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Schwinger-Effekt: Es gibt keine Schwarzen Löcher aus reinem Licht

Lange dachten Physiker, dass konzentrierte elektromagnetische Strahlung ein Schwarzes Loch erzeugen könnte. Doch ein Quanteneffekt verhindert Schwarze Löcher aus reinem Licht.
Eine helle Illustration eines Schwarzen Lochs
Ob auch Licht genug Energiedichte erzeugen kann, um ein Schwarzes Loch zu bilden, war lange unklar.

Es sind die wohl faszinierendsten Objekte der Physik: Sie verschlucken alles in ihrer Nähe, sogar Licht. Kein Wunder, dass Schwarze Löcher seit Jahrzehnten unsere Fantasie beflügeln. Ihnen wurden Lieder, Romane und ganze Filme gewidmet. Auch wenn aus wissenschaftlicher Sicht inzwischen recht viel über Schwarze Löcher bekannt ist – 2019 gelang es sogar erstmals, eines zu fotografieren –, bergen sie noch einige Geheimnisse. Zum Beispiel gingen Fachleute bis jetzt davon aus, dass es »materiefreie« Schwarze Löcher geben könnte. Wenn Licht mit genügend Energie auf einen kleinen Punkt im Raum konzentriert würde, so die Theorie, könnte dadurch ein Schwarzes Loch entstehen, ein so genannter Kugelblitz. Wie nun ein Team um den Physiker Alvaro Alvarez-Domínguez in der Fachzeitschrift »Physical Review Letters« berichtet, verhindert aber ein Quanteneffekt, dass Schwarze Löcher aus reinem Licht entstehen.

Einsteins allgemeine Relativitätstheorie beschreibt, wie Masse und Energie die Raumzeit krümmen. Diese geometrische Verformung ruft demnach das Phänomen der Schwerkraft hervor. Kurz nach Einsteins Veröffentlichung fiel dem Astronomen Karl Schwarzschild auf, dass die Theorie extrem seltsame Gebilde zulässt. Ist viel Masse an einem Punkt konzentriert, kann sie den Raum so stark krümmen, dass ein »Ereignishorizont« entsteht: Innerhalb dieser Umgebung kann nichts der gravitativen Anziehung entkommen – nicht einmal Licht. Inzwischen wurde die Existenz solcher Schwarzen Löcher bestätigt. Sie entstehen, wenn massive Sterne am Ende ihres Lebenszyklus in einer Supernova-Explosion kollabieren, wodurch ihre gesamte Masse in einen extrem dichten Punkt zusammenfällt.

Ein Antrieb aus Kugelblitzen

Doch die kosmischen Monster könnten auch auf andere Weise entstehen. Laut der berühmten Formel E = mc2 ist Masse gleich Energe; also könnten sich Schwarze Löcher ganz ohne Materie wie Atome bilden. Wenn man elektromagnetische Strahlung auf einen kleinen Punkt konzentriert, ließe sich nach Einsteins allgemeiner Relativitätstheorie der Raum so stark krümmen, dass ein Ereignishorizont und damit ein Schwarzes Loch erzeugt wird. Das führte in der Vergangenheit zu wilden wissenschaftlichen Spekulationen: Solche Kugelblitze könnten ein Kandidat für Dunkle Materie sein, die Verdampfung von hypothetischen »Weiße Löchern« (gewissermaßen das Gegenteil von Schwarzen Löchern, die Materie ausstoßen) erklären oder sogar als Antrieb für künftige interstellare Raumschiffe dienen.

»Die vorhergehenden Arbeiten ließen Quanteneffekte unbeachtet«Alvaro Alvarez-Domínguez, Luis J. Garay, Eduardo Martín-Martínez, José Polo-Gómez, Physiker

Bisher ließ sich jedoch nicht überprüfen, ob Schwarze Löcher aus Licht wirklich existieren. Für die Erzeugung im Labor wären laut Einsteins Theorie mindestens 1050-mal höhere Intensitäten nötig, als die stärksten Laser bisher leisten können. Doch selbst wenn es riesige Fortschritte in der Lasertechnologie gäbe, wären die Versuche, damit einen Ereignishorizont zu erzeugen, zum Scheitern verurteilt. Das zeigt die Arbeit des Forschungsteams um Alvarez-Domínguez.

»Die vorhergehenden Arbeiten (zu Schwarzen Löchern aus Licht) lassen Quanteneffekte unbeachtet«, schreiben die Physiker in ihrer Veröffentlichung. Dabei spielen solche Quantenphänomene für Schwarze Löcher eine wichtige Rolle. Sobald Materie stark verdichtet wird, kommen nämlich auch elektromagnetische und Kernkräfte zum Tragen, die sich nicht ignorieren lassen, wie unter anderem Stephen Hawkings Arbeiten verdeutlichen. Dieser hatte sich allerdings »gewöhnlichen« Schwarzen Löchern aus Materie gewidmet. Aber auch bei konzentriertem, hochenergetischen Laserlicht treten Quanteneffekte auf. Unter anderem kann es dazu kommen, dass plötzlich Teilchen aus dem Nichts entstehen.

Ein Teilchenschauer aus dem Nichts

Grund dafür ist die heisenbergsche Unschärferelation. Diese besagt, dass man Energie und Zeit nicht beliebig genau auflösen kann. Die Natur kann sich also für extrem kurze Momente gewissermaßen Energie »borgen«. Das führt dazu, dass selbst im Vakuum immer wieder kurzzeitig Teilchen-Antiteilchen-Paare (etwa ein Elektron und ein Positron) entstehen und sich sogleich wieder gegenseitig vernichten. Diese aufpoppenden Teilchenpaare unterscheiden sich allerdings von den realen Partikeln, weshalb sie als »virtuell« bezeichnet werden. Es ist zum Beispiel unmöglich, virtuelle Teilchen direkt zu messen – ihre Auswirkungen hingegen schon.

Starke elektromagnetische Felder könnten virtuelle Teilchen jedoch in reale Partikel verwandeln, das besagt der theoretisch vorhergesagte Schwinger-Effekt, der bereits in den 1950er Jahren beschrieben wurde. Wenn das Feld stark genug ist, werden die geladenen virtuellen Teilchenpaare demnach daran gehindert, wieder aufeinanderzutreffen und sich zu vernichten. Das virtuelle Elektron würde zum Beispiel in die eine, das virtuelle Positron in eine andere Richtung beschleunigt werden. Durch den Schwinger-Effekt entsteht im ursprünglich leeren Raum also ein regelrechter Teilchenschauer. Da Energie aber nicht aus dem Nichts entstehen kann, führt das dazu, dass die Stärke des elektromagnetischen Felds abnimmt.

Wie stark genau das Feld geschwächt wird, haben die Physiker um Alvarez-Domínguez nun quantifiziert. Ihren Berechnungen zufolge fließt durch den Schwinger-Effekt so viel Energie ab, dass unmöglich ein Schwarzes Loch allein durch Licht entstehen kann. Die elektromagnetische Strahlung lässt sich nicht stark genug konzentrieren, um die Raumzeit entsprechend zu krümmen.

Ein Schlupfloch für Kugelblitze gibt es trotzdem. Im frühen Universum könnte es durch Quantenfluktuationen Bereiche in der Raumzeit gegeben haben, die extrem stark gekrümmt waren. Falls sich zu dem Zeitpunkt Photonen in diesen Gebieten gesammelt hätten, dann könnte es doch noch Schwarze Löcher aus Licht geben. Allerdings hätte das Licht nicht das Schwarze Loch erzeugt, sondern wäre nur zufälligerweise darin gelandet. Ein interstellarer Raketenantrieb aus Kugelblitzen bleibt also vorerst außer Reichweite.

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  • Quellen
Alvarez-Domínguez, A. et al.: No black holes from light. Physical Review Letters, 2024

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