Ausgrabungen: Steinzeitmusik
In geselliger Runde ließen bereits Menschen in der Altsteinzeit Melodien auf ihren Flöten erklingen. Neue Funde bestätigen: Der moderne Mensch musizierte schon vor über 35 000 Jahren.
In lauen Sommernächten sitzen Menschen gerne an einem Lagerfeuer zusammen, erzählen sich Geschichten, singen und machen Musik. In ähnlicher Form scheinen sich schon die ersten modernen Menschen in Europa vergnügt zu haben, als sie sich zum Beginn der jüngeren Altsteinzeit an der oberen Donau ansiedelten. Auf der Schwäbischen Alb wurden in den letzten Jahrzehnten die ältesten weltweit bekannten Kunstwerke entdeckt, die das kulturelle Leben der frühzeitlichen Menschen bezeugen. Den Großteil der Kunstwerke legten der Tübinger Archäologe Nicholas Conard und seine Kollegen frei. Darunter auch die "Schwäbische Venus", die älteste bekannte Menschenfigur der Welt.
In der Höhle "Hohle Fels" bei Schelklingen – wo auch die "Schwäbische Venus" ans Tageslicht geriet – siebten und sondierten die Tübinger Forscher erneut die Erde auf der Suche nach weiteren Relikten aus der Altsteinzeit. Mit Erfolg: Eine fast vollständig erhaltene Flöte aus hohlen Vogelknochen kam zum Vorschein. Darüber hinaus entdeckten sie Bruchstücke von drei weiteren Flöten aus Mammutelfenbein, eine davon stammte aus der nahe gelegenen Vogelherdhöhle.
Musikinstrumente aus der Vorzeit sind Conard und seinen Kollegen bereits bestens bekannt: 2004 entdeckten sie in der nahe gelegenen Geißenklösterle-Höhle bei Blaubeuren frühzeitliche Flöten aus Schwanenknochen und Mammutelfenbein. Im Gegensatz zu diesen kleineren Instrumenten ließ sich wahrscheinlich mit der Gänsegeier-Flöte eine größere Vielfalt an Tönen und Melodien erzeugen, vermutet Conard. Den Forschern zufolge produziert der größere Durchmesser des Instruments vor allem tiefere Töne. Das musikalische Repertoire gleicht damit eher dem der rekonstruierten Elfenbeinflöte der Geißenklösterle-Höhle.
Die ersten modernen Menschen in Europa hatten demnach schon eine hoch entwickelte Musikkultur, folgern die Archäologen um Conard. Die Musik könnte sogar zur Erhaltung größerer sozialer Netwerke beigetragen und die Ausbreitung der modernen Menschen gefördert haben. Vielleicht war dies gerade der Vorteil gegenüber den isolierter lebenden Neandertalern, die vermutlich kein geselliges Beisammensein mit Musik pflegten.
In der Höhle "Hohle Fels" bei Schelklingen – wo auch die "Schwäbische Venus" ans Tageslicht geriet – siebten und sondierten die Tübinger Forscher erneut die Erde auf der Suche nach weiteren Relikten aus der Altsteinzeit. Mit Erfolg: Eine fast vollständig erhaltene Flöte aus hohlen Vogelknochen kam zum Vorschein. Darüber hinaus entdeckten sie Bruchstücke von drei weiteren Flöten aus Mammutelfenbein, eine davon stammte aus der nahe gelegenen Vogelherdhöhle.
Aus insgesamt zwölf Fragmenten puzzelten die Wissenschaftler die Knochenflöte wieder zusammen, die frühzeitlichen Menschen aus der Speiche eines Gänsegeiers geschnitzt hatten. Zwei große V-förmige Kerben am oberen Ende des Musikinstruments dienten vermutlich dazu, Luft in das Rohr hineinzublasen. Das rund 22 Zentimeter lange Blasinstrument ist mit fünf Luftlöchern versehen. Am unteren Ende der Flöte fehlen einige Zentimeter, dort war das Instrument in der Mitte des fünften Luftloches abgebrochen. Die Forscher verglichen die Länge der Flöte mit Unterarmknochen neuzeitlicher Vögel und schlossen daraus, dass das Rohr wahrscheinlich eine Länge von insgesamt 34 Zentimetern besaß.
© Wulf Hein, Universität Tübingen
Steinzeitmusik
Forscher aus dem Team um Nicholas Conard lassen eine Rekonstruktion der Knochenflöte erklingen. Sie erinnert in ihrem Klang an den einer Panflöte. Auf Grund der Feuchtigkeit in der Atemluft verbietet es sich, in das Originalinstrument hineinzublasen.
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Die Herstellung von Musikinstrumenten aus Elfenbein erfordert eine sehr komplexe Technik, erklärt Conard: Zunächst muss das Mammutelfenbein ausgehöhlt, halbiert und beide Hälften einzeln verarbeitet werden, um diese dann zu guter Letzt wieder luftdicht zu verschließen. Typische Spuren dieses aufwändigen Verfahrens finden sich an den drei freigelegten Elfenbeinbruchstücken. Dazu gehören zahlreiche Kerben entlang der Längskante des Elfenbeins, um die beiden Hälften besser versiegeln zu können, Luftlöcher zur Tonerzeugung und eine nach außen gewölbte Form des hohlen Materials. Auf Grund der unterschiedlichen Größen und Materialdicken der Funde folgern die Wissenschaftler, dass es sich um Fragmente mehrerer, unterschiedlicher Flöten handelt.
Die Flöten-Artefakte stammten aus den unteren Schichten der Kulturstufe des Aurignacien, einer Kulturstufe des frühen Menschen (Homo sapiens sapiens), mit der die jüngere Altsteinzeit in Europa begann. Radiokarbondatierungen der Ablagerungen ergaben ein Alter der Schichten von 31 000 bis 40 000 Jahren. Damit sind die Flöten von "Hohle Fels" vermutlich etwas älter als ihre Pendants aus dem Geißenklösterle und gehören zu den ältesten Musikinstrumente der Welt.
Die ersten modernen Menschen in Europa hatten demnach schon eine hoch entwickelte Musikkultur, folgern die Archäologen um Conard. Die Musik könnte sogar zur Erhaltung größerer sozialer Netwerke beigetragen und die Ausbreitung der modernen Menschen gefördert haben. Vielleicht war dies gerade der Vorteil gegenüber den isolierter lebenden Neandertalern, die vermutlich kein geselliges Beisammensein mit Musik pflegten.
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