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Emotionen: Das Weiße im Auge

Ob Hasenfuß oder Drachentöter: der einschüchternden Wirkung eines panisch verzerrten menschlichen Gesichts kann man sich nicht so einfach entziehen. Warum das sinnvoll sein kann - droht Gefahr? - ist klar, welche Gehirnverschaltungen verantwortlich sind, dagegen weniger.
Angsteinflössend
Amit Atkins, Paul Whalen und eine Schar von Mitstreitern haben einen nicht ganz einfachen Job: Sie sollen Menschen Angst einjagen, ohne dass diese etwas davon merken. Ein Widerspruch in sich? Nicht unbedingt.

Das zumindest kann wahrscheinlich jeder bestätigen, der schon einmal ein irgendwie unerklärliches mulmiges Gefühl hatte – und einer eher unterbewusst wahrgenommene Ursache dieser Angst erst später auf die Schliche gekommen ist. Offenbar existieren Mittel und Wege, das Gehirn zu verstören, ohne dass dessen Benutzer einer Gefahr logisch-gedanklich gewahr wird.

Amit Atkins untersuchte eine dieser Möglichkeiten – zunächst aber sortierten er und seine Kollegen von der Columbia Universität ein Freiwilligenfeld mit Hilfe einer Fragebogenaktion in eher sorglose Kandidaten, die nach eigener Aussage durch Weniges aus der Fassung zu bringen sind, sowie Teilnehmer, die erklärtermaßen auch in Alltagssituation leicht schreckhaft reagieren und hinter vielem recht schnell eine unangenehme Bedrohung vermuten.

Mit Hilfe funktioneller Magnetresonanztomografie schauten sie dem Gehirn bei der Arbeit zu, während sie ihre hasenherzigen und furchtlosen Probanden mit einem unfehlbaren Trick experimentell beunruhigten: der Präsentation angstverzerrter menschlicher Gesichter. Derartige Anblicke tragen, so die Erkenntnis aus langen Jahren der Angsteinflößungsforschung, Furcht in jeden einigermaßen emotional normalen Versuchsteilnehmer. Und zwar auch, wenn furchtverzerrte Fratzen nur für Sekundenbruchteile sichtbar werden, um dann von einem neutralen Reiz verdeckt zu werden: Ob kurz präsentiert und unbewusst wahrgenommen oder lang genug gezeigt für ein bewusstes Erkennen – stets löst ein panisches menschliches Antlitz beim Betrachter dumpf-unterbewusstes Unwohlsein aus.

Solch ein unterbewusster Angstzustand verrät sich durch eine erhöhte Gehirnaktivität in der Amygdala, einem mandelförmige, kirschkerngroße Emotionszentrum des Gehirns. Sie ist dafür bekannt, an der Erzeugung von Gefühlen wie Angst maßgeblich beteiligt zu sein. Auch in den Versuchen der Forscher um Atkins arbeiteten erwartungsgemäß die Amygdalae der Kandidaten auf Hochtouren, sobald ihnen mit ultrakurz gezeigten, bewusst nicht wahrnehmbaren Angstgesichter Furcht eingeflöst worden war [1]. Während des Experiments ahnten die Teilnehmer dabei nicht, was eigentlich mit ihnen geschah: Ihnen wurde eingeredet, auf die Hautfarbe von nach zum Schein längere Zeit eingeblendeter Gesichter zu achten.

Interessanterweise unterschied sich die Gehirn-Reaktion zwischen den zuvor als relativ angstfrei eingestuften und den generell eher furchtsamen Probanden, die alle unbewusst verängstigt worden waren: Erklärte Angsthasen aktivierten deutlich stärker den basolateralen Teil der Amygdala. Offenbar senkte dies ihre Angst- und Reaktionsschwelle, so die Forscher, und machte sie unbewusst bis in die Haarspitzen reaktionsbereit auf alles, was da an möglichen Gefahren auf sie zukommen könnte. In unmittelbar an das Experiment anschließenden Farberkennungstests zeigten sie sich jedenfalls deutlich reaktionsschneller als die ebenfalls unbewusst mit Schreckensgesichtern behelligten Furchtlosen.

Die Amygdala verrate demnach einiges über die generellen Angstschwelle, die von Mensch zu Mensch individuell unterschiedlich ist, schlussfolgern die Forscher. Sie wollen ihr Augenmerk nun vermehrt auf diesen gehirneigenen Furchtpegelzeiger richten, um vielleicht neue Erkenntnisse zu krankhaften Angsstörungen zu gewinnen.

Amygdala zeigt Angst | Die Amygdala (rot und gelb) einer Versuchsperson reagiert, sobald für einen kurzen, nicht bewusst wahrnehmbaren Augenblick die Schablonen-Darstellung von furchtsam weit aufgerissene Augen präsentiert wird.
Auch bei Paul Whalen von der Universität von Wisconsin und seinen Kollegen stand die Amygdala und ihre Reaktion auf den Anblick panischer Gesichter im Zentrum des Interesses [2]. Bei ihren tomografischen Studien interessierten sich die Forscher allerdings eher für die Qualitäten des Reiz-Sammelsuriums, welches den Mandelkern zu heftiger Aktivität und den Menschen zum Fürchten bringt. Was macht ein erschreckend erschrockenes Gesichter eigentlich aus? Welche der einzelnen verzerrten Gesichtspartien sind eigentlich für Betrachter am angsteinflössensten?

Ihre Vermutung: Angst entsteht, wenn man das Weiße im Auge des Gegenübers sieht – je mehr, desto furchtbarer. Daher zeigten sie ihrer freiwilligen Kandidatentruppe Bilder neutraler oder freundlich gestimmter Gesichter, schummelten aber kurze, nicht bewusst wahrnehmbare Bilder von schablonenhaften Augenpartien in die Präsentation. Die Augen blickten dabei einmal angstvoll aufgerissen – zeigten also viel Augenweiß – oder waren freundlich verengt wie bei einem Lächeln.

Das Ergebniss ließ an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig: Je mehr Augenweiß, desto heftiger die erschrockene Amygdala-Reaktion der Kandidaten. Wenig furchteinflössend dagegen das Negativ – ein aufgerissenes Falschfarben-Augenpaar mit weißen Pupillen im verhältnismäßig ausgedehnten schwarzen Augen"weiß"-Hintergrund.

Auch bei den verschreckten Teilnehmern in Whalens Experiment erwies sich insbesondere der basolaterale Abschnitt der Amygdala für zuständig, unbewusste Angstzustände zu schüren. Ziemlich sicher spricht diese nicht nur auf aufgerissene Augen an, sondern auch auf einige andere subtile Reize, die im Laufe der Evolution unterbewusst wahrzunehmen manchem Menschen vor manch unerkannten Bredouille gewarnt hat.

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