Orientierung: Sie kommen Dich zu hören
Alles nicht echt überraschend: Der Gemeine Vampir kommt nachts und mag Blut. Aber dass er seine Opfer ausgerechnet mit den Ohren findet? Ist prinzipiell für schwachsichtige Fledermäuse doch durchaus nahe liegend, finden Blutsauger-Beobachter.
Sie möchten eine Geschichte voll Dunkelheit, Blut, Nacht und Vampiren? Dazu weiter unten – zuerst zu Rachel Page. Was uns aber nicht allzu weit vom Thema abbringt, denn die Forscherin der Universität von Texas beschäftigt sich mit blutliebenden Flatterwesen, genauer mit Trachops cirrhosus, der Fransenlippenfledermaus [1]. Auf deren Speiseplan stehen leckere Sachen wie knusprige Kerbtiere, aber auch sehr gerne einmal ein Häppchen zarter, möglichst hilfloser Jungfröschlein. Wie die Fransenlipper sich so einen Leckerbissen erjagen, hat sie weit über die Grenzen ihres Reiches bekannt gemacht.
Denn die Flatterer verlassen sich beim Jagen auf ihr brillantes Gehör. Wobei, brillant: Wer ihre bevorzugten Opfer schon einmal gehört hat – die Geschreiqualität mancher Froscharten gleicht den Rufen einer Kreuzung aus gekränktem Esel und liebeskrankem Kater – wird die Leistung der Fledermäuse nicht unmittelbar würdigen können. Tatsächlich aber scheinen die nächtlichen Luft-Jäger bevorzugte Froscharten von weniger goutierbaren Quakern unterscheiden zu können – und sogar schmackhafte von weniger delikaten Exemplaren einer Spezies. Genau dies wollten Page und Kollegen genauer untersuchen.
Zunächst. Denn nun kombinierten die Forscher Bufo-Schreie und eine milde Futtergabe in Form passend portionierter, von den Fledermäusen gern vernaschter Fischstückchen, die auf die schallenden Lautsprecher platziert wurden. Sehr bald hatten einzelne Tiere gelernt, dass es sich lohnt, Aga-Krötenrufen nachzugehen. Die Forscher hatten das vorhergesehen – viel mehr interessierte sie der folgende Schritt ihrer Experimentenkette. Hier ließen Page und Co nicht eines, sondern mehrere Tiere zugleich in die Arena: Eine in Sachen Lautsprechergeplärr völlig unbeleckte sowie eine erfahrene Fledermaus, welche die Assoziation Bufo-Schrei/Sushi-Leckerei schon gemeistert hatte.
Ganz offenbar, so zeigen die Ergebnisse, schaute die naive Fledermaus genau auf das, was ihre erfahrene Kollegin beim Lautsprecherschrei tat – und kopierte das Verhalten innerhalb kurzer Zeit, um dann selbst die Assoziation zwischen Aga-Krötenruf und leichter Beute zu verinnerlichen. Dieses Abschauen geschah deutlich schneller und war effektiver als das einsame Einzeltraining per Versuch und Irrtum im Vorversuch: Knapp sechsmal Zukucken genügte den Fledermäusen, während einsame Tiere nach erst rund einhundert Versuchen probeweise am Fisch naschten und ihn dann für überraschend gut befanden. Für die Lektion zeigten sich gelehrige Fledermausschüler darüber hinaus auch sozial erkenntlich: Wurden sie in weiteren Versuchen dann als erfahrene Sushigourmets eingesetzt, so gaben sie ihrerseits das neue Wissen schnell an neue Adepten weiter.
Damit, so Lane stolz, konnte erstmals soziales Lernen bei Fledermäusen nachgewiesen werden. Die Fähigkeit dürfte den Tieren gute Dienste leisten, schließlich änderten sich in den heimatlichen tropischen Regenwäldern mit der Saison auch die Nahrungsangebote – darauf schnell reagieren zu können, ist sicher kaum ein Nachteil. Sicherlich überwiegen aber die Vorteile sozialen Lernens jene Nachteile, die zunächst ein Tier gelegentlich beim Probieren gänzlich unpassender Futterquellen erleiden könnte.
Womit wir zu Vampiren kommen – zur Fledermausart Desmondus rotundus. Für sie existiert, anders als für die verzärtelt-wählerischen Fransenlippenfledermäuse, kaum so etwas wie ein "zu großes" Beutetier: Der "Gemeine Vampir" wagt sich in Südamerika etwa besonders gerne an Rinder, wenn verfügbar aber auch an andere unfreiwillige Blutspender. Manchmal auch den Menschen, besonders wenn der krank, sehr schläfrig oder sonstwie unbeweglich ist. Oder, von Vampir aus, noch sehr klein und sehr hilflos. Kein Wunder, dass dem Tier wahre Horrorgeschichten nachgesagt werden – von denen manche sogar stimmen.
Vielleicht durch Wärme? Kaum – auch wenn die Tiere wohl geeignete Biss-Stellen per Infrarotsensor aufspüren. Vielleicht per Blutgeruch? Gut möglich. Sicher aber, so meinten Lutz Wiegrebe und Udo Gröger von der Universität München, können die Vampire auch besonders gut hören – und zwar nicht nur im zur Echoorientierung benutzten Frequenzbereich oberhalb von 40 Kilohertz. Und besonders verdächtig: Offenbar reagieren bestimmte Neuronen im Fledermausgehirn gerade auf Atemgeräusche. Erkennen Vampire atmende Rinder oder gar schnarchende Menschen per Gehör als ideale Beute? Oder können sie sogar noch mehr – und den besonders leckeren Schnarcher von letzter Nacht an seiner Atemtonfolge wieder erkennen und erneut heimsuchen?
Sie können, wie die Ergebnisse der Münchener Forscher belegen: Sie trainierten drei Vampire erfolgreich darauf, die typischen aufgezeichneten Atemgeräusche dreier Versuchpersonen zu unterscheiden, mit Blutspenden zu assoziieren und diese im Falle eines akustischen Falles auch stets gezielt anzufliegen [2]. Die Vampire zeigten sich damit weit gelehriger als Menschen, die kaum zwei verschiedene Atemfrequenzen auseinander halten können. Somit ist für den Gemeinen Vampir das Atemgeräusch eines Opfers also noch mehr als das Quaken einer Aga-Kröte für die Fransenlippenfledermaus. Was natürlich Sinn macht, denn die Vampire müssen ja, im Gegensatz zu ihren kleinen Flatterverwandten, ihr Mahl in mehreren Gängen angehen. Ein ganzes Rind oder einen ganzen menschlichen Schläfer in einer Nacht zu verschlingen, schafft schließlich nicht einmal Desmondus rotundus – Horrorgeschichten hin oder her.
Denn die Flatterer verlassen sich beim Jagen auf ihr brillantes Gehör. Wobei, brillant: Wer ihre bevorzugten Opfer schon einmal gehört hat – die Geschreiqualität mancher Froscharten gleicht den Rufen einer Kreuzung aus gekränktem Esel und liebeskrankem Kater – wird die Leistung der Fledermäuse nicht unmittelbar würdigen können. Tatsächlich aber scheinen die nächtlichen Luft-Jäger bevorzugte Froscharten von weniger goutierbaren Quakern unterscheiden zu können – und sogar schmackhafte von weniger delikaten Exemplaren einer Spezies. Genau dies wollten Page und Kollegen genauer untersuchen.
Die Forscher begannen mit einem Experiment, bei dem erfahrene Trachops-cirrhosus-Versuchskaninchen sich eigentlich veräppelt vorkommen müssten: Im Labor wurde ihnen der Schrei von Bufo marinus aus dem Lautsprecher vorgespielt. In ihrer natürlichen Heimat, den Wäldern Süd- und Mittelamerikas, würden die Fledermäuse solcherlei Quaken wohl aus dem Weg gehen, wenn sie es denn hörten, denn die Aga-Kröte passt kaum in das Beuteschema der Fledermäuse: Sie ist viel zu groß, um gerissen und verspeist zu werden – und außerdem auch noch giftig. Naturgemäß reagierten Trachops-Fledermäuse nicht auf das ihnen unbekannte Lautsprecher-Quaken der ungenießbaren Amphibien.
Zunächst. Denn nun kombinierten die Forscher Bufo-Schreie und eine milde Futtergabe in Form passend portionierter, von den Fledermäusen gern vernaschter Fischstückchen, die auf die schallenden Lautsprecher platziert wurden. Sehr bald hatten einzelne Tiere gelernt, dass es sich lohnt, Aga-Krötenrufen nachzugehen. Die Forscher hatten das vorhergesehen – viel mehr interessierte sie der folgende Schritt ihrer Experimentenkette. Hier ließen Page und Co nicht eines, sondern mehrere Tiere zugleich in die Arena: Eine in Sachen Lautsprechergeplärr völlig unbeleckte sowie eine erfahrene Fledermaus, welche die Assoziation Bufo-Schrei/Sushi-Leckerei schon gemeistert hatte.
Ganz offenbar, so zeigen die Ergebnisse, schaute die naive Fledermaus genau auf das, was ihre erfahrene Kollegin beim Lautsprecherschrei tat – und kopierte das Verhalten innerhalb kurzer Zeit, um dann selbst die Assoziation zwischen Aga-Krötenruf und leichter Beute zu verinnerlichen. Dieses Abschauen geschah deutlich schneller und war effektiver als das einsame Einzeltraining per Versuch und Irrtum im Vorversuch: Knapp sechsmal Zukucken genügte den Fledermäusen, während einsame Tiere nach erst rund einhundert Versuchen probeweise am Fisch naschten und ihn dann für überraschend gut befanden. Für die Lektion zeigten sich gelehrige Fledermausschüler darüber hinaus auch sozial erkenntlich: Wurden sie in weiteren Versuchen dann als erfahrene Sushigourmets eingesetzt, so gaben sie ihrerseits das neue Wissen schnell an neue Adepten weiter.
Damit, so Lane stolz, konnte erstmals soziales Lernen bei Fledermäusen nachgewiesen werden. Die Fähigkeit dürfte den Tieren gute Dienste leisten, schließlich änderten sich in den heimatlichen tropischen Regenwäldern mit der Saison auch die Nahrungsangebote – darauf schnell reagieren zu können, ist sicher kaum ein Nachteil. Sicherlich überwiegen aber die Vorteile sozialen Lernens jene Nachteile, die zunächst ein Tier gelegentlich beim Probieren gänzlich unpassender Futterquellen erleiden könnte.
Womit wir zu Vampiren kommen – zur Fledermausart Desmondus rotundus. Für sie existiert, anders als für die verzärtelt-wählerischen Fransenlippenfledermäuse, kaum so etwas wie ein "zu großes" Beutetier: Der "Gemeine Vampir" wagt sich in Südamerika etwa besonders gerne an Rinder, wenn verfügbar aber auch an andere unfreiwillige Blutspender. Manchmal auch den Menschen, besonders wenn der krank, sehr schläfrig oder sonstwie unbeweglich ist. Oder, von Vampir aus, noch sehr klein und sehr hilflos. Kein Wunder, dass dem Tier wahre Horrorgeschichten nachgesagt werden – von denen manche sogar stimmen.
Etwa jene, dass Vampire Nacht für Nacht mitleidslos am liebsten über die schwächsten, schon angeknabberten Tiere einer Herde herfallen. Dies ist schließlich sehr effektiv – wo das erste Eckchen Fell oder Haut aus einem wehrhaften Körper herauszureißen noch anstrengend und gefährlich sein kann, ist es das unauffällige, sättigende Lecken an klaffenden Wunden schon viel weniger. Hat man als Fledermaus-Vampir-Pionier also eine sprudelnde Blutquelle also erschlossen, so sollte man genau diese auch Nacht für Nacht nutzen, bis sie versiegt. Fragt sich nur, wie und woran die Vampire eine angeritzte Beute immer wieder unter einer Reihe von Artgenossen wieder finden.
Vielleicht durch Wärme? Kaum – auch wenn die Tiere wohl geeignete Biss-Stellen per Infrarotsensor aufspüren. Vielleicht per Blutgeruch? Gut möglich. Sicher aber, so meinten Lutz Wiegrebe und Udo Gröger von der Universität München, können die Vampire auch besonders gut hören – und zwar nicht nur im zur Echoorientierung benutzten Frequenzbereich oberhalb von 40 Kilohertz. Und besonders verdächtig: Offenbar reagieren bestimmte Neuronen im Fledermausgehirn gerade auf Atemgeräusche. Erkennen Vampire atmende Rinder oder gar schnarchende Menschen per Gehör als ideale Beute? Oder können sie sogar noch mehr – und den besonders leckeren Schnarcher von letzter Nacht an seiner Atemtonfolge wieder erkennen und erneut heimsuchen?
Sie können, wie die Ergebnisse der Münchener Forscher belegen: Sie trainierten drei Vampire erfolgreich darauf, die typischen aufgezeichneten Atemgeräusche dreier Versuchpersonen zu unterscheiden, mit Blutspenden zu assoziieren und diese im Falle eines akustischen Falles auch stets gezielt anzufliegen [2]. Die Vampire zeigten sich damit weit gelehriger als Menschen, die kaum zwei verschiedene Atemfrequenzen auseinander halten können. Somit ist für den Gemeinen Vampir das Atemgeräusch eines Opfers also noch mehr als das Quaken einer Aga-Kröte für die Fransenlippenfledermaus. Was natürlich Sinn macht, denn die Vampire müssen ja, im Gegensatz zu ihren kleinen Flatterverwandten, ihr Mahl in mehreren Gängen angehen. Ein ganzes Rind oder einen ganzen menschlichen Schläfer in einer Nacht zu verschlingen, schafft schließlich nicht einmal Desmondus rotundus – Horrorgeschichten hin oder her.
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