Bioinformatik: Schlauer Keim
Japanische Wissenschaftler haben eine winzige Bakterienzelle zum ersten lebenden Bio-Computer der Welt umgewandelt. Dies eröffnet wichtige Möglichkeiten in der Diagnostik und Therapie von Erkrankungen, bei denen Veränderungen des Erbguts eine Rolle spielen.
Als schlichtes, genügsames Stäbchen präsentiert sich das Darmbakterium Escherichia coli. Mikrobiologen und Genetiker schätzen den Keim als Modellorganismus schon lange. Aber E. coli als frei programmierbaren Computer? Genau das gelingt der japanischen Forschergruppe um Hirotaka Nagawaka von der Keio-Universität in Yokohama, indem sie in die Proteinsynthese des Bakteriums geschickt eingreifen.
Als Informationsträger dienen den Bio-Programmierern Plasmide – ringförmige DNA-Moleküle, auf der genetische Information in der Abfolge der Basen Adenin (A), Thymin (T), Cytosin (C) und Guanin (G) verschlüsselt ist. Mit Hilfe eines Kondensators, der durch ein erzeugtes elektrisches Feld die bakterielle Zellwand kurzfristig durchlöchert, schleusen die Forscher zwei Plasmide in das Coli-Bakterium ein. Das erste Plasmid dient als Eingabe, das zweite enthält das Programm.
Im Gegensatz zu anderen Bio-Computern brauchen die Forscher anschließend nicht mehr in das Programm einzugreifen – der E.-coli-Computer arbeitet autonom: Kultiviert auf einem geeigneten Nährmedium, lassen die Bakterien nach relativ kurzer Zeit das Ergebnis ihrer Berechnung sichtbar werden – beispielsweise durch eine Farbänderung.
Paritätsprüfung
Das erste Programm, mit dem die Forscher ihren E.-coli-Computer konfrontierten, sollte bei einer Reihe von Einsen feststellen, ob deren Anzahl gerade oder ungerade war. Eine solche Paritätsprüfung hat durchaus praktische Bedeutung: Entsprechende Programme werden verwendet, um Fehler bei der Übertragung digitaler Daten zu entdecken.
Eingabe und Programm
Der Computer arbeitet in mehreren Schritten. Zunächst liest das Bakterium die Information der eingeschleusten Plasmide ab: Aus der DNA des Eingabe-Plasmids entsteht Boten- oder mRNA, während das Programm-Plasmid in Transfer- oder tRNA umgewandelt wird. Dieser als Transkription bezeichnete Vorgang, bei der Information von DNA auf RNA übertragen wird, läuft genauso in der Natur ab. Dabei fungiert einer der beiden DNA-Stränge als Matrize, sodass die gebildete RNA eine komplementäre Folge von Basen aufweist: Der Aufbau der RNA entspricht jener der DNA, nur steht an der Stelle der Base Thymin die Base Uracil (U). Während die mRNA von langkettiger Struktur ist, besteht die tRNA aus vielen kurzen Abschnitten – so genannten Anticodons.
In der natürlichen Zelle wird nun die Information der DNA von der mRNA zu den Ribosomen gebracht und mit Hilfe von tRNA-Molekülen in die Aminosäuresequenz eines Proteins übersetzt – ein Vorgang, der Translation genannt wird. Hierbei lagert sich an jede Basendreiergruppe der mRNA (Basentriplett) die passende tRNA, die bereits die entsprechende Aminosäure mit sich führt. Dann gleitet der mRNA-Strang auf dem Ribosom weiter, sodass an das folgende Triplett die nächste tRNA mit passenden Basen ankoppeln kann. Enzyme verknüpfen schließlich die nebeneinander liegenden Aminosäuren; die Eiweißkette wächst immer weiter, bis das Protein fertiggestellt ist.
Wie in der natürlichen Zelle spielt auch im E.-coli-Computer diese Genexpression die zentrale Rolle. Dabei verschlüsseln die Anticodons der tRNA die Zustandsänderungen des Automaten. So signalisiert die Basenabfolge UCCA, dass der Automat vom Zustand Null in den Zustand Eins übergeht. Bei einer Kombination der beiden Anticodons UCC und CAU wechselt der Automat hingegen von Eins nach Null.
Gerade oder ungerade?
In der mRNA steht die Basenfolge AGGU für eine Eins im Eingabesignal, die Base A trennt die einzelnen Einsen voneinander ab, und AAUUAAC kennzeichnet das Ende der Eingabe. Es schließen sich Basen an, die das so genannte lacZ-Gen repräsentieren. Dieses Gen kodiert das Enzym beta-Galaktosidase – ein Enzym, das Laktose in Glukose und Galaktose zerlegt. Es kann jedoch auch das synthetische Substrat 5-Brom-4-Chlor-Indolyl-beta-D-Galaktosid (XGal) spalten, was dazu führt, dass ein blauer Indigofarbstoff entsteht.
Doch der E.-coli-Computer vermag noch viel mehr als diese schlichte Paritätsprüfung. Denn im Prinzip sollte es möglich sein, jedes beliebige Eingabezeichen eines Automaten durch die Basenfolge eines Plasmids zu verschlüsseln und jeden Zustandsübergang durch die in einem anderen Plasmid. Hierbei könnte ein Bakterium gleichzeitig mit der Lösung verschiedener Aufgaben beauftragt werden: Nachdem ihm verschiedene Eingabe- und Programm-Plasmide eingeimpft worden sind, lässt man es auf einem Nährmedium mit einem bestimmten Indikator heranwachsen. Das Bakterium verfügt damit über einen Programmspeicher.
Als Informationsträger dienen den Bio-Programmierern Plasmide – ringförmige DNA-Moleküle, auf der genetische Information in der Abfolge der Basen Adenin (A), Thymin (T), Cytosin (C) und Guanin (G) verschlüsselt ist. Mit Hilfe eines Kondensators, der durch ein erzeugtes elektrisches Feld die bakterielle Zellwand kurzfristig durchlöchert, schleusen die Forscher zwei Plasmide in das Coli-Bakterium ein. Das erste Plasmid dient als Eingabe, das zweite enthält das Programm.
Im Gegensatz zu anderen Bio-Computern brauchen die Forscher anschließend nicht mehr in das Programm einzugreifen – der E.-coli-Computer arbeitet autonom: Kultiviert auf einem geeigneten Nährmedium, lassen die Bakterien nach relativ kurzer Zeit das Ergebnis ihrer Berechnung sichtbar werden – beispielsweise durch eine Farbänderung.
Paritätsprüfung
Das erste Programm, mit dem die Forscher ihren E.-coli-Computer konfrontierten, sollte bei einer Reihe von Einsen feststellen, ob deren Anzahl gerade oder ungerade war. Eine solche Paritätsprüfung hat durchaus praktische Bedeutung: Entsprechende Programme werden verwendet, um Fehler bei der Übertragung digitaler Daten zu entdecken.
Dabei funktioniert der DNA-Computer nach Programm-Eingabe wie ein endlicher Automat, der durch Eingabesignale und – endlich viele – Zustände beschrieben wird: Der Automat startet im Zustand gerade (S0), da zu Beginn noch keine Einsen auftauchen und Null als gerade Zahl gilt. Jede Eins im Eingabetext bewirkt eine Zustandsänderung. Obwohl sich der Automat an weiter zurückliegende Eingaben nicht erinnern und die Einsen nicht zählen kann, gelangt er nur dann in den Endzustand (S0), wenn die Einsenanzahl des Eingabetextes gerade gewesen ist, sodass die Ausgabe die Parität des Eingabetextes widerspiegelt. So leuchtet die Bakterienkultur des E.-coli-Computers bei einer geraden Anzahl von eingegebenen Einsen blau auf, ansonsten zeigt sie keine Reaktion.
Eingabe und Programm
Der Computer arbeitet in mehreren Schritten. Zunächst liest das Bakterium die Information der eingeschleusten Plasmide ab: Aus der DNA des Eingabe-Plasmids entsteht Boten- oder mRNA, während das Programm-Plasmid in Transfer- oder tRNA umgewandelt wird. Dieser als Transkription bezeichnete Vorgang, bei der Information von DNA auf RNA übertragen wird, läuft genauso in der Natur ab. Dabei fungiert einer der beiden DNA-Stränge als Matrize, sodass die gebildete RNA eine komplementäre Folge von Basen aufweist: Der Aufbau der RNA entspricht jener der DNA, nur steht an der Stelle der Base Thymin die Base Uracil (U). Während die mRNA von langkettiger Struktur ist, besteht die tRNA aus vielen kurzen Abschnitten – so genannten Anticodons.
In der natürlichen Zelle wird nun die Information der DNA von der mRNA zu den Ribosomen gebracht und mit Hilfe von tRNA-Molekülen in die Aminosäuresequenz eines Proteins übersetzt – ein Vorgang, der Translation genannt wird. Hierbei lagert sich an jede Basendreiergruppe der mRNA (Basentriplett) die passende tRNA, die bereits die entsprechende Aminosäure mit sich führt. Dann gleitet der mRNA-Strang auf dem Ribosom weiter, sodass an das folgende Triplett die nächste tRNA mit passenden Basen ankoppeln kann. Enzyme verknüpfen schließlich die nebeneinander liegenden Aminosäuren; die Eiweißkette wächst immer weiter, bis das Protein fertiggestellt ist.
Wie in der natürlichen Zelle spielt auch im E.-coli-Computer diese Genexpression die zentrale Rolle. Dabei verschlüsseln die Anticodons der tRNA die Zustandsänderungen des Automaten. So signalisiert die Basenabfolge UCCA, dass der Automat vom Zustand Null in den Zustand Eins übergeht. Bei einer Kombination der beiden Anticodons UCC und CAU wechselt der Automat hingegen von Eins nach Null.
Gerade oder ungerade?
In der mRNA steht die Basenfolge AGGU für eine Eins im Eingabesignal, die Base A trennt die einzelnen Einsen voneinander ab, und AAUUAAC kennzeichnet das Ende der Eingabe. Es schließen sich Basen an, die das so genannte lacZ-Gen repräsentieren. Dieses Gen kodiert das Enzym beta-Galaktosidase – ein Enzym, das Laktose in Glukose und Galaktose zerlegt. Es kann jedoch auch das synthetische Substrat 5-Brom-4-Chlor-Indolyl-beta-D-Galaktosid (XGal) spalten, was dazu führt, dass ein blauer Indigofarbstoff entsteht.
Bei einer geraden Zahl von Einsen ermöglichen zusätzliche Anticodons wie UUA und UUG die Translation der mRNA, sodass das Gen lacZ in beta-Galaktosidase übersetzt wird. Bei einer ungeraden Anzahl von Einsen haftet sich das Anticodon UUU hingegen am Ende an, und der Übersetzungsvorgang wird unterbrochen. Dadurch können nur Bakterien des E.-coli-Computers, deren Eingabe-Plasmid eine gerade Anzahl von Einsen verschlüsselt, das lacZ-Gen ablesen – erkennbar an der Blaufärbung des Substrats. Ist die Anzahl von Einsen hingegen ungerade, so geschieht nichts.
Doch der E.-coli-Computer vermag noch viel mehr als diese schlichte Paritätsprüfung. Denn im Prinzip sollte es möglich sein, jedes beliebige Eingabezeichen eines Automaten durch die Basenfolge eines Plasmids zu verschlüsseln und jeden Zustandsübergang durch die in einem anderen Plasmid. Hierbei könnte ein Bakterium gleichzeitig mit der Lösung verschiedener Aufgaben beauftragt werden: Nachdem ihm verschiedene Eingabe- und Programm-Plasmide eingeimpft worden sind, lässt man es auf einem Nährmedium mit einem bestimmten Indikator heranwachsen. Das Bakterium verfügt damit über einen Programmspeicher.
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