Ökologie: Toter Alligator in der Tiefsee versenkt - für die Wissenschaft
Krokodile im Meer? Das kommt gar nicht einmal so selten vor: Die Leistenkrokodile im indopazifischen Raum schwimmen regelmäßig durch den Ozean, um neue Lebensräume zu erreichen oder an verendeten Walen zu fressen. In anderen Teilen der Welt reißen Stürme oder Überflutungen die Tiere hinaus ins Salzwasser. Nicht wenige davon sterben und versinken als Kadaver in der Tiefsee. Wer sie dann dort verwertet, erkundeten River Dixon von der University of Louisiana in Lafayette und ihr Team, indem sie tote Alligatoren im Golf von Mexiko versenkten und dann mit einem Tauchroboter filmten. Daneben wollten sie untersuchen, ob Nahrung, die sich an Land entwickelt hat, die Verwertung in der Tiefsee verändert verglichen beispielsweise mit einem Walkadaver, der dort unten aufschlägt.
Dixon und Co durften drei Alligatoren ins Wasser lassen, die als Problemtiere getötet worden waren. Bereits nach weniger als 24 Stunden wurden die Kadaver in 2000 Metern Tiefe von Riesenasseln (Bathynomus giganteus) umschwärmt: Diese Aasfresser erreichen eine Länge von bis zu 45 Zentimetern und ein Gewicht von mehr als 1,5 Kilogramm und sind damit deutlich größer als etwa die gängige Kellerassel. Die Geschwindigkeit, mit der sie eintrafen, überraschte die Forscher. Als sie zu filmen begannen, hatten die Asseln sich bereits durch die zähe Haut der Reptilien gearbeitet und sich in einen wahren Fressrausch hineingesteigert. Manche der Riesenasseln vertilgten so viel Aas, dass sie sich kaum mehr bewegen konnten. Diese Strategie ist allerdings wohl nötig, so die Wissenschaftler: Die Tiere müssen oft wochen- oder monatelang ohne Nahrung auskommen, bis erneut ein Kadaver in der Tiefsee ankommt. Sie können jedoch feinste chemische Spuren der Verwesung im Wasser ausmachen und folgen diesen dann in der lichtlosen Tiefsee bis zur Nahrungsquelle.
Im Lauf der nächsten Jahre wollen Dixon und Co regelmäßig Tauchroboter zu den toten Alligatoren entsenden, um zu beobachten, wie sich die Lebensgemeinschaften an ihnen entwickeln. Ein wenig hoffen sie dabei auch darauf, dass sich bislang unbekannte Verwerter einstellen, die auf Reptilien spezialisiert sind – schließlich dominierten bis vor 66 Millionen Jahren Ichthyo-, Mosa- und Plesiosaurier die Weltmeere. Zusammen mit den Dinosauriern starben sie am Übergang zum Tertiär aus. Anschließend wurde ihre Nische langsam durch die heutigen Wale und ihre Vorfahren besetzt. Fossilien deuten an, dass die Urzeitreptilien eine artenreiche Fauna von Aasfressern ernährten, die teilweise mit ihnen verschwanden – andere könnten aber in bestimmten Refugien überlebt haben, wo Krokodile regelmäßig ins Meer geschwemmt werden.
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