News: Licht im Dschungel
Die fossilen Überreste eines ganzen Hominidenzoos bevölkern die Museen der Welt, und ständig tauchen neue Artbeschreibungen auf - der Stammbaum des Menschen hat sich zu einem weit verzweigten Busch entwickelt. Doch der Anthropologe Tim White zweifelt an dieser Artenvielfalt und möchte das Buschwerk gründlich lichten.
Die Sensation war perfekt. Am 22. März 2001 präsentierte die Zeitschrift Nature in ihrer Titelgeschichte einen Hominiden-Schädel, dessen Alter auf 3,5 Millionen Jahre geschätzt wurde. "Lucy" oder Australopithecus afarensis, das bis dahin berühmteste Hominidenrelikt mit "nur" 3,2 Millionen Jahren, war geschlagen.
Meave Leakey – Spross einer erfolgreichen Anthropologenfamilie – betrachtete den Fund nicht nur als neue Art, sondern sah sich veranlasst, gleich eine neue Gattung zu beschreiben. Der Name des Neuen: Kenyanthropus platyops.
Ein Jahr später, am 11. Juli 2002, zierte schon wieder ein alter Schädel das Cover von Nature. Und wieder handelte es sich um die Beschreibung einer neuen, bisher unbekannten Gattung – Sahelanthropus tchadensis kann sogar auf fast sieben Millionen Jahre zurückblicken.
Nur zwei Beispiele für eine Flut neu beschriebener Arten, die derzeit als "taxonomische Inflation" auf die Anthropologie einstürmt. Immer neue ausgegrabene Fossilien, die auf neue Namen getauft werden, füllen inzwischen die Regale der Museen – das Bild eines geradlinigen Stammbaums vom Tier zum Menschen ist obsolet geworden. Anthropologen sprechen daher auch von einem weit verzweigten Busch, mit verwirrend vielen abgestorbenen Ästen und nur einem heute noch grünenden Zweig namens Homo sapiens sapiens.
Doch gab es diese erstaunliche Vielfalt von Hominidenarten, von denen viele zur gleichen Zeit existiert haben müssen, wirklich? Tim White, der 1994 mit der Beschreibung von Ardipithecus ramidus selbst einen wichtigen Beitrag für die Vergrößerung des Hominidenzoos geleistet hatte, hegt da einige Zweifel. Das Buschwerk aus bis zu 20 verschiedenen Arten sollte seiner Ansicht nach gründlich gelichtet werden.
Dabei vertritt der Anthropologe von der University of California in Berkeley eine These, die bei seinen Kollegen nicht unbedingt auf Gegenliebe stoßen wird. Könnte es nicht sein, dass die gefundenen Knochen, deren morphologische Eigenschaften die Beschreibung von neuen Gattungen und Arten begründete, durch die Jahrmillionen lange Lagerung unter der Erde schlicht deformiert worden sind? Schließlich werden die sterblichen Überreste während der Fossilierung physikalisch und chemisch rüde maltretiert; drastische morphologische Veränderungen sind da nicht ausgeschlossen.
Außerdem, so White, müssten auch die natürlichen Variationen, die bei allen Arten auftauchen, mit berücksichtigt werden. Die Artbeschreibungen der Fossilien beruhen jedoch meist auf nur wenigen Funden – teilweise reichen den Anthropologen lediglich ein paar Zähne, um eine neue Gattung aus der Taufe zu heben. Variationen sind dabei nicht erkennbar.
Damit stellt sich für White die Frage: Bevölkerte wirklich eine reiche Artenvielfalt unterschiedlichster Hominiden einst den afrikanischen Kontinent, oder eroberten einige wenige, aber hoch anpassungsfähige und variable Arten als Kosmopoliten die Welt?
Wäre Letzteres der Fall, dann könnte Kenyanthropus platyops lediglich eine kenianische Variante von Australopithecus afarensis gewesen sein – und der Busch der Menschheit wäre um einen Zweig ärmer.
Meave Leakey – Spross einer erfolgreichen Anthropologenfamilie – betrachtete den Fund nicht nur als neue Art, sondern sah sich veranlasst, gleich eine neue Gattung zu beschreiben. Der Name des Neuen: Kenyanthropus platyops.
Ein Jahr später, am 11. Juli 2002, zierte schon wieder ein alter Schädel das Cover von Nature. Und wieder handelte es sich um die Beschreibung einer neuen, bisher unbekannten Gattung – Sahelanthropus tchadensis kann sogar auf fast sieben Millionen Jahre zurückblicken.
Nur zwei Beispiele für eine Flut neu beschriebener Arten, die derzeit als "taxonomische Inflation" auf die Anthropologie einstürmt. Immer neue ausgegrabene Fossilien, die auf neue Namen getauft werden, füllen inzwischen die Regale der Museen – das Bild eines geradlinigen Stammbaums vom Tier zum Menschen ist obsolet geworden. Anthropologen sprechen daher auch von einem weit verzweigten Busch, mit verwirrend vielen abgestorbenen Ästen und nur einem heute noch grünenden Zweig namens Homo sapiens sapiens.
Doch gab es diese erstaunliche Vielfalt von Hominidenarten, von denen viele zur gleichen Zeit existiert haben müssen, wirklich? Tim White, der 1994 mit der Beschreibung von Ardipithecus ramidus selbst einen wichtigen Beitrag für die Vergrößerung des Hominidenzoos geleistet hatte, hegt da einige Zweifel. Das Buschwerk aus bis zu 20 verschiedenen Arten sollte seiner Ansicht nach gründlich gelichtet werden.
Dabei vertritt der Anthropologe von der University of California in Berkeley eine These, die bei seinen Kollegen nicht unbedingt auf Gegenliebe stoßen wird. Könnte es nicht sein, dass die gefundenen Knochen, deren morphologische Eigenschaften die Beschreibung von neuen Gattungen und Arten begründete, durch die Jahrmillionen lange Lagerung unter der Erde schlicht deformiert worden sind? Schließlich werden die sterblichen Überreste während der Fossilierung physikalisch und chemisch rüde maltretiert; drastische morphologische Veränderungen sind da nicht ausgeschlossen.
Außerdem, so White, müssten auch die natürlichen Variationen, die bei allen Arten auftauchen, mit berücksichtigt werden. Die Artbeschreibungen der Fossilien beruhen jedoch meist auf nur wenigen Funden – teilweise reichen den Anthropologen lediglich ein paar Zähne, um eine neue Gattung aus der Taufe zu heben. Variationen sind dabei nicht erkennbar.
Damit stellt sich für White die Frage: Bevölkerte wirklich eine reiche Artenvielfalt unterschiedlichster Hominiden einst den afrikanischen Kontinent, oder eroberten einige wenige, aber hoch anpassungsfähige und variable Arten als Kosmopoliten die Welt?
Wäre Letzteres der Fall, dann könnte Kenyanthropus platyops lediglich eine kenianische Variante von Australopithecus afarensis gewesen sein – und der Busch der Menschheit wäre um einen Zweig ärmer.
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