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Milchstraße: Gaswolke nimmt Kurs auf Schwarzes Loch

Eine Gaswolke mit der dreifachen Erdmasse bewegt sich in rasantem Tempo auf das supermassereiche Schwarze Loch im Zentrum der Milchstraße zu und wird dabei allmählich auseinandergerissen. Das zeigen langjährige Beobachtungen von Astronomen um Stefan Gillessen vom Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik. Auch die zukünftige Laufbahn der Wolke wollen sie verfolgen und so wertvolle Informationen über die Physik Schwarzer Löcher gewinnen.

Die helle und kompakte Radioquelle im galaktischen Zentrum, bekannt als Sagittarius A*, soll der Sitz eines supermassereichen Schwarzen Lochs sein – mehr als vier Millionen Sonnenmassen schwer. In den vergangenen Jahren haben Gillessen und seine Kollegen dort neben Sternen auch eine dichte Gaswolke erspäht, die sich dem Ereignishorizont mit einer Geschwindigkeit von über 2000 Kilometern pro Sekunde nähert. Aus den Beobachtungsdaten konnte das Forscherteam zudem auf Masse, Dichte und Temperatur der Gaswolke schließen. Auf Basis dieser Informationen simulierte es dann in einem Computermodell, wie sich Form und Geschwindigkeit der mehrheitlich aus Wasserstoff und Helium bestehenden Wolke in Zukunft entwickeln.

Demnach wird die Materie dem Ereignishorizont des Schwarzen Lochs auf ihrem stark exzentrischen Orbit im Jahr 2013 mit einem in kosmischen Maßstäben winzigen Abstand von nur 40 Milliarden Kilometern am nächsten sein. "Nur zwei Sterne sind dem Schwarzen Loch seit dem Beginn unserer Beobachtungen 1992 so nahe gekommen", erklärt Gillessen. Durch die extreme Anziehungskraft von Sagittarius A* wird die Wolke bereits jetzt in die Länge gezogen, während die starke Ultraviolettstrahlung von benachbarten Sternen das Gas in ihr zum Leuchten anregt.

Gaswolke um Sagittarius A* | Diese Aufnahmen des Very Large Telescope zeigen die zeitliche Entwicklung der Gaswolke im galaktischen Zentrum.

Wenn die Wolke allmählich in das Schwarze Loch fällt, so prophezeien die Wissenschaftler, wird die von ihr ausgehende Röntgenstrahlung deutlich intensiver werden, da sich das Gas auf dem Weg zu Sagittarius A* zusehends aufheizt. Gleichzeitig wird die Wolke immer weiter auseinandergezerrt. Zwischen 2008 und 2011 konnten die Astronomen bereits beobachten, wie die Ränder der Wolke ausfransen. Wenn die Gaswolke in wenigen Jahren durch die immer stärker werdenden Gezeitenkräfte schließlich komplett zerreißt und sich der Zustrom an Materie auf das Schwarze Loch infolgedessen deutlich erhöht, erwarten sie zudem einen heftigen Strahlungsausbruch im galaktischen Zentrum.

Das im Modell vorhergesagte Szenario will die Gruppe um Gillessen nun in Echtzeit verfolgen und dadurch bisher unbekannte Details über die physikalischen Bedingungen enthüllen, die bei der Akkretion auf ein Schwarzes Loch eine Rolle spielen. Und die Chancen stehen gut, denn die Astronomen wissen im Vergleich zu vorherigen "Mahlzeiten" nicht nur viel mehr über die Eigenschaften der einstürzenden Gaswolke. Es befindet sich derzeit auch vergleichsweise wenig andere Materie rund um den Schlund von Sagittarius A*, so dass die Akkretion nahe dem Ereignishorizont voraussichtlich für einige Zeit von der Wolke dominiert wird.

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