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Prionen-Hypothese: Späte Genugtuung

Lange galt sie als unbewiesene Theorie, die zu früh mit einem Nobelpreis geehrt wurde: die Prionen-Hypothese. Doch jetzt gelang es Stanley Prusiner tatsächlich, Mäuse mit Proteinen zu infizieren.
Prionen
Die Bekanntgabe der Nobelpreise führt gelegentlich zu Unverständnis, Missfallen oder Ärger. So auch im Jahr 1997, als die Schwedische Akademie der Wissenschaften verlauten ließ, diesmal solle der US-Amerikaner Stanley Prusiner mit dem Preis für Physiologie oder Medizin geehrt werden.

Es war aber auch eine äußerst gewagte Hypothese, die Prusiner 15 Jahre zuvor in die Welt gesetzt hatte: Nicht Nukleinsäuren, sondern schlicht fehl gefaltete Proteine, die der Forscher "Prionen" nannte (proteinaceous infectious particles), sollten rätselhafte Leiden wie Scrapie beim Schaf, BSE beim Rind oder die Creutzfeldt-Jakob-Krankheit beim Menschen auslösen. Dabei war Prusiners Idee gar nicht so revolutionär, ist doch die britische Strahlenbiologin Tikvah Alper und ihr Kollege, der Mathematiker und Biochemiker John Griffith, bereits in den 1960er Jahren auf den gleichen Gedanken gekommen – allerdings ohne Gehör zu finden.

Inzwischen gilt Prusiners Prionen-Hypothese als weit gehend akzeptiert – doch der unmittelbare Beweis, dass reine Proteine tatsächlich Krankheiten verursachen können, stand bisher noch aus. Bei Hefen hatte das zwar schon funktioniert, aber nicht bei Säugetieren. Und genau dieses fehlende Glied in der Beweiskette will der Neurologe jetzt nachgeliefert haben.

Prionen | Die krankhaften PrPSc-Prionen (rot) lagern sich zu langen Amyloid-Fasern zusammen (rechts).
Guiseppe Legname aus Prusiners Labor in der Universität von Kalifornien in San Francisco ließ hierfür zusammen mit anderen Forschern zunächst künstliche Prionen von dem Bakterium Escherichia coli fabrizieren. Es gelang den Wissenschaftlern, diese Proteine von ihrer normalen PrP-Form in die krankhafte Variante umzufalten. Diese Prionen, die nach der Krankheit Scrapie PrPSc genannt werden, verklumpten tatsächlich zu den gefürchteten Amyloid-Fasern, welche die Wissenschaftler aus Gehirnen infizierter Tiere kennen, und konnte innerhalb von zehn Stunden im Reagenzglas harmlose PrP-Proteine in krankhafte PrPSc-Prionen umfalten.

So weit, so gut. Spannend wurde es, als die Forscher die künstlichen Prionen in die Gehirne lebender Mäuse injizierten. Um die Inkubationszeit abzukürzen, hatten sie als Versuchstiere genetisch veränderte Mäuse gewählt, die das harmlose PrP-Protein 16fach stärker produzierten.

Es geschah – nichts. Nach 300 Tagen geduldigen Wartens wollten die Wissenschaftler ihr Experiment als fulminanten Fehlschlag abbrechen. Doch sie warteten weiter, und es dauerte schließlich über ein Jahr, nämlich 380 Tage, bis bei einer Maus die ersten Anzeichen einer Prionen-Erkrankung auftauchten. Das letzte der sieben Versuchstiere erkrankte nach 660 Tagen.

Im nächsten Schritt isolierten die Forscher Prionen aus dem Hirngewebe der erkrankten Tiere und infizierten damit erneut Mäuse. Und tatsächlich: Diesmal dauerte es lediglich 90 Tage, bis die genetisch veränderten Tiere erkrankten; bei normalen Mäusen mussten sich die Forscher 150 Tage gedulden.

"Eine Vielzahl von Hinweisen deutet darauf hin, dass Prionen lediglich aus Proteinen bestehen, aber jetzt konnte das zum ersten Mal bei Säugetieren direkt gezeigt werden", betont Prusiner. Andere Forscher, wie der Prionen-Kritiker John Collinge vom University College London, bleiben allerdings nach wie vor skeptisch und schließen eine Verunreinigung mit infektiösem Material bei den langwierigen Versuchen nicht aus. Und immer noch fehlt das Experiment, das Wissenschaftler als "Gold-Standard" bezeichnen: Die Infektion von normalen, also nicht genetisch veränderten Tieren mit reinen Prionen.

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