Menopause: Gehirn im Umbruch
Manche Frauen kommen ohne Probleme durch ihre Menopause. Für die meisten gehören allerdings in diesen Lebensjahren gewisse Beschwerden zum Alltag. Rund 80 Prozent aller Betroffenen berichten Studien zufolge über Hitzewallungen. 70 Prozent leiden zusätzlich unter depressiven Verstimmungen, Schlafstörungen oder Gedächtnisproblemen. Bei einem Teil von ihnen bleiben die Symptome viele Jahre lang bestehen, sogar über die Wechseljahre hinaus.
»All die Symptome der Perimenopause haben eines gemeinsam – sie gehen vom Gehirn aus«Roberta Diaz Brinton, Neurowissenschaftlerin
Allgemein stößt die Menopause eine große Veränderung im Körper an. Für jede Betroffene beginnt damit ein Lebensabschnitt, in dem sie nicht mehr auf natürlichem Weg schwanger werden kann. Bei den meisten Frauen fällt ihr Beginn in die Zeit zwischen dem 40. und dem 55. Lebensjahr. Die Jahre direkt vor und die zwölf Monate nach der letzten Regelblutung nennt man Perimenopause. In dieser Phase, die durchschnittlich fünf Jahre lang dauert, kommt es zu unregelmäßigen und teils ausfallenden Menstruationszyklen. Im Anschluss tritt die Betroffene in die Postmenopause ein.
Die Perimenopause markiert nicht nur das Ende der Fortpflanzungsfähigkeit einer Frau. Man kann sie auch als neurologischen Umbruchzeitraum betrachten, schreibt die Neurowissenschaftlerin Roberta Diaz Brinton von der US-amerikanischen University of Arizona in einer Metaanalyse. »All die Symptome haben eines gemeinsam«, erklärt sie: »Sie gehen vom Gehirn aus.«
Östrogen, der zentrale Spieler der Wechseljahre
Eine Schlüsselrolle spielt dabei das weibliche Geschlechtshormon Östrogen. Es wird vorrangig in den Eierstöcken gebildet und steuert zusammen mit anderen Botenstoffen den Menstruationszyklus. Darüber hinaus wirkt es an diversen Prozessen im Gehirn mit. Entsprechend findet man Östrogenrezeptoren in zahlreichen Hirnregionen. Sie kommen etwa im für Lern- und Gedächtnisvorgänge zuständigen Hippocampus vor. Auch die Amygdala, die emotionale Gedächtnisinhalte verarbeitet, ist reich an den Andockstellen. Besonders viele davon sitzen jedoch im Hypothalamus, der unter anderem die Körpertemperatur und den Schlaf-wach-Rhythmus steuert. Es ist dieses Areal, in dem die wechseljahrestypischen Hitzewallungen entstehen.
Östrogen wirkt nicht nur an, sondern auch in Neuronen. So beeinflusst es etwa die Arbeit ihrer Mitochondrien – der winzigen Kraftwerke von Zellen. Mit Experimenten an weiblichen Mäusen wies Brintons Team nach, dass das Hormon Hirnzellen dazu veranlasst, vermehrt Zuckermoleküle aufzunehmen und zur Energiegewinnung zu verdauen. Die Neurowissenschaftlerin erklärt, etwa 20 bis 25 Prozent des Glukosestoffwechsels im Gehirn gingen auf diesen einen Prozess zurück. Deswegen bezeichnet sie Östrogen als einen »Master-Regulator«, der viele Systeme im Organ auf komplexe Weise beeinflusst.
Während der Wechseljahre erleben die meisten Frauen unregelmäßige Zyklen. Dabei schwankt der Östrogenspiegel in ihrem Körper stark, langfristig sinkt er zudem immer weiter ab. Das wirkt sich auf den Zellstoffwechsel aus, der sich nun neu kalibrieren muss. Besonders in der Umstellungsphase kommt es hier gelegentlich zu Engpässen. »Das Gehirn sendet dann die Nachricht: ›Ich verhungere!‹«, so Brinton. Damit das nicht passiert, greift es auf eine Notration zurück: die Ketonkörper. Bei Zuckermangel kann der Organismus diese Energieträger aus Fetten herstellen. Hungrige Neurone bedienen sich hierfür unter anderem an der fettreichen weißen Substanz. Sie besteht aus zahllosen Nervenbahnen, die mit einer isolierenden, fetthaltigen Schicht umwickelt sind. Letztere erlaubt es, Signale mit hoher Geschwindigkeit von einer Zelle zur nächsten zu leiten. Eine wichtige Aufgabe, weshalb die Selbstkannibalisierung auch ihre Grenzen hat. »Das Gehirn nutzt die weiße Substanz, während es sie gleichzeitig regeneriert«, erklärt Brinton. Denn ohne sie wäre die normale Gehirnfunktion nicht mehr möglich. Dieser Prozess aus Abbau und Aufbau kostet aber viel Energie und bringt Probleme mit sich.
Bei Frauen in der Perimenopause litten in einer Studie insbesondere die Aufmerksamkeit, motorischen Fähigkeiten und das Sprach- sowie Arbeitsgedächtnis
Denkschwierigkeiten auf Zeit
Wie das Gehirn sich dabei verändert, nahm eine Arbeitsgruppe um Brinton und Lisa Mosconi von der Cornell University 2021 unter die Lupe. Dazu untersuchte sie 161 Frauen, die zwischen 40 und 65 Jahre alt waren. 57 von ihnen befanden sich in der Perimenopause, 74 in der Postmenopause, und bei den restlichen 30 hatten die Wechseljahre noch nicht begonnen. Alle Probandinnen unterzogen sich bildgebenden Untersuchungen und psychologischen Tests. Die Ergebnisse der Hirnscans legen nahe, dass die Perimenopause sowohl das Gehirnvolumen verringert als auch Verbindungen zwischen den Hirnregionen beeinträchtigt. So schrumpfte bei Betroffenen die graue Substanz im Hippocampus, in der Amygdala und im Thalamus. Die fettreiche weiße Substanz der Frauen verlor ebenfalls deutlich an Volumen. Darüber hinaus analysierten die Fachleute den veränderten Hirnstoffwechsel. Sie wiesen nach, dass das Organ in der Perimenopause geringere Zuckermengen verstoffwechselt und weniger Energie produziert. Damit einher geht ein Knick in der geistigen Leistungsfähigkeit.
Kognitive Probleme können sich während der Wechseljahre auf unterschiedliche Arten äußern. Wie sie sich ausprägen, haben Wissenschaftlerinnen um Miriam Weber von der University of Rochester in den USA im Jahr 2013 getestet. Sie führten mit 117 Frauen mittleren Alters umfangreiche psychologische Tests durch, die unter anderem die Aufmerksamkeit und das Gedächtnis der Probandinnen auf die Probe stellten. 69 Studienteilnehmerinnen befanden sich in der Perimenopause, 14 im ersten Jahr nach der Menopause. Von den Getesteten schnitten jene am schlechtesten ab, deren letzte Regelblutung maximal ein Jahr zurücklag. Defizite zeigten sich insbesondere bei der Aufmerksamkeit, den motorischen Fähigkeiten und dem Sprach- sowie Arbeitsgedächtnis.
»Viele Frauen berichten, dass sie manchmal in ein Zimmer gehen und gar nicht mehr wissen, warum sie eigentlich hierhergekommen sind«Petra Stute, Fachärztin für Frauenheilkunde und Geburtshilfe
So manche Ausprägung zeigte dabei Parallelen zu einem Phänomen namens Brain Fog. Darunter fasst man neurokognitive Einschränkungen zusammen, die zahlreiche Patientinnen und Patienten mit Long Covid und ME/CFS (»chronisches Erschöpfungssyndrom«) plagen. Petra Stute traf in ihrer Praxis auch immer wieder Menschen, die den »Hirnnebel« aus ihren Wechseljahren kannten. Die Chefärztin für gynäkologische Endokrinologie und Reproduktionsmedizin leitet an der Universitätsklinik für Frauenheilkunde Bern das Menopausenzentrum. »Viele Frauen berichten, dass sie manchmal in ein Zimmer gehen und gar nicht mehr wissen, warum sie eigentlich hierhergekommen sind«, erzählt sie. Außerdem könnten sie sich häufig schlechter an Wörter, Zahlen und Namen erinnern. Objektiv messbar sei eine solche Verschlechterung der kognitiven Leistung insgesamt aber nur bei rund 11 bis 13 Prozent. »Die meisten wären immer noch geistig fit, wenn man sie testen würde«, fügt Stute hinzu. Denn vor den Wechseljahren schneiden Frauen im Schnitt besser in Gedächtnistests ab als Männer.
Obgleich sich die Einschränkungen zum Teil dramatisch anfühlen, lassen sie im Normalfall mit der Zeit nach. Mit Ende der Menopause verschwinden sie überwiegend von selbst. Das haben auch Brinton und Mosconi in ihrer Studie beobachtet: Bei Frauen in der Postmenopause nahm die graue Substanz meist wieder zu. Außerdem produzierten Neurone erneut mehr Energie, allerdings wohl vermehrt aus anderen Quellen als Glukose. Parallel dazu stieg die geistige Fitness der Frauen an.
Während der Menopause steigt das Risiko für Depressionen im Vergleich zu der Zeit zuvor um das Eineinhalb- bis Dreifache an
Stimmung im Wechsel
Neben den kognitiven Fähigkeiten leidet auch die Psyche vieler Betroffener. Bereits vor Beginn der Wechseljahre gibt es Phasen, in denen sich der Hormonhaushalt verändert und so depressive Verstimmungen begünstigt. Nach einer Schwangerschaft sinkt der Östrogenspiegel zum Beispiel rapide ab. Manche Mütter entwickeln daraufhin eine Wochenbettdepression. Einige Menstruierende reagieren zudem besonders empfindlich auf ihre zyklischen Hormonschwankungen. Jeden Monat vor ihrer Regelblutung kämpfen sie mit Beschwerden: Sie sind etwa gereizt, ängstlich, niedergeschlagen, fühlen sich hoffnungslos oder können sich nur schwer konzentrieren. Fachleute sprechen dann von einer prämenstruellen dysphorischen Störung (PMDD).
Während der Menopause steigt das Risiko für Depressionen im Vergleich zu der Zeit zuvor um das Eineinhalb- bis Dreifache an. Sexualhormone spielen hier wahrscheinlich ebenfalls eine zentrale Rolle. Ein sinkender Östrogenspiegel könnte direkt eine depressive Stimmung herbeiführen, erklärt Petra Stute. Das Hormon beeinflusst nämlich die Hirnchemie, vor allem den Neurotransmitter Serotonin. Östrogen bedingt unter anderem, dass dieser nach seiner Ausschüttung verzögert erneut in Neurone aufgenommen wird. Dadurch verweilt er länger an seinem Wirkort, dem synaptischen Spalt. Antidepressiva aus der Gruppe der Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) zielen auf denselben Mechanismus ab. Außerdem verlangsamt Östrogen den Abbau von Serotonin, indem es das dafür zuständige Enzym hemmt. Mit sinkendem Östrogenspiegel könnte Nervenzellen deshalb weniger Serotonin zur Verfügung stehen, mit entsprechenden Konsequenzen für die Stimmung.
Obgleich sich die Einschränkungen zum Teil dramatisch anfühlen, lassen sie im Normalfall mit der Zeit nach und verschwinden mit dem Ende der Menopause überwiegend von selbst
Neigen dann Frauen, die bereits vor den Wechseljahren empfindlich auf Östrogenschwankungen reagieren, deshalb später auch zu perimenopausalen Depressionen? Das untersuchte eine Arbeitsgruppe um Jennifer Gordon von der University of Regina in Kanada 2020 mit 101 Probandinnen. Alle von ihnen befanden sich zur Zeit der Studie in der Perimenopause. Zwölf Wochen lang bestimmten die Forscherinnen und Forscher einmal wöchentlich den Gehalt von Östrogenabbauprodukten im Urin der Frauen. Zugleich befragten sie die Testpersonen, ob sie bei sich depressive Symptome bemerkt hatten, etwa eine gedrückte Stimmung. Diese Interviews setzten sie über einen Zeitraum von neun weiteren Monaten fort. Regelmäßig erkundigten sie sich, ob in der Zwischenzeit Beschwerden aufgetreten waren oder ob sogar eine Depression diagnostiziert worden war. Die gewonnenen Daten deuten darauf hin, dass Frauen häufigere und intensivere Stimmungstiefs erlebten, wenn sie bereits vor der Menopause entsprechend auf schwankende Östrogenspiegel reagierten. Zu Beginn der Wechseljahre schienen die Probandinnen am stärksten betroffen zu sein.
Gordons Team stellte aber auch fest, dass es nicht allein der Mangel an Östrogen sein konnte, der auf die Stimmung drückte. So fühlten sich zwar sieben Prozent der Teilnehmerinnen niedergeschlagen, nachdem ihr Hormonlevel auf niedrigere Werte gesunken war als für sie normal. Zwölf Prozent bekamen dagegen Beschwerden, wenn die Konzentration höher lag als sonst und bei 20 Prozent entwickelten sich Symptome bei extremen Abweichungen in beide Richtungen. Ob es bestimmte Subtypen gibt, die auf unterschiedliche Art empfindlich auf Hormonkonzentrationen reagieren, muss aber noch weiter erforscht werden.
Darüber hinaus diskutieren Fachleute, ob Östrogenschwankungen indirekt depressive Beschwerden anstoßen können – etwa, indem sie die körperliche Stressantwort aus dem Gleichgewicht bringen. Diese beruht auf der Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse (HPA-Achse), die in der Freisetzung des Hormons Cortisol mündet. Ob und in welchem Ausmaß jener Signalweg zu perimenopausalen Verstimmungen beiträgt, bleibt jedoch umstritten. In einer 2021 veröffentlichten Arbeit fand sich keine außergewöhnlich aktive Stressachse bei Frauen mit Depressionen in den Wechseljahren. Gordon und ihr Team hatten in ihrer Studie ebenfalls die Cortisolwerte der Probandinnen mitgemessen, um einen möglichen Einfluss auf Stimmung und Östrogen zu prüfen. Bei ihrer Auswertung zeigte sich aber kein Zusammenhang.
Viel Tiefschlaf, wenig Erholung
Hormonelle Veränderungen sind allerdings nicht der einzige Faktor, der zur erhöhten Depressionsgefahr in den Wechseljahren beiträgt. Das betont auch Petra Stute – sie nennt gleich mehrere weitere Variablen: »Hitzewallungen sind etwa eher mit Schlafstörungen verbunden, die ebenfalls auf die Stimmung drücken«, erklärt sie. Ähnliches gelte für das Symptom Angst: »Viele Frauen haben auf einmal Angstsymptome, die sie so nicht von sich kennen.« Diese würden ihrerseits durch Schlafprobleme, Hitzewallungen und einen Östrogenabfall begünstigt. Zusätzlich könnten niedrige Konzentrationen des Sexualhormons Progesteron zu den Beschwerden beitragen. »Wenn Progesteron fehlt, werden manche Frauen innerlich unruhig oder haben das Gefühl, nur noch oberflächlich zu schlafen«, fügt sie hinzu.
Der Abfall des Östrogenspiegels und die häufig beobachteten Schlafstörungen in der Menopause könnten beide die Erinnerungsfähigkeit stören
Schlafstörungen kommen in der Perimenopause häufig vor – 40 bis 60 Prozent der Betroffenen leiden zumindest zeitweise darunter. Eine gestörte Nachtruhe kann auf eine Depression hindeuten oder eine solche weiter verschärfen. Einiges spricht dafür, dass die Sexualhormone Östrogen, Progesteron sowie das follikelstimulierende Hormon (FSH) den Schlaf beeinflussen. Letzteres wird in der Hypophyse gebildet und steuert die Bildung von Östrogen. Problematisch scheinen vor allem die relativen Konzentrationsänderungen im Laufe eines Menstruationszyklus zu sein. In der zweiten Zyklushälfte steigen etwa die Progesteronwerte rapide an. Daraufhin wachen Frauen nachts tendenziell häufiger auf. Sinken die Östrogen- und Progesteronlevel gegen Ende des Zyklus ab, verkürzt sich die durchschnittliche Tiefschlafphase. Zudem traten bei Frauen in der Perimenopause, die einen leichteren Schlaf hatten, höhere FSH-Spiegel auf. Einige Untersuchungen deuten darauf hin, dass die Tiefschlafdauer in den Wechseljahren insgesamt zunimmt – was aber nicht zwangsläufig zu mehr Erholung führt. Möglich wäre sogar das Gegenteil, nämlich, dass Betroffene schlechter schlafen und zum Ausgleich weitere Ruhephasen benötigen.
Während des Schlafs festigt das Gehirn neue Gedächtnisinhalte. Östrogen spielt hierbei womöglich ebenfalls eine Rolle. Sowohl der Abfall des Östrogenspiegels als auch die häufig beobachteten Schlafstörungen in der Menopause könnten somit beide die Erinnerungsfähigkeit stören. Bekommen Frauen dann noch auf Dauer weniger als sechs Stunden Schlaf, erhöht sich sogar ihr Demenzrisiko. Zusätzlich gefährdet sind jene, die das Alzheimer-Risikogen APO-E-4 im Erbgut tragen. Bei ihnen lagern sich Studien zufolge während der Perimenopause vermehrt Beta-Amyloide im Gehirn ab, die eine zentrale Rolle bei der neurodegenerativen Erkrankung spielen.
Für und Wider der Hormontherapie
Doch welche Optionen haben Frauen, wenn ihre Wechseljahre zur Zerreißprobe werden? Einige der Beschwerden lassen sich mit pflanzlichen Präparaten lindern. Extrakte der Traubensilberkerze können zum Beispiel gegen Hitzewallungen helfen, sagt Petra Stute. Leiden Betroffene besonders unter depressiven Verstimmungen und Ängsten, profitieren sie mitunter von einer Psychotherapie, Antidepressiva oder Hypnoseverfahren. Die bisher erfolgreichste Behandlungsstrategie ist aber laut Stute und Brinton eine Hormonersatztherapie, die meist aus einer Kombination von Östrogenen und Progesteron besteht. Sie reduziert Hitzewallungen und kann zudem den Schlaf verbessern sowie die Stimmung heben. Ein weiterer Bonus: Langfristig senkt die Therapie Studien zufolge das Diabetesrisiko, schützt vor Knochenbrüchen und vor Herz-Kreislauf-Erkrankungen.
Das erfolgreichste Mittel, um in der Perimenopause Hitzewallungen zu reduzieren, den Schlaf zu verbessern sowie die Stimmung zu heben, ist aktuell die Hormonersatztherapie
Wie bei jedem Medikament gibt es aber auch hier unerwünschte Nebenwirkungen. Ein Teil der Anwenderinnen entwickelt vorübergehend unregelmäßige Zyklen, Kopfschmerzen und Wassereinlagerungen. Über längere Zeit steigt laut Untersuchungen das Risiko für Blutgerinnsel, Schlaganfälle und Brustkrebs. Die Sorge vor Letzterem ist, so Stute, der Hauptgrund dafür, dass die Hormonersatztherapie im deutschsprachigen Raum verhältnismäßig wenig genutzt wird. Sie geht auf eine 2002 veröffentlichte Studie zurück, die diesen Zusammenhang erstmals herstellte.
Die Ergebnisse verunsicherten viele Patientinnen und auch Ärztinnen und Ärzte. Doch wer tiefer in die Studiendaten blickt, findet zwei kritische Punkte: Zum einen beobachtete das Forschungsteam den Zuwachs erst nach über fünf Jahren Hormontherapie. Zum anderen testete es zunächst nur Frauen, die ihre Menopause bereits hinter sich hatten. Rechnet man den Effekt auf das absolute Krankheitsrisiko auf, relativiert das die Gefahr zusätzlich: So bekamen 14 von 1000 Frauen zwischen 50 und 59 innerhalb von fünf Jahren Brustkrebs, wenn sie keine Hormonersatzpräparate erhalten hatten. Dagegen stieg die Zahl unter denjenigen, die Östrogene und Progesteron eingenommen hatten, auf insgesamt 17 von 1000 an. Faktisch ist das Brustkrebsrisiko damit zwar erhöht – allerdings nicht in einem Ausmaß, das jeglichen Nutzen der Behandlung überwiegen würde. Daher empfiehlt Stute, wie es auch die Behandlungsleitlinien vorsehen, die Hormonersatztherapie weiterhin für Frauen mit Wechseljahresbeschwerden, sofern diese nach einer Aufklärung über die Risiken einverstanden sind.
Roberta Brinton sucht mit ihrem Team nach Arzneien, die Beschwerden lindern, ohne das Brustkrebsrisiko zu erhöhen. Derzeit untersucht sie eine Wirkstoffgruppe, die am Gehirn ansetzt. Derartige »Phyto-SERMs«, auch Phytoöstrogene genannt, sind Stoffe pflanzlichen Ursprungs. Sie haben eine ähnliche chemische Struktur wie Östrogen und können daher an dessen Rezeptoren binden und ihre Funktion beeinflussen. Ergebnisse von zwei frühen klinischen Studien beschreibt Brinton als viel versprechend. Ihr Team will nun testen, wie gut Phyto-SERMs gegen Hitzewallungen und Schlafstörungen helfen. Zugleich arbeitet sie mit Lisa Mosconi von der Cornell University daran, mit bildgebenden Methoden nachzuweisen, ob sie den Glukosestoffwechsel im Gehirn so wie Östrogen ankurbeln.
»Auf Wechseljahresbeschwerden zu reagieren heißt, die Gehirngesundheit aufrechtzuerhalten«Roberta Diaz Brinton, Neurowissenschaftlerin
Alternativen in Sicht?
Phytoöstrogene sind nicht die einzigen Arzneien, die derzeit erprobt werden. Ein neues Medikament namens Fezolinetant wurde in den USA sogar bereits zugelassen. Es setzt im Hypothalamus an und lindert Hitzewallungen. Petra Stute war an mehreren Studien beteiligt, die seine Wirksamkeit untersucht haben. Ob es auch gegen depressive Symptome oder Schlafstörungen hilft, ist zwar noch nicht eindeutig geklärt. Man habe aber bei den Untersuchungen beobachtet, dass sich der Schlaf der Teilnehmerinnen verbesserte, so Stute. Es mangelt jedoch aktuell an einer soliden Datengrundlage, um den Effekt zu belegen. Definitive Aussagen könne man deshalb noch nicht treffen. Weitere viel versprechende Wirkstoffkandidaten sind solche, die GABAerge Neurone im Gehirn stimulieren – ähnlich, wie es Östrogen tut. Theoretisch könnten sie sich als wirkungsvoller Behandlungsansatz erweisen. Bislang testete man entsprechende Substanzen aber nur bei Frauen mit PMDD.
Bis weitere Alternativen zu den Hormonpräparaten die Marktreife erlangen – im besten Fall solche, die in klinischen Untersuchungen nicht nur bei Hitzewallungen Wirkung gezeigt haben –, kann es noch Jahre dauern. Roberta Brinton will betroffene Frauen deshalb ermutigen, nicht auf die neuen Medikamente zu warten. Es ist besser, sich bei Beschwerden rasch Hilfe zu suchen: »Auf Wechseljahresbeschwerden zu reagieren heißt, die Gehirngesundheit aufrechtzuerhalten«, mahnt sie. Auch Petra Stute berät Frauen über ihre Möglichkeiten. Sie betont, man müsste sich nicht sofort festlegen, ob man eine Hormonersatzbehandlung langfristig annimmt oder ablehnt. »Die Entscheidung muss nicht für immer sein«, sagt sie. Man könne die Präparate etwa einige Monate einnehmen und dann wieder absetzen.
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