Paläoklima: Tauchsieder Tiefsee
"Am Südpol, denkt man, ist es heiß" - das hat uns schon Elke Heidenreich gelehrt. Eher unwahrscheinlich ist jedoch, dass sie damit neue Erkenntnisse aus dem tropischen Pazifik meinte, die den Südozean für das Ende der letzten Eiszeit verantwortlich machen. Und der der damalige Anstieg der Kohlendioxid-Konzentration wäre nicht Auslöser, sondern Folge der Erwärmung gewesen.
Vor 18 000 Jahren, als die Gletscher auf der Nordhalbkugel ein letztes Maximum erreichten, begann der Anfang vom Ende – dem Ende der Eiszeit. Sedimentbohrkerne aus aller Herren Ozeane und Spuren im Eis von Nord- wie Südpol verzeichnen einen Anstieg der Kohlendioxid-Konzentrationen. Und dieses Gas, das zeigt uns momentan eindrücklich der Klimawandel, verwandelt unseren Planeten in ein Treibhaus. Was damals aber zunächst einmal bedeutete, dass die nördlichen Kontinente ihre Eislast weit gehend verloren und sich die Klimazonen wieder in höhere Breiten verschoben.
Obwohl sich die Spuren der Kaltzeiten heute vielleicht am besten noch im Norden der Nordhalbkugel verfolgen lassen, handelte es sich keineswegs um ein darauf beschränktes Phänomen: Auch die Tropen und die Südpolarregionen waren betroffen. Einige Forschungsergebnisse lassen sogar vermuten, dass der Todesstoß für die Kälte aus der Äquatorregion kam. So zeigen Mikrofossilien in dortigen Sedimenten bereits steigende Temperaturen, während die höheren Breiten noch frieren.
Die Krux der Datierung
Doch gibt es hier ein grundlegendes Problem: die Altersbestimmung. Auf der einen Seite handelt es sich um Organismenreste in tropischen Sedimenten, auf der anderen um Gasspuren in Eis, die jeweils mit unterschiedlichen Methoden datiert werden. Ein paar hundert Jahre plusminus liegen da im normalen Toleranzbereich bei den Altersangaben – ob gleichzeitig, früher oder später ist somit manchmal schwer zu entscheiden.
Lowell Stott von der Universität von Südkalifornien in Los Angeles und seine Kollegen wählten daher ein Klimaarchiv, das ihnen Daten sowohl aus dem Südozean als auch dem tropischen Pazifik lieferte: den Bohrkern MD98-2181, gezogen in über 2000 Metern Tiefe im indonesischen Morotai-Becken. Hier strömt am Boden Wasser aus dem Südozean heran, das die Temperatursignatur der südpolaren Breiten nahezu unverändert mit sich bringt – wenn auch mit gut tausend Jahren Verspätung.
Penible Archivare der jeweiligen Temperaturverhältnisse sind Foraminiferen, schalentragende Einzeller, von denen manche im Freiwasser der oberen Schichten vorkommen, während andere am Boden leben. In den Schichten des Sedimentbohrkerns liegen daher die Überreste von einstigen Warmwasserliebhabern der Oberfläche neben den Kaltwasserspezialisten der Tiefsee. Und damit die Anzeiger für südpolare Verhältnisse neben den Indikatoren für die Klimabedingungen der Tropen.
Als Stott und seine Mitarbeiter diese einzigartige Gemeinschaft genauer untersuchten, erlebten sie eine Überraschung: In der Tiefe hatten die Wassertemperaturen laut Foraminiferen-Archiv über tausend Jahre früher begonnen zu steigen als in den Oberflächenschichten. Das allerdings ist völlig undenkbar, wenn der Auslöser der Erwärmung Kohlendioxid gewesen war – denn dann hätten sich zunächst die oberen Wasserschichten erwärmt, lange bevor die Tiefsee reagiert haben dürfte.
Eine unerwartete Heizquelle
Und die Wärme kam aus dem Südpolargebiet – ein weiteres Rätsel. Stott und seine Kollegen jedoch präsentieren eine elegante Erklärung: Eine stärkere Sonneneinstrahlung im antarktischen Frühjahr könnte dort das Abschmelzen der Eismassen in Gang gesetzt haben. Die Abnahme der riesigen hellen Schneeflächen, die das Licht stark reflektieren und so normalerweise eine Erwärmung verhindern, hätte über eine positive Rückkopplung den Prozess weiter beschleunigt, ebenso wie Kohlendioxid, das nun als Folge der freigelegten und sich erwärmenden Meeresgebiete rund um den Südpol entweichen konnte.
"Man kann nicht länger behaupten, CO2 allein war für das Ende der Eiszeit verantwortlich", erklärt Stott. Und betont allerdings gleich, dass das Gas natürlich trotzdem eine entscheidende Rolle im Klimasystem spiele: "Ich möchte niemanden in dem Glauben lassen, dies wäre der Beweis, dass Kohlendioxid keinen Effekt auf das Klimageschehen habe. Es hat einen – aber es ist nicht der Anfang und nicht das Ende einer Klimaveränderung."
Nicht alle Kollegen sind überzeugt. Die Forscher hätten solide dargestellt, dass irgendetwas in den höheren Breiten der Sübhalbkugel geschieht, bevor sich die tropischen Temperaturen ändern, stimmen beispielsweise Jean Lynch-Stieglitz vom Georgia Institute of Technology und William Ruddiman von der Universität von Virginia in Charlottesville überein. Doch die Geschichte des Endes der Eiszeit zusammenzufügen, sei knifflig.
David Lea von der Universität von Kalifornien in Santa Barbara bleibt noch skeptischer. Angesichts der Schwierigkeiten, den Beginn der Erwärmung in den Tropen festzulegen, sei es keineswegs so eindeutig, dass der Südozean hier einen Vorsprung hatte. In einem Punkt aber sind sich alle einig: Die Rekonstruktion der Ereignisse auf der Nordhalbkugel, wo letztendlich die umfangreichsten Schmelzprozesse abliefen, birgt noch sehr viel Arbeit.
Obwohl sich die Spuren der Kaltzeiten heute vielleicht am besten noch im Norden der Nordhalbkugel verfolgen lassen, handelte es sich keineswegs um ein darauf beschränktes Phänomen: Auch die Tropen und die Südpolarregionen waren betroffen. Einige Forschungsergebnisse lassen sogar vermuten, dass der Todesstoß für die Kälte aus der Äquatorregion kam. So zeigen Mikrofossilien in dortigen Sedimenten bereits steigende Temperaturen, während die höheren Breiten noch frieren.
Die Krux der Datierung
Doch gibt es hier ein grundlegendes Problem: die Altersbestimmung. Auf der einen Seite handelt es sich um Organismenreste in tropischen Sedimenten, auf der anderen um Gasspuren in Eis, die jeweils mit unterschiedlichen Methoden datiert werden. Ein paar hundert Jahre plusminus liegen da im normalen Toleranzbereich bei den Altersangaben – ob gleichzeitig, früher oder später ist somit manchmal schwer zu entscheiden.
Lowell Stott von der Universität von Südkalifornien in Los Angeles und seine Kollegen wählten daher ein Klimaarchiv, das ihnen Daten sowohl aus dem Südozean als auch dem tropischen Pazifik lieferte: den Bohrkern MD98-2181, gezogen in über 2000 Metern Tiefe im indonesischen Morotai-Becken. Hier strömt am Boden Wasser aus dem Südozean heran, das die Temperatursignatur der südpolaren Breiten nahezu unverändert mit sich bringt – wenn auch mit gut tausend Jahren Verspätung.
Penible Archivare der jeweiligen Temperaturverhältnisse sind Foraminiferen, schalentragende Einzeller, von denen manche im Freiwasser der oberen Schichten vorkommen, während andere am Boden leben. In den Schichten des Sedimentbohrkerns liegen daher die Überreste von einstigen Warmwasserliebhabern der Oberfläche neben den Kaltwasserspezialisten der Tiefsee. Und damit die Anzeiger für südpolare Verhältnisse neben den Indikatoren für die Klimabedingungen der Tropen.
Als Stott und seine Mitarbeiter diese einzigartige Gemeinschaft genauer untersuchten, erlebten sie eine Überraschung: In der Tiefe hatten die Wassertemperaturen laut Foraminiferen-Archiv über tausend Jahre früher begonnen zu steigen als in den Oberflächenschichten. Das allerdings ist völlig undenkbar, wenn der Auslöser der Erwärmung Kohlendioxid gewesen war – denn dann hätten sich zunächst die oberen Wasserschichten erwärmt, lange bevor die Tiefsee reagiert haben dürfte.
Eine unerwartete Heizquelle
Und die Wärme kam aus dem Südpolargebiet – ein weiteres Rätsel. Stott und seine Kollegen jedoch präsentieren eine elegante Erklärung: Eine stärkere Sonneneinstrahlung im antarktischen Frühjahr könnte dort das Abschmelzen der Eismassen in Gang gesetzt haben. Die Abnahme der riesigen hellen Schneeflächen, die das Licht stark reflektieren und so normalerweise eine Erwärmung verhindern, hätte über eine positive Rückkopplung den Prozess weiter beschleunigt, ebenso wie Kohlendioxid, das nun als Folge der freigelegten und sich erwärmenden Meeresgebiete rund um den Südpol entweichen konnte.
"Man kann nicht länger behaupten, CO2 allein war für das Ende der Eiszeit verantwortlich", erklärt Stott. Und betont allerdings gleich, dass das Gas natürlich trotzdem eine entscheidende Rolle im Klimasystem spiele: "Ich möchte niemanden in dem Glauben lassen, dies wäre der Beweis, dass Kohlendioxid keinen Effekt auf das Klimageschehen habe. Es hat einen – aber es ist nicht der Anfang und nicht das Ende einer Klimaveränderung."
Nicht alle Kollegen sind überzeugt. Die Forscher hätten solide dargestellt, dass irgendetwas in den höheren Breiten der Sübhalbkugel geschieht, bevor sich die tropischen Temperaturen ändern, stimmen beispielsweise Jean Lynch-Stieglitz vom Georgia Institute of Technology und William Ruddiman von der Universität von Virginia in Charlottesville überein. Doch die Geschichte des Endes der Eiszeit zusammenzufügen, sei knifflig.
David Lea von der Universität von Kalifornien in Santa Barbara bleibt noch skeptischer. Angesichts der Schwierigkeiten, den Beginn der Erwärmung in den Tropen festzulegen, sei es keineswegs so eindeutig, dass der Südozean hier einen Vorsprung hatte. In einem Punkt aber sind sich alle einig: Die Rekonstruktion der Ereignisse auf der Nordhalbkugel, wo letztendlich die umfangreichsten Schmelzprozesse abliefen, birgt noch sehr viel Arbeit.
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