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News: Freunde werden zu Feinden

Eigentlich sind die Darmbakterien unsere Freunde - wäre doch ohne sie so manches schwer verdaulich. Doch wenn ihre Gene auf Reisen gehen, werden diese Mikroben zu unerbittlichen Feinden.
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Der Mensch ist ein wandelndes Biotop: Hunderte winziger Mitbewohner besiedeln seinen Darm – und das nicht allein zu ihrem eigenen Vorteil, auch ihr Gastgeber profitiert davon: Die Bakterien der Darmflora sorgen für eine gute Verdauung im Innern des Hausherrn. Doch manche von ihnen können zu heimtückischen Feinden werden.

Einer dieser hinterlistigen Winzlinge ist Enterococcus faecalis. Normalerweise lebt er als harmloser Kommensale im Darm von Menschen und anderen Säugetieren; gelangt er jedoch in anderes Gewebe, kann er dort Infektionen auslösen. Problematisch ist dies vor allem bei Krankenhauspatienten, deren Abwehrkräfte oft geschwächt sind. Zudem haben verschiedene Stämme dieses Bakteriums gegen die gängigen Antibiotika, mit denen sie bekämpft werden, Resistenzen entwickelt – diese Medikamente wirken also nicht mehr.

Besonders gefährlich wird es, wenn auch das Antibiotikum Vancomycin ineffizient wird, denn dieses wird als letzter Rettungsanker eingesetzt, wenn die üblichen Antibiotika versagen. Geradezu dramatisch wird die Situation dadurch, dass Enterococcus faecalis seine Unempfindlichkeit auf das extrem gefährliche Bakterium Staphylococcus aureus übertragen kann, wie letztes Jahr eine Forschergruppe beobachtete.

Ein solcher Transfer läuft über so genannte mobile DNA, also Bruchstücke der Erbsubstanz, die von Chromosom zu Chromosom oder sogar von einem Organismus auf einen anderen weitergegeben werden können. Deswegen analysierte nun das Team um Claire Fraser vom Institute for Genomic Research das Genom eines Stammes von Enterococcus faecalis, der gegen Vancomycin resistent ist.

Sie fanden eine sehr ungewöhnliche Zusammensetzung der Erbsubstanz: Mehr als ein Viertel des gesamten Bakteriengenoms besteht aus mobiler oder eingeschleppter DNA – bisher wurde ein derart hoher Anteil an mobiler DNA in Bakterien nur sehr selten beobachtet.

Und genau auf einem dieser beweglichen Bereiche sitzt die Widerstandkraft gegen Vancomycin. Außerdem liegen dort Gene für Enzyme, die Enterococcus faecalis einen Standortvorteil im Wettbewerb mit den anderen Darmbewohnern verschaffen. Unter ungünstigen Bedingungen wie dem Beschuss mit tödlichen Medikamenten nimmt das Bakterium also einfach flugs fremde Erbsubstanz auf, die es in der unwirtlichen Umgebung stark macht. So sichert es sich das Überleben.

Die Wissenschaftler hoffen, den Spieß nun umdrehen zu können. Denn das Wissen um den Mechanismus für die Entstehung von Antibiotika-Resistenz, die einen harmlosen Mitbewohner in einen gefährlichen Krankheitserreger verwandelt, ist wichtig für die Entwicklung neuer Medikamente. Die können dann den neuen Feind wieder in seine Schranken weisen.

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