Meeresökologie: Trübes Wasser
Vom Flachwasser bis in die Tiefsee, von Fischen bis zu Erdöl - die Menschheit nutzt mittlerweile alle Bereiche und Ressourcen des Ozeans. Das kann nicht ohne negative Folgen bleiben: Eine Karte dokumentiert nun das Ausmaß unserer Einflussnahme.
Etwas Gespenstisches geschah 2006 vor der Nordwest-Küste der Vereinigten Staaten. Dort, wo sonst im Einflussbereich des kalten Kalifornien-Stroms das Leben tobt, breiteten sich vor den Augen der Wissenschaftler plötzlich riesige abgestorbene Flächen aus. Fische waren geflohen, Millionen tote Krabben und andere Meeresorganismen bedeckten den Boden – erstickt. Auf über 3000 Quadratkilometern Ozeanfläche war fast jeglicher Sauerstoff aufgezehrt: ein Zustand, der von Juni bis Oktober anhielt. Nur Schwefel oxidierende Bakterien profitierten von der allgemeinen Atemnot.
Das Ausmaß der marinen Katastrophe überraschte die Forscher um Francis Chan von der Oregon State University in Corvallis [1]. Sie mussten immer wieder in den Jahren zuvor niedrige Sauerstoff-Konzentrationen im Meer vor der Küste Kaliforniens und Oregons messen, doch so schlimm wie 2006 war es in dieser Zeit nie – und auch nicht in den fünf Jahrzehnten zuvor, wie sie nun mitteilen. Alle ihnen zur Verfügung stehenden Daten weisen daraufhin, dass es seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs bis zur Jahrtausendwende kaum zu Sauerstoffmangel und nie zu solch ausgedehnten sauerstofflosen Todeszonen gekommen war.
Sind die Winde schuld?
Was den Wechsel der Windströmungen ausgelöst hat, kann Chans Gruppe noch nicht mit Bestimmtheit sagen, doch könnte er mit der Erderwärmung zusammenhängen: Computermodelle legen diesen Verdacht zumindest nahe. Nicht auszuschließen ist zudem, dass Überfischung und eingetragene Stickoxide aus Landwirtschaft und Verkehr die Situation zusätzlich verschärft haben.
Kein schöner Meer mehr
Zusammengenommen erfüllt der Pazifik vor Kalifornien damit viele Kriterien, die ihn zu einem der von Menschen mittlerweile sehr stark beeinflussten Meeresökosysteme der Erde machen. Doch im Vergleich etwa zu Teilen der Nordsee, dem Mittelmeer, der Karibik, dem Atlantik vor Neufundland, dem Japanischen oder dem Südchinesischen Meer steht die Region sogar noch relativ gut da, wie eine neu gezeichnete Karte von Benjamin Halpern vom National Center for Ecological Analysis and Synthesis in Santa Barbara schonungslos enthüllt [2].
Und die Diagnose fällt dramatisch aus: Fast die Hälfte der Welt- und Nebenmeerfläche ist stark durch menschliche Einflüsse beeinflusst oder gar überprägt, und nur sehr wenige Gebiete – zumeist rund um die Pole, aber auch zwischen Australien und Neuguinea – können noch als intakt gelten. Auch ein deutlicher Nord-Süd-Unterschied ist auszumachen, denn größere Flächen geringer Störung erstrecken sich vor allem im westlichen Pazifik südlich des Äquators, im Südatlantik sowie im Indischen Ozean zwischen Australien und der Antarktis, während Teile des Nordsee zwischen Schottland und Norwegen als industrialisiert gelten müssen.
Hoffnung aus der Südsee
Auf Basis der einzelnen Ökosysteme sind vor allem Korallenriffe, Seegraswiesen, Mangroven, der flache Küstenschelf und einzelne unterseeische Berge betroffen – Letztere bilden Oasen in der Wasserwüste der offenen See. Dagegen sind Watten und küstenferne Ozeanbereiche in besserem Zustand. Womöglich zeichnet ihre Karte aber ein noch zu optimistisches Bild, geben die Wissenschaftler zu bedenken: "Wenn wir mehr Daten erhalten, können wir die Karten aktualisieren und verfeinern. Ziemlich sicher erzeugen wir dann aber ein Bild, das noch düsterer ausfällt", fürchtet Fiorenza Micheli von der Universität Stanford, eine der Hauptautoren der Arbeit.
Der kleine Pazifikstaat Kiribati geht jedenfalls schon mit gutem Beispiel voran: Mit dem 410 500 Quadratkilometer großen Phoenix-Islands-Meeresreservat schuf er jetzt das größte derartige Schutzgebiet der Erde – umfangreicher als der australische Great-Barrier-Reef-Nationalpark. Auf einer Fläche der Größe Kaliforniens können sich Tausende von Korallen-, Fisch-, Krusten- und Weichtierarten ungestört tummeln, da kommerzieller Fischfang verboten ist. Die kleine Nation tut damit aber nicht nur dem Ökosystem einen Gefallen, das wegen seiner Abgelegenheit noch relativ unberührt ist. Steigende Meeresspiegel und stärkere Stürme bedrohen mittlerweile die flachen Eilande Kiribatis: Gesunde und wachsende Korallenriffe als aktive Wellenbrecher bilden eine gute Lebensversicherung gegen diese Gefahren.
Das Ausmaß der marinen Katastrophe überraschte die Forscher um Francis Chan von der Oregon State University in Corvallis [1]. Sie mussten immer wieder in den Jahren zuvor niedrige Sauerstoff-Konzentrationen im Meer vor der Küste Kaliforniens und Oregons messen, doch so schlimm wie 2006 war es in dieser Zeit nie – und auch nicht in den fünf Jahrzehnten zuvor, wie sie nun mitteilen. Alle ihnen zur Verfügung stehenden Daten weisen daraufhin, dass es seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs bis zur Jahrtausendwende kaum zu Sauerstoffmangel und nie zu solch ausgedehnten sauerstofflosen Todeszonen gekommen war.
Sind die Winde schuld?
Damit besteht auch kein Zusammenhang mit El-Niño- oder La-Niña-Ereignissen, die beide maßgeblich die Wasser- und Klimaverhältnisse im pazifischen Raum mitbestimmen. Die beiden Anomalien, die jeweils für eine Umkehrung von Warm- und Kaltwasserbedingungen im Pazifik stehen, wechselten sich über die Dekaden mehrfach ab, ohne dass es zu merklichen Todeszonen vor dem Nordwesten der USA kam. Vielmehr, so die Ozeanologen, hätten die regionalen Windsysteme gewechselt und damit den profunden Wandel eingeleitet. Geänderte Windrichtungen verstärkten demnach den ozeanischen Aufstieg von nährstoffreichem, aber sauerstoffarmen Tiefenwasser, in dem es – einmal an der Oberfläche angelangt – zu einer regelrechten Algenblütenexplosion kommt. Sie zehrt schließlich den Rest des lebenswichtigen Gases auf.
Was den Wechsel der Windströmungen ausgelöst hat, kann Chans Gruppe noch nicht mit Bestimmtheit sagen, doch könnte er mit der Erderwärmung zusammenhängen: Computermodelle legen diesen Verdacht zumindest nahe. Nicht auszuschließen ist zudem, dass Überfischung und eingetragene Stickoxide aus Landwirtschaft und Verkehr die Situation zusätzlich verschärft haben.
Kein schöner Meer mehr
Zusammengenommen erfüllt der Pazifik vor Kalifornien damit viele Kriterien, die ihn zu einem der von Menschen mittlerweile sehr stark beeinflussten Meeresökosysteme der Erde machen. Doch im Vergleich etwa zu Teilen der Nordsee, dem Mittelmeer, der Karibik, dem Atlantik vor Neufundland, dem Japanischen oder dem Südchinesischen Meer steht die Region sogar noch relativ gut da, wie eine neu gezeichnete Karte von Benjamin Halpern vom National Center for Ecological Analysis and Synthesis in Santa Barbara schonungslos enthüllt [2].
Zusammen mit einer Reihe weiterer Experten sammelte der Ökologe weltweit Daten zum Zustand der Meere: etwa wie stark das Wasser versauert, verschmutzt oder überfischt ist, wie viele invasive Arten dort eingedrungen sind, wie hoch die Beifangmenge ausfällt, wie stark das Ökosystem baulich verändert wurde oder ob Bergbau stattfindet. Erstmals wurde somit nicht nur ein einziger Faktor mit seinen Folgen fürs Meer begutachtet, sondern ein Gesamtbild der ozeanischen Gesundheit erstellt.
Und die Diagnose fällt dramatisch aus: Fast die Hälfte der Welt- und Nebenmeerfläche ist stark durch menschliche Einflüsse beeinflusst oder gar überprägt, und nur sehr wenige Gebiete – zumeist rund um die Pole, aber auch zwischen Australien und Neuguinea – können noch als intakt gelten. Auch ein deutlicher Nord-Süd-Unterschied ist auszumachen, denn größere Flächen geringer Störung erstrecken sich vor allem im westlichen Pazifik südlich des Äquators, im Südatlantik sowie im Indischen Ozean zwischen Australien und der Antarktis, während Teile des Nordsee zwischen Schottland und Norwegen als industrialisiert gelten müssen.
Hoffnung aus der Südsee
Auf Basis der einzelnen Ökosysteme sind vor allem Korallenriffe, Seegraswiesen, Mangroven, der flache Küstenschelf und einzelne unterseeische Berge betroffen – Letztere bilden Oasen in der Wasserwüste der offenen See. Dagegen sind Watten und küstenferne Ozeanbereiche in besserem Zustand. Womöglich zeichnet ihre Karte aber ein noch zu optimistisches Bild, geben die Wissenschaftler zu bedenken: "Wenn wir mehr Daten erhalten, können wir die Karten aktualisieren und verfeinern. Ziemlich sicher erzeugen wir dann aber ein Bild, das noch düsterer ausfällt", fürchtet Fiorenza Micheli von der Universität Stanford, eine der Hauptautoren der Arbeit.
Zumal durch die Erderwärmung und die dadurch ausgelöste Meereisschmelze immer neue Areale in Arktis und Antarktis frei werden, die das wirtschaftliche Interesse der Menschen wecken: Tun sich dort doch lukrative neue Fischgründe und Rohstoffe auf. Doch gänzlich verzagen sollte die Menschheit trotz der leeren und schmutzigen Meere nicht, mahnt Halpern: "Es gibt noch Hoffnung. Mit gezielten Anstrengungen zum Schutze der noch relativ unberührten Gebiete können wir diese in gutem Zustand bewahren."
Der kleine Pazifikstaat Kiribati geht jedenfalls schon mit gutem Beispiel voran: Mit dem 410 500 Quadratkilometer großen Phoenix-Islands-Meeresreservat schuf er jetzt das größte derartige Schutzgebiet der Erde – umfangreicher als der australische Great-Barrier-Reef-Nationalpark. Auf einer Fläche der Größe Kaliforniens können sich Tausende von Korallen-, Fisch-, Krusten- und Weichtierarten ungestört tummeln, da kommerzieller Fischfang verboten ist. Die kleine Nation tut damit aber nicht nur dem Ökosystem einen Gefallen, das wegen seiner Abgelegenheit noch relativ unberührt ist. Steigende Meeresspiegel und stärkere Stürme bedrohen mittlerweile die flachen Eilande Kiribatis: Gesunde und wachsende Korallenriffe als aktive Wellenbrecher bilden eine gute Lebensversicherung gegen diese Gefahren.
Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.