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Trump, Musk, Isaacman: Ein Zukunftstrio für die Raumfahrt?

Donald Trump rekrutiert für seine zweite Amtszeit als US-Präsident eifrig Männer, die ambitionierte Pläne im All verfolgen. Welche Veränderungen wird das mit sich bringen? Ein Raumfahrt-Insider wagt eine Prognose.
Die SLS-Rakete steht wieder auf der Startrampe
Ein Problemkind für die US-Raumfahrt: die äußerst teure Trägerrakete SLS, das »Space Launch System«.

Es war eine gehörige Überraschung, als Donald Trump Anfang Dezember 2024, also mehr als acht Wochen vor seinem offiziellen Amtsantritt, Jared Isaacman zum 15. Administrator der US-Luft- und Raumfahrtbehörde NASA bestimmte. Die Ernennung muss noch durch den Senat bestätigt werden, doch sie hat schon jetzt weit reichende Debatten ausgelöst.

Der noch amtierende US-Präsident Joe Biden und seine Vizepräsidentin Kamala Harris waren, man kann es nicht anders sagen, an Raumfahrt schlichtweg nicht interessiert. Den gegenwärtigen Administrator der Raumfahrtbehörde, den ehemaligen Senator von Florida Bill Nelson, nominierte Biden erst am 19. März 2021, also zwei Monate nach seinem Amtsantritt. Danach dauerte es noch bis zum 3. Mai 2021, bis Nelson seine Tätigkeit endlich aufnehmen konnte.

Kamala Harris war während der Biden-Amtszeit Vorsitzende des National Space Council der USA. Diese Funktion fällt automatisch dem jeweiligen US-Vizepräsidenten oder der Vizepräsidentin zu. Damit hat er oder sie die Möglichkeit, die Ausrichtung der US-Raumfahrt maßgeblich zu bestimmen. Bei der NASA erinnert man sich bis heute gerne an Lyndon Johnson, der unter Präsident Kennedy das National Space Council leitete und das Apollo-Mondprogramm mit Verve und großem Geschick durch alle Widerstände in Kapitol und Senat steuerte. Und es gab damals, das ist heute längst vergessen angesichts des geschichtlichen Erfolgs von Apollo, weiß Gott viele Widersacher dieses Programms bei den politischen Entscheidungsträgern. Anders als seinerzeit Lyndon Johnson für Apollo war Kamala Harris dagegen für Artemis praktisch nicht wahrnehmbar.

Vor dem Privatraumfahrer Isaacman leiteten schon zweimal Astronauten die NASA: Richard Truly (in den Jahren 1989 bis 1992) und Charles Bolden (in den Jahren 2009 bis 2017). Beide blieben farblos, denn das Amt ist vor allem auch eine politische Aufgabe. Man muss sich gut mit der politischen Nomenklatura in Washington arrangieren, man muss Koalitionen und Beziehungsgeflechte aufbauen, man muss ein guter Vermittler sein und manchmal auch kompromissfähig bis jenseits der Schmerzgrenze. Das sind die auf technisch-pragmatische und effiziente Problemlösungen ausgerichteten Astronauten nur selten.

Wer ist Jared Isaacman?

Die nun begonnene Debatte um die Nominierung Isaacmans ist in den USA deutlich überwiegend von Zustimmung geprägt. Isaacman hat sich als erfolgreicher Geschäftsmann und Organisator erwiesen, in seinem Familienleben gibt es keine Angriffsmöglichkeiten, er verfügt über außerordentliche Fähigkeiten – er ist Jetpilot mit mehreren tausend Flugstunden. Er ist in einer Reihe gemeinnütziger Programme unterwegs, vor allem um das Saint-Jude-Kinderkrankenhaus in Memphis, für das er schon etwa eine Viertelmilliarde Dollar an Spenden eingeworben hat. Zudem ist er ein Pionier der privaten Weltraumfahrt mit zwei bahnbrechenden bemannten Missionen.

Isaacman betreibt das Unternehmen Shift4Payments, im weiteren Sinne ein Zahlungsdienstleister. Diese Firma hat er bereits im Alter von 16 Jahren gegründet. Sie ist die Hauptquelle seines Vermögens. Es gab noch ein zweites Unternehmen, Draken International, das mit etwa 150 Kampfflugzeugen die weltweit wahrscheinlich größte private Flotte an Militärjets unterhält. Dieses Unternehmen hat er allerdings vor vier Jahren verkauft. Er besitzt aus dieser Zeit aber immer noch einen kleinen Bestand an Jets, darunter eine Mig-29, einige Alphajets und ein paar tschechische L-39 Trainer. Sie sind Bestandteile seines Black Diamond Jet Team, mit dem er gelegentlich auf Air Shows auftritt.

Man kann mit einiger Sicherheit davon ausgehen, dass Elon Musk bei der Nominierung von Isaacman die Finger mit im Spiel hatte. Es ist bekannt, dass er auf ihn, der quasi sein »Firmentestpilot« ist, große Stücke hält. Diese enge Verbindung wird in den USA durchaus positiv bewertet. Die typisch deutsche Frage nach dem Interessenkonflikt zwischen dem Unternehmer und dem Funktionsträger einer Regierung wird in den USA zwar auch erkannt, aber wesentlich milder bewertet als hier zu Lande.

Was bedeutet das nun für das Artemis-Mondprogramm der NASA? Erst vor wenigen Tagen hatte der Noch-Administrator Bill Nelson weitere Verzögerungen gemeldet. War die Artemis-II-Mission – eine Umfliegung des Mondes mit Astronauten ohne Landung – zunächst für Ende 2023 terminiert gewesen, wurde sie dann auf November 2024 und schließlich auf November 2025 verschoben. Jetzt gibt es schon wieder einen kräftigen Ruck nach vorn auf dem Zeitplan. Nun soll nicht eher als im April 2026 geflogen werden. Die darauf folgende erste »Nach-Apollo-Mondlandung« mit Artemis III wurde auf Juli 2027 verschoben. NET, wie es in der Raumfahrtsprache heißt, »Not Earlier Than, auf Deutsch: »nicht früher als«. Es ist also hochwahrscheinlich, dass es noch deutlich länger dauert.

An dieser Stelle wird selbst der an Raumfahrt weniger interessierte Amerikaner etwas unruhig, denn Artemis ist kein für sich stehendes Programm, bei dem es auf einige Jahre mehr nicht ankommt. In China schreitet nämlich ein gut finanziertes bemanntes Mondprojekt mit beobachtbar wenig technischen Problemen und unbehelligt von politischen Querelen stetig voran. China plant die erste bemannte Landung noch vor dem Jahr 2030. Mit jeder Verschiebung bei der NASA wird die zeitliche Lücke zwischen den USA und China kleiner.

Das teure »Senate Launch System (SLS)«

Trotz dieses Drucks von außen wird es im Repräsentantenhaus und im Senat einigen Widerstand gegen Isaacmans Nominierung geben, selbst von Seiten republikanischer Abgeordneter. Denn die interessiert vor allem eines: Bringt das Raumfahrtprogramm Geld und Beschäftigung in meinen Heimatstaat und Wahlkreis? Nicht umsonst wird die SLS-Trägerrakete des Artemis-Programms (SLS steht offiziell für »Space Launch System«) inoffiziell als das »Senate Launch System« bezeichnet. Bauanteile aus fast allen US-Bundesstaaten, eine Systemführerschaft durch den Aerospace-Giganten Boeing mit seinen schwerfälligen, hochadministrativen Prozessen, Selbstkostenerstattungsaufträge für die Unterauftragnehmer, eine umfassende und komplexe Aufsicht der NASA – all das führt zwar zur Zufriedenheit unter den Politikern, aber gleichzeitig zu absurd hohen Systemkosten und immer längeren Projektverzögerungen.

Der noch amtierende Administrator der NASA und ehemalige Astronaut Bill Nelson

Neben der SLS-Rakete selbst, die pro Stück weit mehr als zwei Milliarden Dollar kostet, gibt es noch viele andere Beispiele für groteske Kosten- und Zeitüberzüge im Artemis-Programm. Da ist etwa der ML-2 (Mobile-Launch-Tower 2) speziell für die SLS-Versionen 1B und 2, der ab der Artemis IV-Mission eingesetzt werden muss. Vor fünf Jahren gab die NASA den Bau dieses Gerüstes bei der Firma Bechtel in Auftrag. Für die eigentlich schon überaus stattliche Summe von 383 Millionen Dollar. Geliefert werden sollte im März 2023. Doch die Deadline kam und ging, ohne dass Bechtel überhaupt nur ein einziges Stück Metall dafür geschnitten hatte.

Derzeit steht die Kostenschätzung für den ML-2-Tower bei 2,7 Milliarden Dollar und das Fertigstellungsdatum bei September 2027. Nur zum Vergleich: Die höchste künstliche Struktur auf diesem Planeten, der siebenmal höhere Burj Khalifa in Dubai, kostete nur die Hälfte. Und SpaceX baut für sein Starship-Programm wesentlich komplexere und höhere Startgerüste als Bechtel innerhalb weniger Monate zu einem winzigen Bruchteil der Kosten.

Man könnte noch viele weitere Fälle dieser geradezu absurden Kostenentwicklungen und Programmverschiebungen anführen. Hier nur noch eines, nämlich das RS-25-Haupttriebwerk des SLS. Die Rakete braucht vier Stück davon, und jedes einzelne kostet mehr als 100 Millionen Dollar, obwohl es lediglich ein Nachbau des ehemaligen Shuttle-Haupttriebwerks ist. Zum Vergleich: Ein Raptor-Triebwerk von SpaceX, ähnlich leistungsfähig, kostet ein Hundertstel davon.

So erwartet die Raumfahrtgemeinde nichts weniger, als dass Isaacman das Artemis-Programm kräftig aufmischt. Doch was die einen erhoffen, fürchten die anderen. Die anderen, das sind die Politiker in Washington, die nun ihren Heimatstaaten keine fetten Geldgeschenke mehr machen können.

Prognose: Große Veränderungen stehen an

Wie wird es nun weitergehen mit dem Mondprogramm der USA? Ich wage eine grobe Prognose: Das Programm in seiner jetzigen Form ist tot, wird aber dennoch bis zur Mission Artemis III weiterlaufen wie bisher geplant. Das geht kaum anders, denn die Hardware dafür ist mehr oder weniger fertig. Und nur so ist die Vorgabe der US-Regierung zu schaffen, noch vor den Chinesen auf dem Mond zu landen. Doch nach Artemis III wird alles umgestellt.

Die bemannten Komponenten im Programm verbleiben, also das Orion-Raumschiff und die beiden Mondlander von SpaceX (als Lunar Starship bezeichnet) und Blue Origin (bezeichnet als Blue Moon). Das Programm wird auch seinen bisherigen Namen behalten, denn inzwischen haben schon 50 Länder unter dem Begriff des Artemis-Accord-Kooperationsvereinbarungen mit den USA unterschrieben.

Der bisherige Flaschenhals, der Hauptkostentreiber und Zeitplankiller, die SLS-1A-Rakete mit allem, was dazu gehört, wird wohl komplett eliminiert werden. Genauso wie ihre geplanten Weiterentwicklungen SLS-1B und -2. Das Orion-Raumfahrzeug wird auf andere Weise zum Mond transportiert, beispielsweise mit der Rakete New Glenn von Blue Origin. Alles andere kann mit dem Starship dorthin geschafft werden. Und mit dessen enormer Leistungsfähigkeit entfallen auch alle Gewichtsprobleme, für die man bislang aufwändige und teure konstruktive Lösungen finden musste. Auf fünf Tonnen Gewicht mehr oder weniger kommt es dann nämlich nicht mehr an.

Kritiker sehen es als Nachteil, dass die US-Raumfahrt nun noch mehr als schon bisher von SpaceX und zukünftig auch von Blue Origin abhängig sein wird. Aber muss das schlechter sein als eine Abhängigkeit von Boeing und Lockheed? Mehr Raumfahrt fürs Geld bekommt man allemal. Und das sollte das Ausschlaggebende sein. Insofern steht es gut für die Raumfahrtpläne von Trump, Isaacman und Musk.

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