Zelltod: Hinter feindlichen Linien
Apoptosis, Anoikis und Nekrosis - was sich anhört wie eine Grammatikübung aus dem Griechischkurs, ist in Wahrheit das geballte Potenzial unseres Körpers, eigene fehlgeleitete oder zerstörte Zellen aus dem Weg zu räumen. Forscher haben nun mit einer zellbiologischen Entdeckung dieser Aufzählung eine neue Vokabel hinzugefügt - die Entosis.
Im Menschen, wie in allen vielzelligen Lebewesen, muss es eine streng kontrollierte Balance zwischen Zellgeburt und -tod geben. Kippt dieses Gleichgewicht, öffnet sich unreguliertem Zellwachstum Tür und Tor. Das Ergebnis ist im schlimmsten Fall Krebs. Deshalb hat unser Körper wichtige Kontrollmechanismen wie zum Beispiel den programmierten Zelltod, die Apoptose, entwickelt. Dabei leiten Zellen, die Schäden in ihrem Erbgut oder anderen Organellen registrieren, ein spezielles Selbstzerstörungsprogramm ein und schützen so den Körper vor möglichen Folgen ihrer Defekte.
Doch nicht nur wuchernde, sondern auch heimatlose Zellen, die die Verbindung zu ihrem Zellverband verloren haben, stellen für den Körper eine Gefahr dar. Es besteht die Möglichkeit, dass sie sich in fremdem Gewebe niederlassen und dort weiter vermehren. Eine neu entdeckte Strategie gegen diese Vagabunde könnte nun eine meist tödlich endende Gastfreundschaft benachbarter Zellen darstellen.
Michael Overholtzer und sein Team konnten nun aber beobachten, dass sich einige der freien Zellen im Gegensatz zur sofortigen Selbstzerstörung in ihren Nachbarn einnisteten. Sie benannten diesen Prozess deshalb Entosis, nach dem griechischen Wort für "innerhalb".
Damit eine solche ungewöhnliche Wohngemeinschaft allerdings entstehen kann, ist eine enge Verbindung zwischen dem Wirt und seinem aufgezwungenem Gast notwendig. Dies fanden die Wissenschaftler heraus, als sie sich spezielle Verknüpfungsproteine, so genannten Cadherine, anschauten. Blockierten sie diese "Klebeproteine", blieb in den Kulturschalen den Eindringlingen der Zutritt zu ihren Nachbarzellen verwehrt. Waren die Cadherine dagegen frei zugänglich, fanden die Forscher wieder einige dieser Zelleinvasionsphänomene.
Dass in diesem "aus-zwei-mach-eins"-Prozess der Invasor den aktiven Part übernahm, zeigte sich, als sie die Bewegungselemente der Zellen genauer untersuchten. Gaben sie spezielle Hemmstoffe zu den Kulturen, die einen vollständigen Zusammenbau der für die Fortbewegung nötigen Bauteile blockierten, blieb die Einnistung aus. Vor allem der so genannte Rho-ROCK-Weg schien für die Eindringlinge unerlässlich zu sein. Er reguliert normalerweise die Zellform und sorgt dafür, dass sich die formgebenden Zellskelettteile und die Bewegungselemente der Zelle korrekt organisieren.
Auf eine mögliche Rolle bei Brustkrebs machte ihn dann die Pathologin Andrea Richardson aufmerksam. Sie erwähnte ihm gegenüber, dass schon seit 25 Jahren in der Krebs-Literatur solche Zellinvasionsphänomene registriert werden. Die Wissenschaftler untersuchten deshalb zahlreiche Zelllinien auf das Vorkommen von Entosis – und wurden fündig. In vier von neun Brustkrebslinien konnten sie die Invasion beobachten. Auch in sieben von acht Gewebeproben aus metastatischen Brusttumoren von Patienten trat das invasive Verhalten auf. Diese Tumoren entstehen, wenn sich aus dem Primärtumor Zellen ablösen und an einer anderen Stelle eine neue Wucherung hervorrufen. Als Overholtzer und sein Team auch Gewebe aus diesen Primärtumoren genauer betrachteten, fanden sie in elf von zwanzig Proben solche Zelleinschlüsse.
Doch im Hinblick auf die Ergebnisse der Tumoruntersuchungen vermuten die Forscher, dass es sich auch um eine neue Form des gezielten Zelltodes handeln könnte. "Unser erster Instinkt sagt uns, dass Entosis die Tumorausbreitung verhindert, indem sie die 'heimatlose' Tumorzelle tötet, bevor sie entfernte Bereiche besiedeln kann, und wir arbeiten daran, dies zu verbildlichen", meint Overholtzer. Könnten sie das beweisen, hätten die Forscher einen weiteren wichtigen Schritt gemacht, um die Anti-Tumor-Mechanismen unseres Körpers besser zu verstehen.
Doch nicht nur wuchernde, sondern auch heimatlose Zellen, die die Verbindung zu ihrem Zellverband verloren haben, stellen für den Körper eine Gefahr dar. Es besteht die Möglichkeit, dass sie sich in fremdem Gewebe niederlassen und dort weiter vermehren. Eine neu entdeckte Strategie gegen diese Vagabunde könnte nun eine meist tödlich endende Gastfreundschaft benachbarter Zellen darstellen.
Forscher von der Harvard-Universität hatten bei der Arbeit an Zellen aus der weiblichen Brust diese Form der Zell-Invasion entdeckt. Während der Pubertät entstehen hier Kanäle in den Milchdrüsen, indem sich Epithelzellen von einer proteinreichen Membran, der extrazellulären Matrix, ablösen und einen Freiraum hinterlassen. Der Verlust dieser Bindung führt in diesen heimatlosen Zellen normalerweise zu einer speziellen Art des programmierten Zelltods, der Anoikis.
Michael Overholtzer und sein Team konnten nun aber beobachten, dass sich einige der freien Zellen im Gegensatz zur sofortigen Selbstzerstörung in ihren Nachbarn einnisteten. Sie benannten diesen Prozess deshalb Entosis, nach dem griechischen Wort für "innerhalb".
Mit Hilfe von verschiedener Färbetechniken und Spezialfilmaufnahmen verfolgten die Forscher den Weg der losgelösten Herumtreiber in das Innere ihrer Nachbarn. Sie stellten fest, dass sich bei der Invasion die Außenwand der Nachbarzelle um den Eindringling stülpt und ihn in einer Art Membransack ins Zellinnere entlässt. Von diesen Gebilden, die man auch als Vakuolen bezeichnet, fanden sie bisweilen sogar mehrere in nur einer Zelle.
Damit eine solche ungewöhnliche Wohngemeinschaft allerdings entstehen kann, ist eine enge Verbindung zwischen dem Wirt und seinem aufgezwungenem Gast notwendig. Dies fanden die Wissenschaftler heraus, als sie sich spezielle Verknüpfungsproteine, so genannten Cadherine, anschauten. Blockierten sie diese "Klebeproteine", blieb in den Kulturschalen den Eindringlingen der Zutritt zu ihren Nachbarzellen verwehrt. Waren die Cadherine dagegen frei zugänglich, fanden die Forscher wieder einige dieser Zelleinvasionsphänomene.
Dass in diesem "aus-zwei-mach-eins"-Prozess der Invasor den aktiven Part übernahm, zeigte sich, als sie die Bewegungselemente der Zellen genauer untersuchten. Gaben sie spezielle Hemmstoffe zu den Kulturen, die einen vollständigen Zusammenbau der für die Fortbewegung nötigen Bauteile blockierten, blieb die Einnistung aus. Vor allem der so genannte Rho-ROCK-Weg schien für die Eindringlinge unerlässlich zu sein. Er reguliert normalerweise die Zellform und sorgt dafür, dass sich die formgebenden Zellskelettteile und die Bewegungselemente der Zelle korrekt organisieren.
Als die Wissenschaftler das weitere Schicksal dieser Hausbesetzer mit speziellen Färbungen und Mikroskopietechniken unter die Lupe nahmen, stellten sie allerdings fest, dass siebzig Prozent der Eindringlinge ihren Aufenthalt nicht überlebten. Sie starben aber nicht durch den normalen Selbstzerstörungsablauf des programmierten Zelltodes, sondern fielen dem Zellverdauungsapparates der Wirtszelle zum Opfer. Dabei wurde die Vakuole, in dem sich der Invasor innerhalb des Wirtes befand, stark angesäuert. Die Proteine und das Erbgut des Eindringlings konnten diesem Säureschock nicht standhalten und zerfielen. Für die Forscher war vor allem interessant, dass bei dieser Form des Zelltodes keine apoptotischen Prozesse eine Rolle spielten.
Doch nicht alle Zellen ereilte der Untergang in der Säurefalle. Einige der Zellen verließen nach längerem Aufenthalt unbeschädigt ihren Wirt oder teilten sich sogar innerhalb der Wirtszelle in zwei Tochterzellen. Vor allem letzteres lieferte den Wissenschaftlern einen Beweis dafür, dass die eingenisteten Zellen durchaus noch lebendig waren. "Wir sind nicht sicher, ob sich Entosis entwickelt hat, um eine besondere Rolle zu spielen oder ob es einfach nur eine Fehlentwicklung eines normalen Prozesses ist", kommentiert Overholtzer die Ergebnisse.
Auf eine mögliche Rolle bei Brustkrebs machte ihn dann die Pathologin Andrea Richardson aufmerksam. Sie erwähnte ihm gegenüber, dass schon seit 25 Jahren in der Krebs-Literatur solche Zellinvasionsphänomene registriert werden. Die Wissenschaftler untersuchten deshalb zahlreiche Zelllinien auf das Vorkommen von Entosis – und wurden fündig. In vier von neun Brustkrebslinien konnten sie die Invasion beobachten. Auch in sieben von acht Gewebeproben aus metastatischen Brusttumoren von Patienten trat das invasive Verhalten auf. Diese Tumoren entstehen, wenn sich aus dem Primärtumor Zellen ablösen und an einer anderen Stelle eine neue Wucherung hervorrufen. Als Overholtzer und sein Team auch Gewebe aus diesen Primärtumoren genauer betrachteten, fanden sie in elf von zwanzig Proben solche Zelleinschlüsse.
"Wir sind nicht sicher, ob sich Entosis entwickelt hat, um eine besondere Rolle zu spielen oder ob es einfach nur eine Fehlentwicklung eines normalen Prozesses ist"
(Michael Overholtzer)
Noch sehen die Forscher keinen klaren Grund, warum sich bestimmte Zellen in anderen einnisten und dabei ihrem fast sicheren Untergang entgegen gehen. "Die einfachste Erklärung ist, dass Entosis eine Abweichung eines normalen epithelialen Prozesses ist", meint Brugge. In einem anschaulichen Modell erläutern die Forscher, wie eine solche Fehlentwicklung bei der Bildung von flächigem Gewebe entstehen kann: Normalerweise sind die Epithelzellen fest mit ihrem Untergrund verankert und stehen in engem Kontakt zu ihren Nachbarn. Damit im neuen Gewebe keine Löcher zurückbleiben, drängen sich die einzelnen Zellbausteine unter aktivem Kraftaufwand aneinander und bilden stabile Verbindungen. Verliert nun aber eine Zelle diese "Bodenhaftung" und löst sich aus dem Verband, verschieben sich die wirkenden Kräfte. Das könnte zur Folge haben, dass sich eine Zelle eher versehentlich als gezielt in ihren Nachbarn hineinbohrt. (Michael Overholtzer)
Doch im Hinblick auf die Ergebnisse der Tumoruntersuchungen vermuten die Forscher, dass es sich auch um eine neue Form des gezielten Zelltodes handeln könnte. "Unser erster Instinkt sagt uns, dass Entosis die Tumorausbreitung verhindert, indem sie die 'heimatlose' Tumorzelle tötet, bevor sie entfernte Bereiche besiedeln kann, und wir arbeiten daran, dies zu verbildlichen", meint Overholtzer. Könnten sie das beweisen, hätten die Forscher einen weiteren wichtigen Schritt gemacht, um die Anti-Tumor-Mechanismen unseres Körpers besser zu verstehen.
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