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News: Mondgesteuerter Instinkt

Orientierungslosigkeit ist kein klassisches Problem der Scarabaeus-Käfer: Ihr Sinn des Lebens ist schlicht, eine gute Portion Misthaufens in Nachtschicht abzustauben. Weist der Mond ihnen dabei den Weg?
Keine Sonne, keine Hilfe, ringsum nur die stockfinstere Wildnis – und es geht um die Zukunft Ihrer Kinder. Die einzige Chance: auf möglichst schnurgeraden Wegen den Lieblingsleckerbissen des Nachwuchses dem gierigen Neid skrupelloser Konkurrenz zu entziehen. Das Objekt der Begierde: ein körpergroßer Kothaufen. Klingt dramatisch? Reine Routine für Mistkäfer.

Klassischer Hauptdarsteller in einem solchen Szenario ist Scarabaeus zambesianus, seines Zeichens afrikanisches Familien-Mitglied der mistliebenden Blatthornkäfer. Nach Sonnenuntergang beginnen er und seine Artgenossen sich um die wertvollen Hinterlassenschaften größerer Organismen zu streiten: Die Gemeinschaft der Kotgourmets stürzt sich auf die gehäuften Stoffwechsel-Endprodukte von Pflanzenfressern, rollt Teile davon zu käfergroßen Kugeln und zieht mit diesen schnellstmöglich von dannen. Im Erfolgsfall werden die Kotkugeln zu einem geeigneten Ort transportiert, mit Erde überhäuft und dienen schließlich als Brutplatz, Nahrungskammer und erste Wohnstätte stolzer Nachwuchs-Scarabaeiden.

Vor diesem Happy End müssen zukünftige Käfereltern ihre Exkrementbälle aber erst mal behalten – gerade in unmittelbarer Umgebung des umkämpften Kothaufens kein ganz leichtes Unterfangen. Eiert ein Mistkäfer hier erst langwierig herum, so schnappt ein Konkurrent sich gerne einmal die unbeherrschte Kotkugel. Gefragt ist neben präziser Ballbehandlung auch Orientierungssinn: Schließlich ist es des Nachts nicht einfach, sich auf dem direktesten, geraden Wege vom Exkrementenzentrum abzusetzen. Genau dies aber schaffen die Käfer trotz ihrer Rolllast vorbildlich. Nur wie?

Naheliegend erschien Marie Dacke von der Universität Lund und ihren Kollegen, dass Scarabaeus zambesianus zu diesem Zweck als wesentliche Orientierungsmarke den Mond benutzt. Verdeckt man allerdings die sichtbare Mondscheibe vor dem kotballkickenden Käfer, so stört ihn das herzlich wenig: Er setzt seinen schnurgeraden Fluchtweg unbeirrt fort [1].

Im Gegensatz zu Säugetieren vermögen Blatthornkäfer allerdings, wie einige andere Insekten auch, die Schwingungsebene polarisierten Lichtes zu erkennen – dazu befähigte Sinnessysteme wurden kürzlich beschrieben [2]. Sie beruhen darauf, dass die Partikel in der Erdatmosphäre das eintreffende Licht streuen und so einem Teil der Strahlen, die zum Erdboden gelangen, eine bestimmte Polarisationsrichtung aufprägen. Für Insekten wie Scarabaeus erscheint der gesamte Himmel daher bedeckt mit einem regelmäßigen Muster aus konzentrischen Kreisen verschiedener Polarisationsrichtungen. Bienen nutzten dieses Muster am Tag zur Orientierung – aber funktioniert das bei Scarabaeus auch in der lichtarmen Nacht bei schwachem Mondschein?

Dacke und Kollegen machten die Probe aufs Exempel und manipulierten mit Hilfe eines Polarisationsfilters die Schwingungsebene des von den abwandernden Mistkugelräubern wahrgenommenen Mondlichtes. Und tatsächlich: Sobald sich unter dem Einfluss des Filters die Schwingungsebene des Mondlichtes um 90 Grad drehte, legte auch der laufende Käfer prompt einen rechtwinkligen Knick ein.

Den Forschern gelang damit Einmaliges: Nie zuvor wurde von einem Tier berichtet, welches "das Polarisationsmuster des Mondlichtes als nächtlichen Kompass nutzt", so Dacke. Einmalig bleiben werde dies indes wohl kaum, denn "diese Fähigkeit könnte im Tierreich gut auch weit verbreitet sein". Jedenfalls sieht ein Mistkäfer im Mondschein offensichtlich mehr als wir. Und im Kothaufen, natürlich.

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