Prionenerkrankungen: Formlos uninfektiös
Seit geraumer Zeit ist umstritten, wie die Auslöser des Rinderwahnsinns zu denen der Creutzfeldt-Jakob-Erkrankung beim Menschen werden. Offenbar spielt die genaue Passform des Erregereiweißes eine Rolle bei der Invasion artfremder Opfer.
Prionen haben eine steile Karriere hinter sich: Einst verlacht als bizarre Hirngespinst-Hypothese eines verirrten Abweichlers, wurden sie zu einem sehr begehrten Forschungsfeld des vergangenen Jahrzehnts – Nobelpreis für den Abweichler Stanley Prusiner, der sie zuerst beschrieben hatte, inklusive. Rätsel aber geben die krankmachenden Proteine, Erreger von Rinderwahnsinn und Scrapie sowie der neuen Variante der Creutzfeldt-Jakob-Erkrankung vCJD, weiter auf.
Wie Prionen nach einer Infektion wirken, gilt dabei als geklärt: Gelangt aus einem BSE-kranken Tier die infektiöse Form der Prionen, das PrPSC, über die Nahrung in den Körper einer gesunden Kuh, so beginnt dort ein fataler Dominoeffekt. Das PrPSC ist eine fehlgefaltete Version eines im gesunden Körper verbreiteten Proteins, des PrPC: Geraten PrPSC und PrPC aneinander, so faltet sich auch die gesunde C-Form des Prions in die krankmachende SC-Variante um – und überträgt diese Veränderung bei jedem folgenden Kontakt auf alle übrigen PrPC der Zelle. Die dadurch immer häufiger anfallenden PrPSC, die fatalerweise völlig andere biochemische Eigenschaften aufweisen als das ursprüngliche Protein, formieren sich in der Folge zu unlöslichen Amyloid-Fibrillen, die bald alle Zellfunktionen behindern und schließlich zum Absterben des Gewebes führen – im Gehirn zeigen sich dann die für BSE typischen schwammartigen Strukturen im Neuronenverband.
Im Prinzip genauso wie die Infektion gesunder Kühe durch das PrPSC kranker Rinder sollte der Theorie zufolge auch jene verlaufen zwischen Kuh und Schaf – oder Kuh und Mensch und Mann und Maus. Denn die PrP-Eiweiße der verschiedenen Arten unterscheiden sich zwar mehr oder weniger stark in einigen Stellen ihrer Aminosäuresequenz, offensichtlich aber nicht genug: Das PrPSC einer BSE-kranken Kuh kann durchaus das PrPC eines Menschen in die krankmachende menschliche Variante umklappen. Und damit eine fatale Saat ausbringen, denn nach diesem einmal gelungenen biochemischen Sprung des Kuh-Prions über die Artgrenze werden die PrPC des Betroffenen ohne Federlesens zu menschlichen PrPSC durch sich selbst umgedreht. Tatsächlich sprechen Wissenschaftler hier auch ganz wörtlich vom "säen" der fremdartigen PrPSC: Geerntet wird das für den Körper weit gefährlichere speziestypische PrPSC – und dann der zelluläre Tod.
Nicht jede Saat geht allerdings auch auf. Zum Beispiel können die krankmachenden Prionen von Mäusen die gesunden Prionen von Menschen in die PrPSC-Form umfalten – nicht aber jene von Hamstern. Wo liegt der Unterschied zwischen den Prionen, der den Infektionsschutz bewirkt? Warum können einige Prionen die Artgrenze zu einigen – nicht aber allen – verwandten Arten überspringen? Natürlich muss die Bauweise der Prionen dabei eine Rolle spielen, vermuteten Forscher seit längerem. Je ähnlicher also etwa die Aminosäuresequenz der Prionen zwischen dem Prion eines Tieres aus Spezies A mit einem Vertreter von Spezies B, desto größer die Infektionsgefahr?
Zu einfach gedacht. Die Prionen von Menschen und Mäusen haben geringere Sequenzähnlichkeiten als die zwischen Mensch und Hamster – dennoch lässt menschliches PrPSC zwar Mäuse-PrPC umklappen, die Hamster-Prionen aber eben nicht. Gleich zwei Forschergruppen glauben nun herausgefunden zu haben, wodurch Prionen verschiedener Arten ihre sonderbare Artspezifität erhalten. Die Forscher um Eric Jones von der Case Western University sowie Motomasa Tanaka vom Howard Hughes Medical Institute haben sich demselben Thema von gänzlich unterschiedlichen Seiten genähert – und dabei ein paar aufschlussreiche Gemeinsamkeiten aufgezeigt.
Jones und sein Kollege Witold Surewicz puzzelten mit elektronenmikroskopischer Hilfe die Gerüstatome verschiedener Prionenfibrillen zu den räumlichen Strukturbildern zusammen, welche die Prionen spontan, sowie bei Kontakten untereinander einnehmen können [1]. Die charakteristische äußere Form wird, wie die Wissenschaftler erkannten, von der Aminosäuresequenz zwar vorgeprägt – wenn aber ein PrPSC an einem PrPC aktiv herumfaltet, legt die Sequenz nur bestimmte, physikalisch unüberwindbare Grenzen der Verfaltbarkeit fest. Nicht überschritten etwa wird dieser festgelegte Verbiegbarkeits-Rahmen von menschlichen PrPC, wenn Mäuse-PrPSC sie in ihr Ebenbild ummodeln. Die Umgestaltung in ein Hamster-PrPSC aber würde die physikalisch gezogenen Grenzen überschreiten: Hamster können demzufolge ihre Prionenkrankheit nicht auf Menschen übertragen, Mäuse – und Kühe – durchaus.
Zu ganz ähnlichen Schlüssen kamen Tanaka und sein Team, die sich die Prionenübertragung zwischen Hefepilzen näher anschauten – eindeutig bestimmen auch hier die jeweils arttypischen unterschiedlich gelagerten Grenzen der Fibrillenformbarkeit, welche spezifischen Prionen sie umfalten können [2]. Schon der Austausch einer einzelnen Aminosäure kann allerdings eine umfaltbare in eine nicht umfaltbare und damit infektionsgeschützte PrP-Form wandeln: Nicht, weil die spontan eingenommene räumliche Struktur des Prions selbst sich ändert, sondern weil es ein fremdes PrPSC nicht länger in die eigene typische Form zwingen kann.
Für den Menschen bedeutsam ist und bleibt ungeachtet des molekularen "Wie" der Prioneninteraktion auch weiterhin nur die BSE-Kuh als ernsthafte infektionsgefährdende PrPSC-Quelle – vorerst. Dabei bleibt angesichts eines neuen Krankheitsfalles bedenklich, dass immer noch nicht ganz klar ist, wie sich das Vieh infizieren kann. Eine Haupt-Quelle – die Tiermehlverfütterung von BSE-krankem Artgenosse an Artgenosse – wurde in Deutschland seit Dezember 2000 verboten und damit ausgeschaltet. Dennoch aber wurde in Schwaben in dieser Woche erstmals eine Kuh positiv auf BSE getestet, die erst nach dem Verbot auf die Welt gekommen ist. Noch wird untersucht, wie sie erkranken konnte – vielleicht sind eben doch nicht alle Wege bekannt, über die Prionen in andere Organismen einfallen können.
Wie Prionen nach einer Infektion wirken, gilt dabei als geklärt: Gelangt aus einem BSE-kranken Tier die infektiöse Form der Prionen, das PrPSC, über die Nahrung in den Körper einer gesunden Kuh, so beginnt dort ein fataler Dominoeffekt. Das PrPSC ist eine fehlgefaltete Version eines im gesunden Körper verbreiteten Proteins, des PrPC: Geraten PrPSC und PrPC aneinander, so faltet sich auch die gesunde C-Form des Prions in die krankmachende SC-Variante um – und überträgt diese Veränderung bei jedem folgenden Kontakt auf alle übrigen PrPC der Zelle. Die dadurch immer häufiger anfallenden PrPSC, die fatalerweise völlig andere biochemische Eigenschaften aufweisen als das ursprüngliche Protein, formieren sich in der Folge zu unlöslichen Amyloid-Fibrillen, die bald alle Zellfunktionen behindern und schließlich zum Absterben des Gewebes führen – im Gehirn zeigen sich dann die für BSE typischen schwammartigen Strukturen im Neuronenverband.
Im Prinzip genauso wie die Infektion gesunder Kühe durch das PrPSC kranker Rinder sollte der Theorie zufolge auch jene verlaufen zwischen Kuh und Schaf – oder Kuh und Mensch und Mann und Maus. Denn die PrP-Eiweiße der verschiedenen Arten unterscheiden sich zwar mehr oder weniger stark in einigen Stellen ihrer Aminosäuresequenz, offensichtlich aber nicht genug: Das PrPSC einer BSE-kranken Kuh kann durchaus das PrPC eines Menschen in die krankmachende menschliche Variante umklappen. Und damit eine fatale Saat ausbringen, denn nach diesem einmal gelungenen biochemischen Sprung des Kuh-Prions über die Artgrenze werden die PrPC des Betroffenen ohne Federlesens zu menschlichen PrPSC durch sich selbst umgedreht. Tatsächlich sprechen Wissenschaftler hier auch ganz wörtlich vom "säen" der fremdartigen PrPSC: Geerntet wird das für den Körper weit gefährlichere speziestypische PrPSC – und dann der zelluläre Tod.
Nicht jede Saat geht allerdings auch auf. Zum Beispiel können die krankmachenden Prionen von Mäusen die gesunden Prionen von Menschen in die PrPSC-Form umfalten – nicht aber jene von Hamstern. Wo liegt der Unterschied zwischen den Prionen, der den Infektionsschutz bewirkt? Warum können einige Prionen die Artgrenze zu einigen – nicht aber allen – verwandten Arten überspringen? Natürlich muss die Bauweise der Prionen dabei eine Rolle spielen, vermuteten Forscher seit längerem. Je ähnlicher also etwa die Aminosäuresequenz der Prionen zwischen dem Prion eines Tieres aus Spezies A mit einem Vertreter von Spezies B, desto größer die Infektionsgefahr?
Zu einfach gedacht. Die Prionen von Menschen und Mäusen haben geringere Sequenzähnlichkeiten als die zwischen Mensch und Hamster – dennoch lässt menschliches PrPSC zwar Mäuse-PrPC umklappen, die Hamster-Prionen aber eben nicht. Gleich zwei Forschergruppen glauben nun herausgefunden zu haben, wodurch Prionen verschiedener Arten ihre sonderbare Artspezifität erhalten. Die Forscher um Eric Jones von der Case Western University sowie Motomasa Tanaka vom Howard Hughes Medical Institute haben sich demselben Thema von gänzlich unterschiedlichen Seiten genähert – und dabei ein paar aufschlussreiche Gemeinsamkeiten aufgezeigt.
Jones und sein Kollege Witold Surewicz puzzelten mit elektronenmikroskopischer Hilfe die Gerüstatome verschiedener Prionenfibrillen zu den räumlichen Strukturbildern zusammen, welche die Prionen spontan, sowie bei Kontakten untereinander einnehmen können [1]. Die charakteristische äußere Form wird, wie die Wissenschaftler erkannten, von der Aminosäuresequenz zwar vorgeprägt – wenn aber ein PrPSC an einem PrPC aktiv herumfaltet, legt die Sequenz nur bestimmte, physikalisch unüberwindbare Grenzen der Verfaltbarkeit fest. Nicht überschritten etwa wird dieser festgelegte Verbiegbarkeits-Rahmen von menschlichen PrPC, wenn Mäuse-PrPSC sie in ihr Ebenbild ummodeln. Die Umgestaltung in ein Hamster-PrPSC aber würde die physikalisch gezogenen Grenzen überschreiten: Hamster können demzufolge ihre Prionenkrankheit nicht auf Menschen übertragen, Mäuse – und Kühe – durchaus.
Zu ganz ähnlichen Schlüssen kamen Tanaka und sein Team, die sich die Prionenübertragung zwischen Hefepilzen näher anschauten – eindeutig bestimmen auch hier die jeweils arttypischen unterschiedlich gelagerten Grenzen der Fibrillenformbarkeit, welche spezifischen Prionen sie umfalten können [2]. Schon der Austausch einer einzelnen Aminosäure kann allerdings eine umfaltbare in eine nicht umfaltbare und damit infektionsgeschützte PrP-Form wandeln: Nicht, weil die spontan eingenommene räumliche Struktur des Prions selbst sich ändert, sondern weil es ein fremdes PrPSC nicht länger in die eigene typische Form zwingen kann.
Für den Menschen bedeutsam ist und bleibt ungeachtet des molekularen "Wie" der Prioneninteraktion auch weiterhin nur die BSE-Kuh als ernsthafte infektionsgefährdende PrPSC-Quelle – vorerst. Dabei bleibt angesichts eines neuen Krankheitsfalles bedenklich, dass immer noch nicht ganz klar ist, wie sich das Vieh infizieren kann. Eine Haupt-Quelle – die Tiermehlverfütterung von BSE-krankem Artgenosse an Artgenosse – wurde in Deutschland seit Dezember 2000 verboten und damit ausgeschaltet. Dennoch aber wurde in Schwaben in dieser Woche erstmals eine Kuh positiv auf BSE getestet, die erst nach dem Verbot auf die Welt gekommen ist. Noch wird untersucht, wie sie erkranken konnte – vielleicht sind eben doch nicht alle Wege bekannt, über die Prionen in andere Organismen einfallen können.
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