Astronomiegeschichte: Edwin Hubble unter Verdacht
Der berühmte Astronom Edwin Hubble soll Hobbyhistorikern zufolge dafür gesorgt haben, dass die Arbeit eines ausländischen Konkurrenten nicht den gebührenden Ruhm erhielt. Fachleute sind indes skeptisch.
Schwere Vorwürfe gegen den legendären US-Astronomen Edwin Hubble, nach dem die NASA ihr Weltraumteleskop Hubble benannte, sorgen für Aufruhr unter Amateurhistorikern wie Astronomen. Er soll die Arbeit von einem Konkurrenten direkt oder indirekt manipuliert haben, um seine eigene Karriere voranzutreiben. Während professionelle Geschichtswissenschaftler noch weitere Belege fordern, legen Verfechter dieser These der NASA bereits nahe, eine zukünftige Weltraummission nach dem geprellten Wissenschaftler zu benennen.
Hubble wird eine Entdeckung zugeschrieben, die den Grundstein für die moderne Astronomie legte. In einer im Jahr 1929 veröffentlichten Arbeit berichtet er von einer Korrelation zwischen der Distanz von Galaxien zur Erde und deren Fluchtgeschwindigkeiten [1]. Der heute als Hubble-Gesetz bekannte Zusammenhang zeigt, dass sich das Licht einer Galaxie umso mehr zum roten Ende des Spektrums verschiebt, je weiter sie von uns entfernt ist. Die Galaxien bewegen sich demnach scheinbar von uns fort; später interpretierten Astronomen diese Rotverschiebung als Beweis für die Expansion des Universums.
Lemaîtres Arbeit ist Historikern schon lange bekannt. Doch erst seit Kurzem steht Hubble unter Verdacht, er – oder ein Sympathisant – habe Lemaîtres Forschungsarbeit in der englischsprachigen Welt falsch dargestellt.
Hubbles Machenschaften?
Am 6. Juni 2011 stellte Sidney van den Bergh, Astronom am National Research Council of Canada's Dominion Astrophysical Observatory in Victoria, British Columbia, einen Artikel auf den Preprint-Server arXiv [3]. Darin behauptet er, dass in der im Jahr 1931 erschienenen englischen Übersetzung von Lemaîtres wissenschaftlicher Arbeit mehrere Textpassagen selektiv entfernt wurden. Ausgerechnet an diesen Stellen diskutierte Lemaître jene Korrelation, die später als Hubble-Gesetz in die Geschichte einging [4]. Aus einer Gleichung strich der Übersetzer auch Lemaîtres Version der Hubble-Konstante.
Van den Berghs Veröffentlichung sorgte schnell für Aufsehen in der astronomischen Gemeinschaft. Der Autor äußert sich gegenüber der Zeitschrift "Nature" davon überzeugt, dass Lemaîtres Arbeit absichtlich manipuliert wurde. Seine Berechnungen hätten Hubbles wissenschaftlichen Prioritätsanspruch schließlich untergraben können, das wollte man anscheinend verhindern. "Wer einen Teil mitten aus einer Gleichung entfernt, muss das mit Absicht gemacht haben", erläutert van den Bergh. Spekulationen darüber, wer die Arbeit manipuliert haben könnte, stellt er indes nicht an; die Identität des Übersetzers ist unbekannt.
Womöglich habe er den Übersetzer von Lemaîtres französischsprachiger Publikation kontaktiert und den inzwischen als Hubble-Gesetz bekannten Zusammenhang aus der englischen Version der Arbeit herausstreichen lassen. Zumindest stünde das ganz im Einklang mit anderen, bekannten Vorgehensweisen Hubbles, meint Block. Hubble müsse Lemaîtres Arbeit dabei nicht zwingend im Voraus gekannt haben. Allerdings gäbe es noch andere Fälle, in denen es der Astronom offenbar versäumt hatte, seine Kollegen zu zitieren. Ein solches Verhalten belege Hubbles Bereitschaft, wissenschaftliche Beiträge von anderen falsch darzustellen.
Belastende Dokumente
Die Interpretation von Berufshistorikern fällt ungleich zurückhaltender aus. Die Anschuldigungen seien unbewiesen und Hubbles offensichtlich ungenügende Zitierweise – die Historikern seit Jahrzehnten bekannt sei – falle nicht unbedingt aus der Reihe, verglichen mit anderen Danksagungen in den 1920er Jahren. Hätte Hubble die Arbeit von Lemaître tatsächlich selbst bearbeitet, merkt Smith an, sollte es auch eine Spur geben. "Man muss nach Beweisen suchen", so der Wissenschaftshistoriker. "Es ist eine Sache, darüber zu spekulieren, und eine andere, etwas nachzuweisen."
David DeVorkin, Astronomiehistoriker am Smithsonian Institution's National Air and Space Museum in Washington D. C., findet ähnliche Worte: "Meines Wissens nach befolgte Hubble die zeitgenössischen Zitierstandards – die im Vergleich zu den wettbewerbsfähigen Standards von heute eher kläglich waren." Owen Gingerich, Astronom und Wissenschaftshistoriker an der Harvard University in Cambridge, Massachusetts, ist ebenfalls nicht überzeugt: "Ich finde es ein wenig sensationslüstern, von einer 'Zensur der Arbeit Lemaîtres' zu sprechen, ohne die Umstände genauer zu prüfen."
Trotz dieser Bedenken erreichte die Nachricht vom möglichen Fehlverhalten Edwin Hubbles bereits die NASA, die das gleichnamige Weltraumteleskop im Jahr 1990 ins All schickte. Block forderte John Mather, der 2006 den Nobelpreis für Physik gewann und als leitender Wissenschaftler am NASA Goddard Spaceflight Center in Greenbelt, Maryland, arbeitet, schriftlich dazu auf, über ein zukünftiges "Weltraumteleskop Lemaître" nachzudenken.
Mather bezeichnete Blocks Vorwürfe als "heiße Sache" und fragte sogar bei Historikern nach, um mehr darüber zu erfahren. Im Gespräch mit "Nature" hielt er es allerdings für unwahrscheinlich, dass die US-Raumfahrtbehörde den belgischen Pionier in absehbarer Zeit würdigen wird, und meinte: "Vielleicht sind die Chancen bei einer europäischen Mission größer."
Hubble wird eine Entdeckung zugeschrieben, die den Grundstein für die moderne Astronomie legte. In einer im Jahr 1929 veröffentlichten Arbeit berichtet er von einer Korrelation zwischen der Distanz von Galaxien zur Erde und deren Fluchtgeschwindigkeiten [1]. Der heute als Hubble-Gesetz bekannte Zusammenhang zeigt, dass sich das Licht einer Galaxie umso mehr zum roten Ende des Spektrums verschiebt, je weiter sie von uns entfernt ist. Die Galaxien bewegen sich demnach scheinbar von uns fort; später interpretierten Astronomen diese Rotverschiebung als Beweis für die Expansion des Universums.
Hubble war allerdings nicht der Erste, der diese Korrelation feststellte. Im Jahr 1927 veröffentlichte der belgische Astronom Georges Lemaître eine in Französisch verfasste Arbeit, in der er denselben Zusammenhang beschrieb [2]. Der Forscher zog darin auch Daten von anderen Astronomen heran und leitete eine Konstante ab, mit der sich die Ausdehnung des Weltalls charakterisieren lässt – später geläufig unter dem Namen Hubble-Konstante. "Wenn man eine Person auswählen sollte, die am meisten Anerkennung für die Entdeckung des expandierenden Universums verdient, wäre es wohl Lemaître", behauptet deshalb Robert Smith, Wissenschaftshistoriker an der University of Alberta in Edmonton, Kanada.
Lemaîtres Arbeit ist Historikern schon lange bekannt. Doch erst seit Kurzem steht Hubble unter Verdacht, er – oder ein Sympathisant – habe Lemaîtres Forschungsarbeit in der englischsprachigen Welt falsch dargestellt.
Hubbles Machenschaften?
Am 6. Juni 2011 stellte Sidney van den Bergh, Astronom am National Research Council of Canada's Dominion Astrophysical Observatory in Victoria, British Columbia, einen Artikel auf den Preprint-Server arXiv [3]. Darin behauptet er, dass in der im Jahr 1931 erschienenen englischen Übersetzung von Lemaîtres wissenschaftlicher Arbeit mehrere Textpassagen selektiv entfernt wurden. Ausgerechnet an diesen Stellen diskutierte Lemaître jene Korrelation, die später als Hubble-Gesetz in die Geschichte einging [4]. Aus einer Gleichung strich der Übersetzer auch Lemaîtres Version der Hubble-Konstante.
Van den Berghs Veröffentlichung sorgte schnell für Aufsehen in der astronomischen Gemeinschaft. Der Autor äußert sich gegenüber der Zeitschrift "Nature" davon überzeugt, dass Lemaîtres Arbeit absichtlich manipuliert wurde. Seine Berechnungen hätten Hubbles wissenschaftlichen Prioritätsanspruch schließlich untergraben können, das wollte man anscheinend verhindern. "Wer einen Teil mitten aus einer Gleichung entfernt, muss das mit Absicht gemacht haben", erläutert van den Bergh. Spekulationen darüber, wer die Arbeit manipuliert haben könnte, stellt er indes nicht an; die Identität des Übersetzers ist unbekannt.
David Block hingegen, Mathematiker an der University of the Witwatersrand in Johannesburg, Südafrika, und Hobbyhistoriker, behauptet in einem am 20. Juni 2011 ebenfalls auf arXiv hochgeladenen Dokument, dass Hubble bei der "Zensur von Lemaîtres Übersetzung", wie es der Autor nennt, womöglich seine Finger mit im Spiel hatte [5]. Der Ruhm für die Entdeckung des expandierenden Universums sollte dem Mount Wilson Observatory in Pasadena, Kalifornien, gebühren, an dem Hubble seine Beobachtungen machte. Dem Astronomen sei sehr daran gelegen gewesen, so Block.
Womöglich habe er den Übersetzer von Lemaîtres französischsprachiger Publikation kontaktiert und den inzwischen als Hubble-Gesetz bekannten Zusammenhang aus der englischen Version der Arbeit herausstreichen lassen. Zumindest stünde das ganz im Einklang mit anderen, bekannten Vorgehensweisen Hubbles, meint Block. Hubble müsse Lemaîtres Arbeit dabei nicht zwingend im Voraus gekannt haben. Allerdings gäbe es noch andere Fälle, in denen es der Astronom offenbar versäumt hatte, seine Kollegen zu zitieren. Ein solches Verhalten belege Hubbles Bereitschaft, wissenschaftliche Beiträge von anderen falsch darzustellen.
Belastende Dokumente
Die Interpretation von Berufshistorikern fällt ungleich zurückhaltender aus. Die Anschuldigungen seien unbewiesen und Hubbles offensichtlich ungenügende Zitierweise – die Historikern seit Jahrzehnten bekannt sei – falle nicht unbedingt aus der Reihe, verglichen mit anderen Danksagungen in den 1920er Jahren. Hätte Hubble die Arbeit von Lemaître tatsächlich selbst bearbeitet, merkt Smith an, sollte es auch eine Spur geben. "Man muss nach Beweisen suchen", so der Wissenschaftshistoriker. "Es ist eine Sache, darüber zu spekulieren, und eine andere, etwas nachzuweisen."
David DeVorkin, Astronomiehistoriker am Smithsonian Institution's National Air and Space Museum in Washington D. C., findet ähnliche Worte: "Meines Wissens nach befolgte Hubble die zeitgenössischen Zitierstandards – die im Vergleich zu den wettbewerbsfähigen Standards von heute eher kläglich waren." Owen Gingerich, Astronom und Wissenschaftshistoriker an der Harvard University in Cambridge, Massachusetts, ist ebenfalls nicht überzeugt: "Ich finde es ein wenig sensationslüstern, von einer 'Zensur der Arbeit Lemaîtres' zu sprechen, ohne die Umstände genauer zu prüfen."
Trotz dieser Bedenken erreichte die Nachricht vom möglichen Fehlverhalten Edwin Hubbles bereits die NASA, die das gleichnamige Weltraumteleskop im Jahr 1990 ins All schickte. Block forderte John Mather, der 2006 den Nobelpreis für Physik gewann und als leitender Wissenschaftler am NASA Goddard Spaceflight Center in Greenbelt, Maryland, arbeitet, schriftlich dazu auf, über ein zukünftiges "Weltraumteleskop Lemaître" nachzudenken.
Mather bezeichnete Blocks Vorwürfe als "heiße Sache" und fragte sogar bei Historikern nach, um mehr darüber zu erfahren. Im Gespräch mit "Nature" hielt er es allerdings für unwahrscheinlich, dass die US-Raumfahrtbehörde den belgischen Pionier in absehbarer Zeit würdigen wird, und meinte: "Vielleicht sind die Chancen bei einer europäischen Mission größer."
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