Jahresrückblick: Damm- und Durchbrüche
Vor einem Jahr sahen Wissenschaftsjournale beim Blick in die Zukunft einiges voraus - nicht aber das Comeback altbekannter Plagen wie den Vogelgrippe- und HI-Viren. Und auch die revolutionärste Meldung des nun zu Ende gehenden Jahres stand vor zwölf Monaten nicht auf dem Prognosezettel der Profi-Sterndeuter.
Bereits ab Februar stand fest: Das medizinisch-biologische Wissenschaftsjahr 2004 wird im Zeichen des Klons stehen. Technisch hatten der Südkoreaner Hwang und seine Kollegen in ihrem Labor nicht viel anderes getan, als andere Forscher zuvor – ihr besonderes genetisches Ausgangsmaterial aber brachte sie bis heute in die Schlagzeilen. Und das Ergebnis ihres Experiments: Hwang und seine Kollegen schufen "den ersten menschlichen Klon" aus adulten Zellen einer freiwilligen Spenderin. Das Produkt waren Blastocysten, ein Frühstadium des Embryos, aus dem die Forscher dann embryonale Stammzellen gewinnen konnten. Mit derartigen Stammzellen verbinden sich die größten Hoffnungen auf Heilung verschiedener Krankheiten durch therapeutisches Klonen – Kritiker sehen dagegen einen Dammbruch, der zum bedenkenlosen Verbrauch von befruchteten menschlichen Eizellen oder gar schließlich zum reproduktiven Klonen von Menschen führen könnte.
Bleibt zu hoffen, dass seine Ankündigungen tatsächlich nur jene schräge, nie tatsächlich durchexerzierte PR-Maßnahme war, die viele dahinter vermuteten. Nach derzeitigem Stand der Technik würden geklonte menschliche Embryonen, die in die Gebärmutter einer Leihmutter eingepflanzt würen, jedenfalls auch bei den fähigsten Klonierungsexperten – zu denen Panos kaum zählt – nahezu keine Überlebenschance haben. Dies legen zumindest die Ergebnisse von Klonexperimenten an Menschenaffen aus dem Herbst nahe: Von 135 teilungsfähigen Affenklonen überlebte keiner länger als höchstens einen Monat in der Gebärmutter von Affenweibchen. Primaten reproduktiv zu klonen, setzt hohe Hürden – auch technischer Art.
Wichtiger noch: Seit den Experimenten von Hwang und seinen Kollegen bestimmten erneut ethische und moralische Erwägungen die überfällige Diskussion – und Gesetzgeber weltweit schufen mehr und mehr der notwendigen Rahmenbedingungen. Einigkeit herrscht dabei weiter in der Ablehnung des reproduktiven Klonens von Menschen, während therapeutisches Klonen in vielen Ländern mittlerweile gestattet ist. Die USA scheiterten mit ihrem Versuch, in den Vereinten Nationen ein generelles Klonverbot durchzusetzen. In Deutschland empfiehlt der Ethikrat, nach langem Ringen, in engen Grenzen die Erforschung des Klonens grundsätzlich zu gestatten. Dies findet breiten Konsens, aber auch Widerspruch. Die Diskussion jedenfalls ist nun nicht vom Tisch – und sollte es wohl auch nicht sein, wie unbequem zu führen sie auch sein mag.
Genetische Eingriffe
Schon greifbare medizinische Erfolge von Stammzellen waren in diesem Jahr allerdings noch rar oder vage – die in der Vergangenheit als zukünftige Heilsbringer vermuteten Alleskönner müssen sich in Zukunft bewähren. Dagegen tauchte ein anderes Wissenschaftsthema der Vergangenheit putzmunter wieder auf: Das einmal mehr nun endlich vollständig entschlüsselte menschliche Genom. Eigentlich war der genetische Kode schon im Jahr 2001 als "endlich lückenlos bekannt" präsentiert worden. Gründliche Arbeit aber will Weile haben – auf die im Herbst vorgestellten Daten der "Version 2.0" des menschlichen Erbgutes ist jedenfalls eher Verlass als auf die ältere Arbeitsversion.
Öffentlichkeit nur bei Erfolg?
Widersprüchliche Meinungen sind eben das Salz in der Suppe und befeuern manche Diskussion – wenn denn beide der gegensätzlichen Meinungen öffentlich gemacht werden. Geht es um Geld, fehlt zu unpopulären Veröffentlichungen allerdings offenbar nicht selten die Bereitschaft. Im Publikationsskandal des Jahres wurde offenbar, dass die britische Pharmafirma GlaxoSmithKline Ergebnisse aus eigenen Studien über Wirkungen und Nebenwirkungen eines Depressions-Medikaments einseitig und selektiv veröffentlicht hatte. Das Unternehmen konnte daraufhin eine Klage in den USA nur gegen eine Zahlung von 2,5 Millionen Dollar abwenden. Unabhängige Auswertungen hatten zuvor gezeigt, dass von dem Unternehmen vertriebene Antidepressiva bei suizidgefährdeten Kindern und Jugendlichen nicht besser als ein Placebo wirken und sogar vermehrte Selbstmordgedanken auslösen können; der Medikamententyp sollten daher bei ihnen nicht weiter eingesetzt werden. Erfreuliche Konsequenz aus diesen und weiteren Vorfällen: Ab Juli des kommenden Jahres wollen die wichtigsten medizinischen Fachjournale nur noch zuvor registrierte Studien akzeptieren, damit auch negative Ergebnisse bekannt werden können.
Klare Anweisungen
Von Drogen und Volksdrogen zum Thema Nummer Eins – Fußball. Nicht überraschend für alle auch nur gelegentlichen Fans: Das menschliche Auge ist damit überfordert, eine Abseitsstellung zu erkennen. Direkt weiter, unvermeidlich, zum Sex und neuen Erkenntnissen darüber – außer der schon erwähnten, dass Klonforscher ihn bei Mäusen mittlerweile abschaffen können. Andere Forscher gingen den irgendwie entgegengesetzten Weg, bei dem sie ein dem Hormon der Hypophyse ähnliches Mittel entdeckten, das den Sexhunger weiblicher Ratten deutlich ankurbelte. Es soll demnach auch die Libido von Frauen verstärken, wo nötig.
Auch dazu natürlich Widerspruch. Sowohl ernsthaften – Medikamente gegen erfundene Krankheiten können durchaus Schaden anrichten – als auch den vielleicht weniger ernst zu nehmenden über andere Nebenwirkungen, wie die beunruhigende Meldung über Krebs erregende Substanzen in deutschlandweit verkauften Kondomen. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte ging in diesem Zusammenhang übrigens letztlich nicht von einem Risiko für die Verbraucher aus. Immerhin bleibt – neben Rotwein – demnach wenigstens noch etwas, was Spaß machen kann, ziemlich unwidersprochen gesund. Also Tee trinken (zumindest schaden kann das, nach allem was man so gelesen hat, wohl nicht) und gespannt auf das nächste diskussionsfördernde Jahr warten.
Solange es Wissenschaftler gibt wie Panos Zavos, ist dieses Szenario tatsächlich nicht von der Hand zu weisen. Der selbst ernannte Klonexperte verstummte allerdings im Januar, noch vor der bahnbrechenden koreanischen Veröffentlichung –, ohne Beweise für seine eigene Ankündigung vorgelegt zu haben, einen geklonten Menschen-Embryo in eine Leihmutter eingepflanzt zu haben. Später ließ er mitteilen, dass bei dem Experiment keine Schwangerschaft erreicht worden sei.
Bleibt zu hoffen, dass seine Ankündigungen tatsächlich nur jene schräge, nie tatsächlich durchexerzierte PR-Maßnahme war, die viele dahinter vermuteten. Nach derzeitigem Stand der Technik würden geklonte menschliche Embryonen, die in die Gebärmutter einer Leihmutter eingepflanzt würen, jedenfalls auch bei den fähigsten Klonierungsexperten – zu denen Panos kaum zählt – nahezu keine Überlebenschance haben. Dies legen zumindest die Ergebnisse von Klonexperimenten an Menschenaffen aus dem Herbst nahe: Von 135 teilungsfähigen Affenklonen überlebte keiner länger als höchstens einen Monat in der Gebärmutter von Affenweibchen. Primaten reproduktiv zu klonen, setzt hohe Hürden – auch technischer Art.
Wichtiger noch: Seit den Experimenten von Hwang und seinen Kollegen bestimmten erneut ethische und moralische Erwägungen die überfällige Diskussion – und Gesetzgeber weltweit schufen mehr und mehr der notwendigen Rahmenbedingungen. Einigkeit herrscht dabei weiter in der Ablehnung des reproduktiven Klonens von Menschen, während therapeutisches Klonen in vielen Ländern mittlerweile gestattet ist. Die USA scheiterten mit ihrem Versuch, in den Vereinten Nationen ein generelles Klonverbot durchzusetzen. In Deutschland empfiehlt der Ethikrat, nach langem Ringen, in engen Grenzen die Erforschung des Klonens grundsätzlich zu gestatten. Dies findet breiten Konsens, aber auch Widerspruch. Die Diskussion jedenfalls ist nun nicht vom Tisch – und sollte es wohl auch nicht sein, wie unbequem zu führen sie auch sein mag.
Genetische Eingriffe
Bei Klonexperimenten mit Tieren sind Wissenschaftler indes auch in diesem Jahr einige Schritte weiter gegangen: Sie schufen Mäuse aus geklonten Krebszellen sowie aus bereits ausdifferenzierten Nervenzellen, und es gelang, aus dem Erbgut eines geklonten Bullen einen weiteren Bullen zu klonen – also eine Klon-Nachfolgegeneration zu erzeugen. Wissenschaftler aus Japan gingen währenddessen einen verlustreichen Sonderweg bei der parthenogenetischen Produktion des Mausweibchens "Kaguya" – der ersten Maus ohne Vater. Sie verschmolzen genetisch manipulierte weibliche Eizellen, regten das Produkt zur Teilung an und übertrugen es in Leihmütter-Mäuse. Aus ursprünglich 457 Eizellen entstanden so neun kurzlebige Neugeborene – und ein Tier, eben Kaguya, welches das Erwachsenenalter erreichte und selber (auf natürlichem Weg) Nachwuchs produzierte. Damit war der Beweis erbracht, dass theoretisch eine so genannte Jungfernzeugung bei Säugetieren funktionieren kann, wenn man einige zellbiologische Hindernisse genmanipulativ beiseite räumt. Vorteil der Methode: Aus derartig entstandenen Blastocyten könnten embryonale Stammzellen gewonnen werden. Denn diese Zellen wären – zumindest nach deutscher Rechtsauffassung – keine Embryonen, da sie nicht durch eine Befruchtung entstanden sind.
Schon greifbare medizinische Erfolge von Stammzellen waren in diesem Jahr allerdings noch rar oder vage – die in der Vergangenheit als zukünftige Heilsbringer vermuteten Alleskönner müssen sich in Zukunft bewähren. Dagegen tauchte ein anderes Wissenschaftsthema der Vergangenheit putzmunter wieder auf: Das einmal mehr nun endlich vollständig entschlüsselte menschliche Genom. Eigentlich war der genetische Kode schon im Jahr 2001 als "endlich lückenlos bekannt" präsentiert worden. Gründliche Arbeit aber will Weile haben – auf die im Herbst vorgestellten Daten der "Version 2.0" des menschlichen Erbgutes ist jedenfalls eher Verlass als auf die ältere Arbeitsversion.
Ein Resultat des genaueren Hinsehens: Wir Menschen haben doch nur 20 000 bis 25 000 Gene – weniger als gedacht. Nicht mehr jedenfalls als ein Huhn, wie der Vergleich mit dem erstaunlich schlanken, ersten entzifferten Vogelgenom verriet. Scheinbar leistet sich der Mensch vergleichsweise viele DNA-Regionen in seinen 2,85 Milliarden Basenpaaren, die nicht für Proteine kodieren. Ob derartiger, vorgeblicher "DNA-Schrott" wichtige, bislang unerkannte Funktionen erfüllt, war eines der am heißesten diskutierten Themen der Zellbiologie. Eine Forschergruppe meinte ja: Die angeblich sinnentleerten Abschnitte wimmelten von wichtigen, unterschätzten Regulatoren. Andere Wissenschaftler produzierten dagegen eine weitgehend Junk-DNA-freie Maus – der es augenscheinlich an nichts zu mangeln schien.
Öffentlichkeit nur bei Erfolg?
Widersprüchliche Meinungen sind eben das Salz in der Suppe und befeuern manche Diskussion – wenn denn beide der gegensätzlichen Meinungen öffentlich gemacht werden. Geht es um Geld, fehlt zu unpopulären Veröffentlichungen allerdings offenbar nicht selten die Bereitschaft. Im Publikationsskandal des Jahres wurde offenbar, dass die britische Pharmafirma GlaxoSmithKline Ergebnisse aus eigenen Studien über Wirkungen und Nebenwirkungen eines Depressions-Medikaments einseitig und selektiv veröffentlicht hatte. Das Unternehmen konnte daraufhin eine Klage in den USA nur gegen eine Zahlung von 2,5 Millionen Dollar abwenden. Unabhängige Auswertungen hatten zuvor gezeigt, dass von dem Unternehmen vertriebene Antidepressiva bei suizidgefährdeten Kindern und Jugendlichen nicht besser als ein Placebo wirken und sogar vermehrte Selbstmordgedanken auslösen können; der Medikamententyp sollten daher bei ihnen nicht weiter eingesetzt werden. Erfreuliche Konsequenz aus diesen und weiteren Vorfällen: Ab Juli des kommenden Jahres wollen die wichtigsten medizinischen Fachjournale nur noch zuvor registrierte Studien akzeptieren, damit auch negative Ergebnisse bekannt werden können.
Manche Ereignisse entziehen sich allerdings wissenschaftlicher und öffentlicher Kontrolle – oder werden ihr entzogen. Nicht ganz sicher ist bis heute etwa die Zahl der menschlichen Opfer, welche neue Ausbrüche der Vogelgrippe in China, Laos, Thailand und Malaysia gekostet haben. Gerade die Verantwortlichen im Reich der Mitte hatten deutlicher als Opferzahlen den "Sieg über die Vogelgrippe" bekannt gegeben – vor den neuen Krankheitsfällen. Das Virus befiel daneben auch Katzen – einige Tiger mussten etwa präventiv eingeschläfert werden – und Schweine. Deutschland war nicht betroffen: Eine vorsorgliche Warnmeldung des Tropeninstitutes in Hamburg erwies sich als unbegründet. Besser allerdings zu viel gewarnt als zu viel verschleiert.
Klare Anweisungen
Apropos Widersprüche. Platz eins der Uneindeutigkeitsergebnisse aus dem weiten Feld der medizinischen und semimedizinischen Forschung – wie fast in jedem Jahr: Die Liste der Dinge, die man essen, rauchen, trinken und sonst wie verzehren sollte, um gesund zu bleiben. Oder eben besser nicht sollte, um nicht krank zu werden. Oder manchmal beides. Eine kurze Auswahl veröffentlichter Erkenntnisse, beginnend – rein zufällig – mit Cannabis und seinen Inhaltsstoffen: Sie hungern neuen Studien zufolge einerseits Hirntumoren aus, sind andererseits aber vielleicht Schuld an Eileiterschwangerschaften, schädigen Spermien und verursachen vermehrt Psychosen. Also weg damit. Her dagegen mit Kakao (lindert Husten) und den Gewürzen Koriander (tötet Keime), Kurkuma (hilft gegen Mukoviszidose) sowie dem Gemisch aus beiden und mehr (Curry – schützt gegen Alzheimer-Demenz). Auch viel Tee beugt der Alzheimer-Erkrankung vor. Ist er allerdings grün, so hilft er wohl doch nicht – ein seit diesem Jahr überholtes Resultat des vergangenen Jahres – gegen Arterienverkalkung. Auf Nummer sicher geht man mit Obst (kräftiger Verzehr senkt das Lungenkrebsrisiko). Und Alkohol? Hält in Maßen(!) die Gefäße offen und fördert in Form von Rotwein die Gesundheit.
Von Drogen und Volksdrogen zum Thema Nummer Eins – Fußball. Nicht überraschend für alle auch nur gelegentlichen Fans: Das menschliche Auge ist damit überfordert, eine Abseitsstellung zu erkennen. Direkt weiter, unvermeidlich, zum Sex und neuen Erkenntnissen darüber – außer der schon erwähnten, dass Klonforscher ihn bei Mäusen mittlerweile abschaffen können. Andere Forscher gingen den irgendwie entgegengesetzten Weg, bei dem sie ein dem Hormon der Hypophyse ähnliches Mittel entdeckten, das den Sexhunger weiblicher Ratten deutlich ankurbelte. Es soll demnach auch die Libido von Frauen verstärken, wo nötig.
Auch dazu natürlich Widerspruch. Sowohl ernsthaften – Medikamente gegen erfundene Krankheiten können durchaus Schaden anrichten – als auch den vielleicht weniger ernst zu nehmenden über andere Nebenwirkungen, wie die beunruhigende Meldung über Krebs erregende Substanzen in deutschlandweit verkauften Kondomen. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte ging in diesem Zusammenhang übrigens letztlich nicht von einem Risiko für die Verbraucher aus. Immerhin bleibt – neben Rotwein – demnach wenigstens noch etwas, was Spaß machen kann, ziemlich unwidersprochen gesund. Also Tee trinken (zumindest schaden kann das, nach allem was man so gelesen hat, wohl nicht) und gespannt auf das nächste diskussionsfördernde Jahr warten.
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