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Das aktuelle Stichwort: Schweinegrippe

Ein neuer Grippevirus mit dem "Potenzial einer Pandemie" ist in Mexiko aufgetaucht. Brisant ist seine Ähnlichkeit mit dem Erreger der Spanischen Grippe, die Anfang des 20. Jahrhunderts bis zu 50 Millionen Menschen das Leben kostete. Ob die aktuelle "Schweinegrippe" auch nur annähernd so gefährlich ist, steht allerdings noch nicht fest.
Das Auftauchen eines neuartigen Grippevirus hat weltweit Befürchtungen vor einer Pandemie geweckt. Die Infektion habe das "Potenzial einer Pandemie", sagte WHO- Generaldirektorin Margaret Chan am Samstag in Genf. Dem Erreger der so genannten Schweinegrippe vom Typ H1N1 könnten in Mexiko bereits über 100 Menschen zum Opfer gefallen sein. Darüber hinaus gibt es dort weit über 1000 Verdachtsfälle.

Auch Europa hat der Erreger mittlerweile erreicht: Das spanische Gesundheitsministerium ließ verlautbaren, bei einem kürzlich aus Mexiko zurückgekehrten Studenten habe sich das mutierte Virus nachweisen lassen. In den USA wurden 20 Infektionen bestätigt, bei zehn aus Mexiko eingereisten Neuseeländern sei eine Infektion wahrscheinlich. Fachleuten zufolge wird erst der weitere Verlauf der Verbreitung zeigen, wie effektiv sich das Virus von Mensch zu Mensch überträgt und wie bedrohlich eine Infektion für die Gesundheit ist.

Der Grippevirus-Subtyp A/H1N1 entspricht dem der Spanischen Grippe, die von 1918 bis 1920 weit mehr Menschen tötete als der Erste Weltkrieg. Je nach Schätzung starben damals 25 bis 50 Millionen Menschen daran. Und es gibt noch eine beunruhigende Parallele: Wie bei der Spanischen Grippe sind im aktuellen Fall vornehmlich junge Menschen betroffen. Einige Forscher vermuten, dass 1918 eine Überreaktion des in jungen Jahren sehr aktiven Immunsystems das Lungengewebe der Patienten zerstört hat. Üblicherweise leiden vor allem ältere Menschen und Kleinkinder an einer Grippe.

Bekannte antivirale Medikamente helfen

Ihr kryptisches Kürzel verdanken die Influenza-A-Subtypen den Proteinen Hämagglutinin und Neuraminidase, die auf ihrer Oberfläche sitzen und außerordentlich variabel sein können. Bisher sind 16 H- und 9 N-Subtypen bekannt. Veränderungen bei der Verdoppelung der viralen RNA – dem Erbgut der Viren – im Innern der befallenen Zelle führen dazu, dass die Oberflächenproteine häufig in leicht abgewandelter Form auftauchen und dadurch vom Immunsystem nicht mehr erkannt werden. Impfstoffe müssen deshalb immer wieder neu auf einen Erreger zugeschnitten werden. Dieser Vorgang kann allerdings mehrere Monate dauern.

Die Infektion kann mit Neuraminidase-Hemmern wie dem bekannten Tamiflu bekämpft werden. Das Medikament blockiert die Neuraminidase, das normalerweise dem Virus einen Weg aus der Zelle heraus bahnt und so seine Verbreitung ermöglicht. Wird das Freischneide-Enzym ausgeschaltet, schwächt sich der Verlauf von Infektionen ab. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass das Medikament rechtzeitig, das heißt innerhalb von 48 Stunden nach den ersten Symptomen eingenommen wird. Der US-Gesundheitsbehörde zufolge schlagen Neuraminidase-Hemmer wie Tamiflu und Relenza auch bei dem neuen Erreger der Schweinegrippe an.

Das Immunsystem kann teilweise Schutz bieten, wenn es bereits über Antikörper verfügt, die auf ähnliche Proteine anderer Virenstämme ansprechen. Falls ein großer Teil der Erdbevölkerung eine solche Kreuzimmunität besitze, sollte sich das neue Virus nicht so schnell ausbreiten, meint der Virologe und Seuchenexperte Alexander Kekulé vom Universitätsklinikum Halle (Saale). Eine genauere Einschätzung der Gefährlichkeit des neuen Influenzavirus sei deshalb erst in einigen Tagen möglich. "Gegen den Influenza-Typ H1N1 wurde seit vielen Jahren weltweit geimpft. Wir wissen jedoch nicht, ob und wie gut die Impfung gegen die neue Sorte hilft." Möglich sei, dass das H1N1-Virus dem in den USA verbreiteten Grippevirus mehr ähnelt als dem in Mexiko, sagte Thomas Löscher vom Münchner Tropeninstitut der "Süddeutschen Zeitung". Dies würde erklären, warum in Mexiko ein vergleichsweise hoher Anteil der Infizierten der Krankheit erlag, während in den USA alle Erkrankten mittlerweile genesen sind.

Erreger mischten sich in Schweinen

Als natürliches Reservoir für Influenza-A-Viren gelten Wasservögel, von denen der Erreger auf andere Wirte überspringen kann. In Schweinen sind sowohl von Vögeln als auch von Säugern stammende Viren vermehrungsfähig. Auch im aktuellen Fall gehen Forscher davon aus, dass Schweine als "Mischgefäß" dienten, in dem es zu einer Mutation kam, die dem Virus die Fähigkeit verlieh, von Mensch zu Mensch zu springen.

Die Symptome entsprechen denen einer gewöhnlichen Grippe: neben Fieber, Mattigkeit und Appetitlosigkeit vor allem ein trockener Husten. Auch von Übelkeit, Erbrechen und Durchfall wurde im Zusammenhang mit der Schweinegrippe berichtet. Da die Viren durch ausgehustete Tröpfchen zu ihrem nächsten Opfer gelangen, kann ein einfacher Mundschutz deshalb schon recht gut eine Ansteckung unterbinden. Während der ein bis fünf Tage dauernden Inkubationszeit bis zum Ausbruch der Krankheit verbreiten sich die Viren zunächst noch nicht.

Von nicht unbedingt erforderlichen Reisen nach Mexiko rät das Auswärtige Amt derzeit ab und empfiehlt, die Medienberichterstattung aufmerksam zu verfolgen sowie einige Vorsichtsmaßnahmen zu treffen. Auch andere Experten sehen in der Befolgung einfacher Hygieneregeln wie regelmäßigem Händewaschen einen angemessenen Weg, mit der Gefährdung umzugehen.

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