Ornithologie: Der Schwarm
Nicht nur der Mensch ist ein Herdentier: Ob Gnuherden in Afrika, Sardinenschulen im Pazifik oder Finkenschwärme in Mitteleuropa - zumindest zeitweilige Bündnisse sind eine wichtige Komponente der Natur, sollen sie doch die Individuen schützen. Ihre mathematisch-physikalische Struktur ist aber noch vielfach unverstanden.
Alle Jahre wieder im Herbst wird Rom heimgesucht: Rund vier Millionen Stare (Sturnus vulgaris) verbringen die kommende kalte Jahreszeit im heimelig-warmen Zentrum der ewigen Stadt. Tagsüber streifen sie in kleinen Gruppen ins Umland, um dort Nahrung zu suchen, doch gegen Abend sammeln sie sich in großen Schwärmen – und veranstalten über Kolosseum, Forum Romanum und Olympiastadion akrobatische Flugübungen: Tausende von Vögeln schlagen Salti, leiten schnelle Wendemanöver ein, zeichnen bizarre Muster ins Abendrot, bevor sie sich zur Abendruhe in den Bäumen der italienischen Metropole niederlassen.
Doch dies könne nicht sein, meinen die italienischen Wissenschaftler. Basierten die Interaktionen zwischen den Staren tatsächlich nur auf metrischen Abständen, so dürften ihre Schwärme eigentlich nicht diese gehörigen Dichteunterschiede während der Flugmanöver durchmachen, die immer wieder auftreten. Schließlich ballen sich einzelne Gruppen bisweilen zusammen, ziehen sich weiter auseinander und teilen sich gar, bevor sich der Schwarm wiedervereinigt. Wird aber die gegenseitige Distanz zu groß, müsste nach den gängigen Konzepten die Kohäsion verloren gehen und der Schwarm sich auflösen – in der Realität passiert dies jedoch nicht.
Das Gemeinschaftsverhalten muss folglich auf anderen Grundlagen aufbauen. Cavagna und ihre Kollegen fotografierten daher 500 verschiedene Schwärme über den Dächern von Rom mit sechs verschiedenen Hochgeschwindigkeitskameras, die pro Sekunde fünf Mal auslösen können. Aufgenommen wurden die Bilder aus verschiedenen Blickwinkeln und Entfernungen zueinander, sodass sie später im Computer zu 3-D-Rekonstruktionen zusammengesetzt werden konnten. So gelang es den Forschern, jeden einzelnen Vogel in einem Zusammenschluss von bis zu 2600 Staren nachzuverfolgen und seine nachbarschaftlichen Beziehungen zu ergründen.
Innerhalb der Gruppe halten die jeweiligen Mitglieder demnach eine streng anisotropische Struktur bei, in der die nächsten Nachbarn jedes einzelnen Vogels stets links und rechts von ihm zu finden sind, aber niemals in Richtung der Flugstrecke. Dies hängt wahrscheinlich mit dem Sichtfeld der Tiere zusammen, das seitwärts ausgerichtet und nach vorne eingeschränkt ist, vermutet Cavagna.
Deshalb genügt es den Staren, sich an einer festen Zahl von sechs bis sieben Umfliegenden zu orientieren, damit der Schwarm zusammenbleibt und schnittige Figuren fliegen kann. Sie müssen sich nicht an allen Individuen orientieren, die in einem bestimmten Umkreis vorhanden sind, wie man bisher vermutete. In den Modellen der Forscher konnten diese Gruppen bei Störungen auch leicht durcheinandergewirbelt und in kleine und kleinste Einheiten getrennt werden. Die topologisch aufgebauten Verbünde hielten dagegen sehr stark zusammen und brachen nur selten auseinander – was die Tierzusammenschlüsse in der Natur erreichen sollen.
So schön und physikalisch aufregend die Vogel-Vorführungen allerdings sind, nicht jeder Römer teilt die Freude über die schwärmerischen Gratiseinlagen: Jeder einzelne Star hinterlässt täglich etwa vierzig Gramm Kot, der nächtens konstant aus den Schlafbäumen dröppelt und Straßen, Wege, Autos und Motorräder mit einer zentimeterdicken Schicht überzieht.
Hinter den Vorführungen steckt neben der rasche Reaktionsfähigkeit der Stare auch eine komplizierte Mathematik und Physik, wie Andrea Cavagna von der Universität Rom zusammen mit Kollegen erläutert – und ein System aus kleinen Einheiten, die zum großen Ganzen werden. Bislang ging man davon aus, dass der Zusammenhalt eines Schwarms, die Kohäsion, darauf beruht, dass sich einzelne Tiere gegenseitig anziehen und aufeinander abstimmen. Doch sollte dieses Zusammenspiel mit wachsender Entfernung zwischen den Individuen immer schwächer werden – diese Modelle beruhten also auf metrischen Bedingungen.
Doch dies könne nicht sein, meinen die italienischen Wissenschaftler. Basierten die Interaktionen zwischen den Staren tatsächlich nur auf metrischen Abständen, so dürften ihre Schwärme eigentlich nicht diese gehörigen Dichteunterschiede während der Flugmanöver durchmachen, die immer wieder auftreten. Schließlich ballen sich einzelne Gruppen bisweilen zusammen, ziehen sich weiter auseinander und teilen sich gar, bevor sich der Schwarm wiedervereinigt. Wird aber die gegenseitige Distanz zu groß, müsste nach den gängigen Konzepten die Kohäsion verloren gehen und der Schwarm sich auflösen – in der Realität passiert dies jedoch nicht.
Das Gemeinschaftsverhalten muss folglich auf anderen Grundlagen aufbauen. Cavagna und ihre Kollegen fotografierten daher 500 verschiedene Schwärme über den Dächern von Rom mit sechs verschiedenen Hochgeschwindigkeitskameras, die pro Sekunde fünf Mal auslösen können. Aufgenommen wurden die Bilder aus verschiedenen Blickwinkeln und Entfernungen zueinander, sodass sie später im Computer zu 3-D-Rekonstruktionen zusammengesetzt werden konnten. So gelang es den Forschern, jeden einzelnen Vogel in einem Zusammenschluss von bis zu 2600 Staren nachzuverfolgen und seine nachbarschaftlichen Beziehungen zu ergründen.
Innerhalb der Gruppe halten die jeweiligen Mitglieder demnach eine streng anisotropische Struktur bei, in der die nächsten Nachbarn jedes einzelnen Vogels stets links und rechts von ihm zu finden sind, aber niemals in Richtung der Flugstrecke. Dies hängt wahrscheinlich mit dem Sichtfeld der Tiere zusammen, das seitwärts ausgerichtet und nach vorne eingeschränkt ist, vermutet Cavagna.
Diesen direkten Nachbarn schenken die Stare ihre höchste Aufmerksamkeit – gleich wie weit entfernt sie voneinander sind. Zum übernächsten Mitflieger hin sinkt sie dann bereits, und sie nimmt anschließend immer weiter ab, bis sie beim Nachbarn zehnten Grades nicht mehr erkennbar ist. Das Verhalten beruht also auf einer topologischen Distanz, die unabhängig ist von der tatsächlichen metrischen Entfernung: Sie funktioniert in einem dichten Schwarm und einem Abstand von einem Meter zum nächsten Artgenossen genauso gut wie in einem lockeren, wenn diese beiden Vögel fünf Meter voneinander entfernt sind.
Deshalb genügt es den Staren, sich an einer festen Zahl von sechs bis sieben Umfliegenden zu orientieren, damit der Schwarm zusammenbleibt und schnittige Figuren fliegen kann. Sie müssen sich nicht an allen Individuen orientieren, die in einem bestimmten Umkreis vorhanden sind, wie man bisher vermutete. In den Modellen der Forscher konnten diese Gruppen bei Störungen auch leicht durcheinandergewirbelt und in kleine und kleinste Einheiten getrennt werden. Die topologisch aufgebauten Verbünde hielten dagegen sehr stark zusammen und brachen nur selten auseinander – was die Tierzusammenschlüsse in der Natur erreichen sollen.
Denn Ziel der Schwarmbildung ist es stets, das Individuum besser zu schützen: Einzelgänger oder kleine Gruppen sind stärker gefährdet, da sich Räuber leicht auf ein Opfer konzentrieren können und nicht von zahllosen anderen Reizen abgelenkt werden. Wenn beispielsweise ein Wanderfalke ein Starenkonglomerat attackiert, zieht sich der Pulk zusammen, dehnt sich aus, teilt sich sogar und schließt sich letztlich wieder zusammen. Doch stets verbleibt jeder einzelne Vogel Teil einer großen Gruppe, die den Angreifer verwirrt. Jagdausflüge dieser Art gehen häufiger ins Leere als die Hatz auf Singles.
So schön und physikalisch aufregend die Vogel-Vorführungen allerdings sind, nicht jeder Römer teilt die Freude über die schwärmerischen Gratiseinlagen: Jeder einzelne Star hinterlässt täglich etwa vierzig Gramm Kot, der nächtens konstant aus den Schlafbäumen dröppelt und Straßen, Wege, Autos und Motorräder mit einer zentimeterdicken Schicht überzieht.
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