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Artenschutz: Sex in the Jungle

Wird sie in diesem Jahr schwanger? Werden sie Eltern? Ist der Fortbestand der Art gesichert? Unsere gespannte Aufmerksamkeit gilt nicht William und Kate oder einem anderen blaublütigen Promi-Pärchen - sondern Puntung und TamTam, zwei Nashörnern, die im Tabin Wildlife Reserve im fernen Sabah zueinanderfinden und Nachwuchs zeugen sollen.
Sumatra-Nashorn

Puntung und TamTam sind Sabah-Nashörner, oder, in der Sprache der wissenschaftlichen Tierkundler, Dicerorhinus sumatrensis harrisoni. Ihre Vertreter leben in Sabah, dem malaysischen Teil der Insel Borneo, sind also eine Unterart des Sumatra-Nashorns. Aber sowohl auf Borneo als auch auf Sumatra sind die Rhinozerosse vom Aussterben bedroht: Ihre Zahl wurde durch Wilderer auf der Jagd nach dem vor allem in China als Potenzmittel begehrten Horn drastisch reduziert. Durch Sabahs Wälder streichen heute wohl nur noch etwa 40 dieser Tiere.

In Kalimantan, dem indonesischen Teil Borneos, wurden dagegen schon seit vielen Jahren keine Nashörner oder auch nur Spuren von ihnen mehr gesichtet. Und "es gibt auch keine Berichte über Wilderei", sagt John Junaidi Payne, Leiter der BORA, beim Lunch in Sabahs Hauptstadt Kota Kinabalu: Ein todsicheres Zeichen dafür, dass sich in den verbliebenen Wäldern Kalimantans gar keine Nashörner mehr tummeln.

Ein Grund für den Niedergang des südostasiatischen Nashorns ist auch der Verlust ihres Lebensraums. Die Wälder weichen in rasender Geschwindigkeit Plantagen für den Anbau von Ölpalmen. Während einstmals Nashörner in ganz Südostasien verbreitet waren, bleiben heute überhaupt nur noch auf den Inseln Sumatra, Borneo und Sabah kleine Bestände. Das letzte Javanashorn auf dem asiatischen Festland war im April 2010 allerdings von Wilderern im Cat Tien Nationalpark in Vietnam erschossen worden – wohl aus den bekannten Gründen: Das Horn des Tiers war abgesägt. Der WWF erhob seinerzeit schwere Vorwürfe gegen die Tierschutzbehörden Vietnams. Die Schutzmaßnahmen für das Tier seien nicht ausreichend gewesen, kritisierte Nick Cox, Manager des WWF-Artenschutzprogramms in der Greater Mekong Region, und fügte warnend hinzu: "Diese Situation wird zweifellos zur Ausrottung von noch mehr Spezies in Vietnam führen."

Heute findet man die allerletzten Exemplare des Javanashorns nur noch auf der Insel, der es seinen Namen verdankt. Im Ujung-Kulon-Nationalpark auf Java leben die letzten 50 Javanashörner. Die genaue Zahl ist jedoch unbekannt, da die Schätzungen nur auf Auswertungen von Kamerafallen beruhen. Das letzte in Gefangenschaft lebende Tier segnete bereits 1907 im Zoo der australischen Stadt Adelaide das Zeitliche.

Puntung im Gehege | Morgens wechselt die Nashorndame Puntung aus ihrem Nachtlager im Stall ins Freie. Im Gehege wartet irgendwo auch der eher zurückhaltende Einzelgänger TamTam – aufs Bild mochte er allerdings nicht.

Es wäre nun bei so wenigen noch wild lebenden Sabah-Rhinos von Puntung und TamTam zuviel erwartet, ihre Art ganz alleine zu retten. Aber eine Schwangerschaft Puntungs und die Geburt eines Babynashorns wäre ein Meilenstein in dem Sabahnashornrettungsprogramm, zu dem sich malaysische und deutsche Stellen zusammengetan haben. Auf deutscher Seite sind die Wissenschaftler des Leibniz Institut für Zoo- und Wildtierforschung (IZW) in Berlin und dem Zoo Leipzig, die Rhino and Forest Fund (RFF) und als Geldgeber das Bundesministerium für Bildung und Forschung beteiligt. Dazu gesellen sich auf der malaysischen Seite die Borneo Rhino Alliance (BORA), die Regierung Sabahs und als Sponsor der Palmölproduzent Sime Darby.

Ein vom Zoo Leipzig finanziertes Aufforstungsprogramm des RFF soll verbliebene Lebensräume der Nashörner vernetzen. Aber das Wachstum von Waldkorridoren braucht sehr viel Zeit und Zeit ist bei der Rettung der wenigen Nashörner ein äußerst knappes Gut. Deshalb haben die Partner begonnen, in Tabin eine Aufzuchtstation für Nashörner zu betreiben. "Isolierte Nashörner sollen in dieser Station zusammen gebracht werden, um sich zu verpaaren", schreibt Petra Ketzschmar über das Nashornprojekt auf der Webseite des IZW. Denn: "Die Verpaarung ist dem kleinsten Nashorn der Welt in seinem natürlichen Habitat kaum noch möglich." Langfristiges Ziel ist es, den Nashornnachwuchs auszuwildern.

Lauter Probleme für verpaarte Einzelgänger

Puntung und TamTam zur Sex in the Jungle zu bewegen ist ein schwieriges Unterfangen. "Die Sabah-Nashörner sind Einzelgänger", erzählt Junaidi Payne. "Wir hoffen aber sehr, dass TamTam und Puntung sich in diesem Jahr paaren. Dazu müssen wir genau bestimmen, wann Puntung empfangsbereit ist. Sonst bekämpfen sie sich nur." Eine weitere Schwierigkeit besteht darin, dass die Empfangsfähigkeit weiblicher Rhinos leidet, wenn sie nicht regelmäßig schwanger werden. "Mit zunehmendem Alter bilden sich Zysten. Die machen es den Spermien sehr schwer, zum Ei zu gelangen", erklärt Payne, bevor er über das Fortpflanzungsproblem der Nashornmänner spricht: "Sie haben eine niedrige Spermaqualität. Zudem ist ihr Penis an der Spitze ankerförmig. Das macht die Penetration schwierig. Im ganz erigierten Zustand geht gar nichts mehr. Zu weich führt aber auch nicht zum Ziel." Aber auch TamTams Persönlichkeit bereitet Schwierigkeiten. "Er ist sehr scheu", sagt Payne. "Der lässt sich schon von Affen irritieren. Wenn die ihn zu sehr nerven, kann es gut sein, dass er im Wald verschwindet und sich tagelang nicht blicken lässt."

Ein sehr müdes Nashorn | Die schlafende Puntung in ihrem Stall. Eine Schwangerschaft der Nashorndame und die Geburt eines Babynashorns wären ein Meilenstein in dem Sabahnashornrettungsprogramm.

Als wären das nicht schon genug Hürden auf dem Weg zu einer glücklichen Rhinofamilie kommen auch noch körperliche Probleme von Puntung hinzu. Mit seinen geschätzten 20 Jahren ist der kräftige TamTam im besten Zeugungsalter. Die im Dezember 2012 gefangene Puntung hingegen ist nicht das gesündeste Rhino. "Als Baby ist sie eine Wildererschlinge geraten und hat sich bei dem Versuch, sich zu befreien, den halben Fuß abgerissen. Sie ist nur dreieinhalbbeinig", erzählt Payne und fügt hinzu: "Das hat ihr die Futtersuche schwer gemacht. Sie wiegt nur 495 Kilo, wenig für ein erwachsenes Rhino. Es wird für Puntung schwierig, schwanger zu werden und dann schwanger zu bleiben. Wenn es in diesem Jahr auf natürlichem Weg nicht klappt, soll das Reproduktionsteam des IZW unter der Leitung von Thomas Hildebrandt es mit einer künstlichen Befruchtung versuchen."

Rhinofamilie mit Zukunft?

Angenommen, Puntung wird im Laufe dieses Jahres schwanger, bleibt schwanger und gebiert nach sechzehn Monaten Tragezeit, dann erblickt das Rhinozerosbaby irgendwann 2014 das Licht der Welt. Aber auch in diesem glücklichen Fall wäre noch längst nicht alles gut. Irgendwann den Sprössling von Puntung und TamTam auszuwildern wäre nur ein allererster Schritt. "Man sollte genügend Tiere zur Auswilderung haben", sagt Payne. "Deshalb diskutieren wir auch die Option 'Leihmutter'. Das heißt, befruchtete Eier werden entnommen und anderen, in Gefangenschaft lebenden Rhinozerossen eingepflanzt."

Bei der Suche nach potenziellen Leihmüttern richtet sich das Augenmerk der Wissenschaftler des IZW auf den Way Kambas National Park im indonesischen Lampung auf Sumatra, in dem im Sumatran Rhino Sanctuary derzeit vier Sumatranashörner leben. Das Nashornschutzgebiet wird von der International Rhino Foundation betrieben, in Zusammenarbeit mit der Asian Rhino Specialist Group der ICUN sowie Mitarbeitern des Zoos von Cincinnati in den USA, der bisher die größten Erfolge bei der Nachzucht von Sumatra-Nashörnern vorweisen kann.

Unter den beteiligten Wissenschaftlern wird allerdings noch erregt über die Frage debattiert, ob man – trotz ihrer Verwandtschaft – Borneo-Rhinos und Sumatra-Rhinos mischen darf. Payne fasst den augenblicklichen Debattenstand so zusammen: "Es scheint sich eine Position durchzusetzen: Wenn man eine Spezies retten will und nur wenig Optionen hat, sollte man sich nicht pingelig um die Mischung von Subspezies sorgen."

Der Aufwand zur Rettung des Sabah-Nashorns ist enorm. Selbst an dem Projekt beteiligte Experten fragen sich gelegentlich, ob es das alles wert ist, zumal es keine Erfolgsgarantie gibt. Payne sagt: "Wenn wir keine gebährfähigen Nashörner finden und/oder Puntung nicht Mutter wird, kann es sein, dass man in fünf bis zehn Jahren vor der Wahl steht, das Rhino aussterben zu lassen und das Projekt einzustellen." Payne, ein ausgewiesener Fan des Sabah-Nashorns, sagt mit Bestimmtheit: "Als einzelne Spezies sind für den Naturhaushalt irrelevant. Es würde nichts fehlen, wenn sie ausgerottet wären. Aber durch den Schutz der Rhinos werden mittelbar auch andere Tier- und Pflanzenarten geschützt. Und deshalb ist der Schutz relevant."

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