ihr Nest – dank eines chemischen Täuschungsmanövers glaubt sie, eine Larve der eigenen Familie zu tragen.
Nun ergaben allerdings Stichproben aus drei Regionen in Dänemark, dass auch die jeweils ansässige Bläulings-Gattung ihre Duftstoffe variierte. Ameisen und Schmetterling liefern sich ein stetiges Kopf-an-Kopf-Rennen, bei dem die neuen Kreationen der Staatsbewohner in kürzester Zeit von den Bläulingen nachgeahmt werden. Trotz der Schutzmaßnahmen durch die Ameisen gelingt es den Raupen so immer wieder, bei den Arbeiterinnen die fatalen Mutterinstinkte zu wecken.

Dass die Ameisen noch nicht ausgerottet wurden, verdanken sie nach Ansicht des Biologen David Nash daher nicht allein ihren stetig wechselnden Düften, sondern auch der Umsicht der Bläulings-Raupen. Denn in Notzeiten, in denen nur allzu wenige der bevorzugten Wirtsameisen an den von ihnen bevorzugten Enziangewächsen vorbei kommen, geben sie sich auch mit anderen Ameisen zufrieden – und lassen sich kurzerhand von Myrmica ruginodis bemuttern. Es ist doch immer gut, einen Plan B zu haben.

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