News: Reine Nervensache?
Vor zehn Jahren entdeckt, hat sich Leptin bisher noch nicht als das Wundermittel gegen überflüssige Pölsterchen erwiesen. Dennoch kann das Hormon weit mehr als nur den Fettstoffwechsel regulieren: Es verändert im Gehirn die Verdrahtung der Nervenzellen - und das schon sehr früh.
Viele mögen sie nicht, die Badezimmerwaage – zeigt sie doch zu häufig Werte an, die wenig Anlass zur Freude sind. Über die Hälfte aller deutschen Erwachsenen bringen zu viel auf die Waage, bei fast 20 Prozent muss man gar von krankhafter Fettsucht oder Adipositas sprechen. Mit seinen Folgen wie Diabetes, Herz-Kreislauf-Störungen, Magen-Darm-Erkrankungen, Gelenkbeschwerden oder Krebs ist Übergewicht längst kein kosmetisches Problem mehr, sondern gehört zu den hartnäckigsten Leiden in den Industrieländern. Besonders beunruhigend ist die stete Zunahme unter Kindern: Inzwischen gelten ein Viertel aller Kinder und Jugendlichen in Deutschland als zu dick – Tendenz steigend.
Wieso fällt es vielen Menschen so schwer, ihr Körpergewicht in einem gesunden Rahmen zu halten? Die Antwort liegt zum Teil in unserer Vergangenheit begründet: Bei einem unerwartet auftretenden reichhaltigen Nahrungsangebot war es einst durchaus sinnvoll, sich den Bauch vollzuschlagen. Was nicht sofort gebraucht wurde, konnte als Fett für schlechte Zeiten aufgehoben werden. Doch die schlechten Zeiten sind für uns – zum Glück – längst vorbei, an Nahrung mangelt es nicht mehr. Entsprechend nehmen die Fettreserven zu.
Leider reicht diese Erkenntnis selten, einfach auf die Essbremse zu treten. Vielmehr unterliegt der Fettstoffwechsel komplizierten Regelkreisen, die ineinander greifen. Einen wesentlichen Durchbruch bei der Aufklärung dieser Prozesse gelang bereit vor zehn Jahren Jeffrey Friedman von der New Yorker Rockefeller University, als er 1994 das Stoffwechselhormon Leptin entdeckte. Benannt nach dem griechischen Wort leptos für "dünn" wird es in den Zellen des weißen Fettgewebes produziert und erreicht über die Blutbahn den Hypothalamus des Gehirns. Hier – genauer gesagt im Nucleus arcuatus – unterdrückt es das Hungergefühl. Das Fettgewebe bremst also mit dieser Rückkopplungsschleife seine eigene Zunahme.
Die Hoffnung, mit Leptingaben überflüssige Pölsterchen zu bekämpfen, erfüllte sich jedoch nicht. Vermutlich sind viele Fettsüchtige resistent gegen die Wirkung des Hormons, sodass trotz hohen Leptinspiegels das Hungergefühl erhalten bleibt.
Doch warum das Fetthormon bei Mageren offenbar seine Aufgabe erfüllt, bei gewichtigeren Personen wiederum nicht, blieb bisher rätselhaft. Bekannt war lediglich, dass Leptin im Hypothalamus die Ausschüttung des als Hungerhormon wirkenden Neuropeptids Y (kurz NPY; benannt nach seinem hohen Anteil an der mit "Y" abgekürzten Aminosäure Tyrosin) unterdrückt, dafür den entgegengesetzt arbeitenden Signalstoff namens Proopiomelanocortin (POMC) fördert. Wie dies genau geschieht, hat jetzt Shirly Pinto im Labor von Friedman genauer untersucht [1].
Die Wissenschaftlerin arbeitet mit einem Mäusestamm, mit dem bereits Friedman die Entdeckung des Leptins gelang. Diese ob/ob-Mäuse können aufgrund einer Mutation das Hormon nicht mehr bilden und wachsen zu entsprechend fettleibigen Exemplaren heran. Erhalten sie Leptin, dann nehmen die Tiere wieder ab.
Pinto und ihren Kollegen gelang es nun, ob/ob-Mäuse zu züchten, bei denen die Neuronen im Nucleus arcuatus des Hypothalamus einen Fluoreszenzfarbstoff produzierten. Damit konnten die Forscher die NPY produzierenden Nervenzellen von jenen unterscheiden, die POMC bilden.
Dann gaben die Forscher ihren fettsüchtigen Mäusen Leptin, um die Veränderungen im Nucleus arcuatus zu beobachten. Und diese waren dramatisch: Bereits nach sechs Stunden veränderten sich die Verknüpfungen der Nervenzellen, jene zu NPY-Neuronen nahm ab, die Verbindungen zu den POMC-Nervenzellen dagegen zu. Das Hormon hatte also direkt in die Architektur des Nervengeflechts eingegriffen – mit entsprechenden Folgen: 48 Stunden nach der Leptinbehandlung fraßen die Mäuse weniger, nach zwölf Tagen hatten sie wieder ihr Normalgewicht erreicht.
Und diesen Umbau der Nervenstruktur vollzieht Leptin bereits in frühester Jugend, wie Sebastien Bouret und seine Mitstreiter nachweisen konnten. Die Forscher vom Oregon National Primate Research Center hatten wie die Kollegen aus New York mit ob/ob-Mäusen gearbeitet – allerdings mit neugeborenen Tieren [2].
Einige der Mäuse bekamen nun gleich nach der Geburt Leptin, den anderen wurde die hormonelle Fettbremse versagt. "Wir waren über die Eindeutigkeit der Ergebnisse erschüttert", erinnert sich Arbeitsgruppenleiter Richard Simerly. Das Hormon hatte bei den Jungtieren in die Verknüpfung der Nervenzellen des Hypothalamus derart eingegriffen, dass die Tiere später nicht unter Fettsucht litten. "Mit anderen Worten: Dasselbe Hormon, das im späteren Leben die Nahrungsaufnahme mit reguliert, steuert auch die Bildung der für die Gewichtskontrolle zuständigen Hirnregionen in der frühestens Phase des Lebens", erklärt Simerly weiter und betont: "Diese Veränderungen waren dauerhaft."
Demnach könnten die Probleme, die viele Menschen mit ihrem Körpergewicht haben, bereits in frühester Kindheit angelegt und fest im Gehirn verdrahtet worden sein. Das Durchhalten der nächsten Diät wäre demnach reine Nervensache.
Wieso fällt es vielen Menschen so schwer, ihr Körpergewicht in einem gesunden Rahmen zu halten? Die Antwort liegt zum Teil in unserer Vergangenheit begründet: Bei einem unerwartet auftretenden reichhaltigen Nahrungsangebot war es einst durchaus sinnvoll, sich den Bauch vollzuschlagen. Was nicht sofort gebraucht wurde, konnte als Fett für schlechte Zeiten aufgehoben werden. Doch die schlechten Zeiten sind für uns – zum Glück – längst vorbei, an Nahrung mangelt es nicht mehr. Entsprechend nehmen die Fettreserven zu.
Leider reicht diese Erkenntnis selten, einfach auf die Essbremse zu treten. Vielmehr unterliegt der Fettstoffwechsel komplizierten Regelkreisen, die ineinander greifen. Einen wesentlichen Durchbruch bei der Aufklärung dieser Prozesse gelang bereit vor zehn Jahren Jeffrey Friedman von der New Yorker Rockefeller University, als er 1994 das Stoffwechselhormon Leptin entdeckte. Benannt nach dem griechischen Wort leptos für "dünn" wird es in den Zellen des weißen Fettgewebes produziert und erreicht über die Blutbahn den Hypothalamus des Gehirns. Hier – genauer gesagt im Nucleus arcuatus – unterdrückt es das Hungergefühl. Das Fettgewebe bremst also mit dieser Rückkopplungsschleife seine eigene Zunahme.
Die Hoffnung, mit Leptingaben überflüssige Pölsterchen zu bekämpfen, erfüllte sich jedoch nicht. Vermutlich sind viele Fettsüchtige resistent gegen die Wirkung des Hormons, sodass trotz hohen Leptinspiegels das Hungergefühl erhalten bleibt.
Doch warum das Fetthormon bei Mageren offenbar seine Aufgabe erfüllt, bei gewichtigeren Personen wiederum nicht, blieb bisher rätselhaft. Bekannt war lediglich, dass Leptin im Hypothalamus die Ausschüttung des als Hungerhormon wirkenden Neuropeptids Y (kurz NPY; benannt nach seinem hohen Anteil an der mit "Y" abgekürzten Aminosäure Tyrosin) unterdrückt, dafür den entgegengesetzt arbeitenden Signalstoff namens Proopiomelanocortin (POMC) fördert. Wie dies genau geschieht, hat jetzt Shirly Pinto im Labor von Friedman genauer untersucht [1].
Die Wissenschaftlerin arbeitet mit einem Mäusestamm, mit dem bereits Friedman die Entdeckung des Leptins gelang. Diese ob/ob-Mäuse können aufgrund einer Mutation das Hormon nicht mehr bilden und wachsen zu entsprechend fettleibigen Exemplaren heran. Erhalten sie Leptin, dann nehmen die Tiere wieder ab.
Pinto und ihren Kollegen gelang es nun, ob/ob-Mäuse zu züchten, bei denen die Neuronen im Nucleus arcuatus des Hypothalamus einen Fluoreszenzfarbstoff produzierten. Damit konnten die Forscher die NPY produzierenden Nervenzellen von jenen unterscheiden, die POMC bilden.
Dann gaben die Forscher ihren fettsüchtigen Mäusen Leptin, um die Veränderungen im Nucleus arcuatus zu beobachten. Und diese waren dramatisch: Bereits nach sechs Stunden veränderten sich die Verknüpfungen der Nervenzellen, jene zu NPY-Neuronen nahm ab, die Verbindungen zu den POMC-Nervenzellen dagegen zu. Das Hormon hatte also direkt in die Architektur des Nervengeflechts eingegriffen – mit entsprechenden Folgen: 48 Stunden nach der Leptinbehandlung fraßen die Mäuse weniger, nach zwölf Tagen hatten sie wieder ihr Normalgewicht erreicht.
Und diesen Umbau der Nervenstruktur vollzieht Leptin bereits in frühester Jugend, wie Sebastien Bouret und seine Mitstreiter nachweisen konnten. Die Forscher vom Oregon National Primate Research Center hatten wie die Kollegen aus New York mit ob/ob-Mäusen gearbeitet – allerdings mit neugeborenen Tieren [2].
Einige der Mäuse bekamen nun gleich nach der Geburt Leptin, den anderen wurde die hormonelle Fettbremse versagt. "Wir waren über die Eindeutigkeit der Ergebnisse erschüttert", erinnert sich Arbeitsgruppenleiter Richard Simerly. Das Hormon hatte bei den Jungtieren in die Verknüpfung der Nervenzellen des Hypothalamus derart eingegriffen, dass die Tiere später nicht unter Fettsucht litten. "Mit anderen Worten: Dasselbe Hormon, das im späteren Leben die Nahrungsaufnahme mit reguliert, steuert auch die Bildung der für die Gewichtskontrolle zuständigen Hirnregionen in der frühestens Phase des Lebens", erklärt Simerly weiter und betont: "Diese Veränderungen waren dauerhaft."
Demnach könnten die Probleme, die viele Menschen mit ihrem Körpergewicht haben, bereits in frühester Kindheit angelegt und fest im Gehirn verdrahtet worden sein. Das Durchhalten der nächsten Diät wäre demnach reine Nervensache.
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