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Entwicklungspsychologie: Ehrlichkeit ist Erziehungssache

Wenn Eltern auf das Eingeständnis einer Übeltat nicht mit einem Wutanfall reagieren, motiviert das Kinder möglicherweise zu mehr Ehrlichkeit.
Mutter schimpft mit ihrer Tochter

Dass Kinder es mit der Wahrheit mal nicht so genau nehmen und beim Spielen mogeln, kommt auch in den besten Familien vor. Als Elternteil hat man dabei eine besondere Vorbildwirkung: Wenn Kinder von Erwachsenen angelogen werden, vergeht ihnen auch selbst die Lust darauf, ehrlich zu sein. In einer aktuellen Studie zeigte sich nun, dass der Erziehungsstil noch in anderer Weise Einfluss auf die Moral der Kleinen haben könnte: Wenn Eltern beim Eingeständnis eines Fehlers erleichtert sind, anstatt wütend zu werden, lügen ihre Sprösslinge möglicherweise seltener.

Craig Smith von der University of Michigan und Michael Rizzo von der University of Maryland befragten in ihrer Studie 24 Vier- bis Fünfjährige sowie 24 Sieben- bis Neunjährige sowie deren Eltern. Dabei lasen sie jedem Kind zunächst zwei verschiedene Geschichten vor: Zu Beginn stahl die kindliche Hauptperson entweder Süßigkeiten von einem anderen Kind oder schubste einen Gleichaltrigen von der Schaukel. Im Mittelteil der Erzählung versuchten die Protagonisten dann, ihre Schandtat zu verschweigen. Für den Abschluss der Erzählungen gab es schließlich zwei Varianten: Eine Geschichte endete damit, dass die Hauptperson log, die andere mit einem Geständnis an die Mutter. Nach jedem Teil der Erzählung wurden die kleinen Versuchsteilnehmer gefragt, wie sich das handelnde Kind in der Geschichte wohl fühle, wie intensiv das Gefühl sei und warum es sich so fühle.

Alle Kinder bekamen beide Geschichten vorgelesen, wobei die Forscher variierten, welche mit einem Geständnis und welche mit einer Lüge aufhörte. Wenn die Geschichte mit einem Geständnis endete, fragten die Forscher nicht nur, wie sich der kindliche Protagonist fühlte – sondern auch, was die Mutter empfinden könnte: Wäre sie eher wütend, dass ihr Sprössling gestohlen oder geschubst hatte, oder froh, dass ihr Kind seinen Fehltritt eingestand?

Ältere Kinder erwarten Schuldgefühle bei Lügnern

Bei den Antworten der Probanden kristallisierten sich zunächst vor allem Altersunterschiede heraus: Nach den ersten beiden Teilen der Geschichte gingen jüngere Kinder eher davon aus, dass der Protagonist sich nach dem Stehlen und Schubsen besser fühlen müsste, und sie konzentrierten sich auf die Vorteile, die er durch sein rücksichtsloses Verhalten hatte. Ältere Kinder nahmen dagegen eher an, der Protagonist würde nach seinen Taten von Schuldgefühlen geplagt. Besonders aufschlussreich waren die Ergebnisse von Smith und Rizzo, wenn das Ende der Geschichte betrachtet wurde: Hier gingen die jüngeren Kinder davon aus, dass sich die lügende Hauptperson besser fühlen müsste als jene, die bei der Mutter ein Geständnis ablegte, während die älteren Kinder den ehrlichen Protagonisten als glücklicher einschätzten.

Zu guter Letzt wurden noch die Angaben der Eltern über die Aufrichtigkeit ihrer Sprösslinge herangezogen. Jene Kinder, die von Mutter oder Vater als besonders ehrlich eingeschätzt wurden, hoben sich in der Untersuchung in einem Punkt hervor: Wenn sie sich in die Mutter des Übeltäters in der Geschichte einfühlen sollten, gingen sie davon aus, dass diese froh über das Geständnis sein würde. Die Kinder, die eine ärgerliche Mutter erwarteten, scheinen auch im Alltag eher Angst vor dem Eingestehen ihrer Fehltritte zu haben. Das Fazit der Forscher: Eltern können ihren Nachwuchs zu Ehrlichkeit erziehen, wenn sie auf kindliche Geständnisse nicht mit allzu viel Groll reagieren.

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