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News: Den Krebs vergiftet

Übelkeit, unerträgliche Schmerzen und Haarausfall - dies sind nur einige der Beschwerden, die Krebspatienten bei der Chemotherapie bevorstehen. Eine effiziente Antitumortherapie ohne Nebenwirkungen wäre aus Sicht vieler Betroffener daher ein großer Fortschritt. Nun soll ein neuer Therapieansatz mit Hilfe eines künstlich modifizierten Giftstoffs gezielter gegen entartete Zellen vorgehen.
Lethalfaktor
Im zweiten Weltkrieg experimentierten britische Militärs auf der Insel Guida mit Milzbranderregern. Die Folgen dieser Studien hatten sie dabei nicht bedacht: Auch nach Jahrzehnten galt die Insel als so verseucht, dass das Betreten lebensgefährlich und daher strikt verboten war. Erst nach einer gründlichen Reinigungsaktion konnte Guida im Jahre 1986 wieder freigegeben werden.

Wohl nur mit wenigen Molekülen verbindet der Laie ähnlich negative Assoziationen wie mit dem Milzbrand-Giftstoff. Dieses von dem Milzbrandbakterium Bacillus anthracis synthetisierte Toxin schädigt ganz unterschiedliche Typen von Zielzellen so massiv, dass diese daraufhin absterben. Fallen zu viele Zellen dem Krankheitserreger zum Opfer, dann endet das in aller Regel tödlich.

Das Milzbrandtoxin besteht aus drei Proteinanteilen: dem protektiven Antigen (PrAg) sowie dem Ödem- (EF) und dem Letalfaktor (LF). Einzeln sind diese Proteine nicht toxisch. Erst wenn das protektive Antigen von Proteasen auf der Oberfläche der Zielzellen zurechtgeschnitten wird, kann es mit LF und EF einen Komplex bilden, der in das Cytosol eindringt. Dort beginnt insbesondere der Letalfaktor sein tödliches Werk, indem er bestimmte Enzyme der Zielzellen zerstört.

Doch diese Zusammenhänge könnten möglicherweise auch einen segensreichen Nutzen bergen. Wissenschaftler um Thomas Bugge von den National Institutes of Health im US-amerikanischen Bethesda konstruierten nun eine gentechnisch veränderte Variante des Milzbrand-Toxins, die es selektiv auf Krebszellen abgesehen hat.

Der Schlüssel zu dieser Idee war die Erkenntnis, dass menschliche Tumorzellen auf der Oberfläche Unmengen einer Protease namens Urokinase besitzen. Das Team um Thomas Bugge hat nun den PrAg-Anteil des Milzbrandtoxins dahingehend verändert, dass es sich ausschließlich von der Urokinase zurechtschneiden und damit aktivieren lässt. Daher sollte das Toxin sein zerstörerisches Programm nur in entarteten Krebszellen abspielen und gleichzeitig für alle gesunden Zellen völlig ungiftig bleiben. Zusätzlich veränderten die Wissenschaftler auch den zweiten Toxinanteil, den Letalfaktor. Diese Protein fusionierten sie mit einem weiteren Toxin, dem Pseudomonas-Exotoxin A, um die tödliche Wirkung auf die Tumorzellen noch zu erhöhen.

Die beiden Milzbrand-Toxinkomponenten spritzten sie nun krebskranken Mäusen. Tatsächlich verkleinerte bereits eine einmalige Behandlung die Tumorgröße um 65 bis 92 Prozent, nach wiederholter Injektion des Toxins verschwanden 88 Prozent aller Bindegewebstumore und 17 Prozent der Melanome sogar vollständig. Dabei wirkte das Toxin erfreulicherweise so selektiv, dass das restliche Gewebe keine Anzeichen von Schädigung aufwies.

Diesen Ergebnissen zufolge scheint eine ausgeklügelte wie effektive Strategie beim Kampf gegen den Krebs gefunden. Doch Co-Autor Stephen Leppla räumt ein: "Man sollte daran erinnern, dass zahlreiche Therapieansätze in der Zellkultur oder im Tierexperiment sehr vielversprechend aussehen, dann aber im Menschen zu unliebsamen Nebenwirkungen führen." Außerdem bestehe die Gefahr, dass das Immunsystem des Körpers sich gegen den Milzbrand-Wirkstoff verteidigt und somit dessen Wirkung zunichte macht.

Egal, wie die Studien am Menschen ausgehen – die Vorgehensweise der Wissenschaftler um Thomas Bugge steht stellvertretend für ähnliche Ansätze in der Krebstherapie, die allesamt eine schonendere und gezieltere Behandlung verfolgen. Das erforderte einiges an zeitintensiver Grundlagenforschung und Kreativität: "Wir planten den Wirkstoff auf dem Zeichenbrett. Wir schmiedeten die einzelnen Teile zusammen und hofften, dass das so zusammengesetzte Molekül gegen Krebs wirkt. Und siehe da: Es funktionierte." Zumindest in der Maus.

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