Pharmakologie: Urintest fürs Rezept
Individualisierte Medizin - darin sieht die Pharmabranche ihre Zukunft: Medikamente, die für jeden Patienten maßgesteinert sind, sollen optimal helfen und Nebenwirkungen vermeiden. Bisher setzen die Forscher hierbei auf Genetik, doch es gibt auch andere Möglichkeiten.
Die Einheitspille für jeden ist out – zumindest, wenn es nach den Zukunftsvisionen von Pharmakologen geht. Schließlich ist jeder Mensch anders und reagiert damit auch anders auf Medikamente: Dietrich Durchschnitt mag zwar die durch Tausende von Tests erprobte Arznei helfen, wer jedoch ein wenig von der Norm abweicht, spricht vielleicht gar nicht auf das Mittel an, oder ihm drohen sogar gefährliche Nebenwirkungen. Jahr für Jahr setzt das Gesundheitssystem so Unsummen durch falsch wirkende Arzneien in den Sand.
Die "individualisierte Medizin" soll hier abhelfen. Dabei spielt die Genomik – wie die Analyse des Erbguts genannt wird – eine entscheidende Rolle. Seitdem das Genom des Menschen bekannt ist, träumen etliche Pharmakologen davon, per individuellem Gen-Test voraussagen zu können, ob die Pille A dem Patienten XY hilft, und wie viel er von den Tröpfchen B zu schlucken hat.
Doch die Vorstellung, dass im Sprechzimmer neben der Krankenkassenkarte auch ein Gen-Check fällig ist, behagt nicht jedem. Außerdem könnte die Genetik – wie auch bereits die Pharma-Industrie erkannt hat – hier zu kurz greifen.
Gibt es noch eine Alternative zur "Pharmakogenomik"? Durchaus, meint Jeremy Nicholson. Zusammen mit Wissenschaftlern von Pfizer entwickelte der Biochemiker vom Imperial College London eine Methode, die auf den individuellen Stoffwechsel setzt. Über die Messung von typischen Stoffwechselprodukten – auch Metabolite genannt – soll die individuelle Wirkung von Substanzen "pharmako-metabonomisch" vorausgesagt werden.
Als Versuchskaninchen für ihre Idee dienten den Forschern 65 Ratten, die sich genetisch sehr stark ähnelten. Über Kernspinresonanzspektroskopie maßen die Forscher zunächst, welche Metabolite sich in den Urinproben der Nager verbargen. Dann bekamen die Tiere das Schmerzmittel Paracetamol verabreicht, das bei Überdosierung Leberschäden verursachen kann. Schließlich untersuchten sie die Leber der Versuchstiere und korrelierten per Computeranalyse diagnostizierte Organschäden mit den zuvor gefundenen Metaboliten im Harn.
Jetzt kam die Probe aufs Exempel: Bei einer zweiten Nager-Gruppe versuchten die Forscher anhand der Urinproben vorherzusagen, inwieweit die Leber durch Paracetamol bei jedem einzelnen Tier in Mitleidenschaft gezogen wird. Mit Erfolg. "Die Leute von Pfizer haute es aus den Socken", erzählt Nicholson. "Mit Pharmakogenomik war das nicht annährend zu erreichen."
Damit steht der Beweis der Machbarkeit, der Proof-of-Principle, dass Pharmako-Metabonomik durchaus funktionieren könnte. Bis zum Einsatz beim Menschen dürften allerdings noch Jahre vergehen. Bis dahin müssen wir wohl noch mit der Einheitspille für jedermann vorlieb nehmen.
Die "individualisierte Medizin" soll hier abhelfen. Dabei spielt die Genomik – wie die Analyse des Erbguts genannt wird – eine entscheidende Rolle. Seitdem das Genom des Menschen bekannt ist, träumen etliche Pharmakologen davon, per individuellem Gen-Test voraussagen zu können, ob die Pille A dem Patienten XY hilft, und wie viel er von den Tröpfchen B zu schlucken hat.
Doch die Vorstellung, dass im Sprechzimmer neben der Krankenkassenkarte auch ein Gen-Check fällig ist, behagt nicht jedem. Außerdem könnte die Genetik – wie auch bereits die Pharma-Industrie erkannt hat – hier zu kurz greifen.
"Gene allein reichen nicht aus"
(Donald Robertson)
Schließlich bestimmen nicht nur unsere Gene, wie der Körper Arzneien verdaut; das Alter, die Ernährung, die bakterielle Magen-Darm-Flora, vorherige Krankheiten und nicht zuletzt auch andere Medikamente haben hier ebenfalls ein Wörtchen mitzureden. "Wir haben herausgefunden, dass Gene allein nicht ausreichen", meint daher auch selbstkritisch Donald Robertson vom US-amerikanischen Pharma-Konzern Pfizer. (Donald Robertson)
Gibt es noch eine Alternative zur "Pharmakogenomik"? Durchaus, meint Jeremy Nicholson. Zusammen mit Wissenschaftlern von Pfizer entwickelte der Biochemiker vom Imperial College London eine Methode, die auf den individuellen Stoffwechsel setzt. Über die Messung von typischen Stoffwechselprodukten – auch Metabolite genannt – soll die individuelle Wirkung von Substanzen "pharmako-metabonomisch" vorausgesagt werden.
Als Versuchskaninchen für ihre Idee dienten den Forschern 65 Ratten, die sich genetisch sehr stark ähnelten. Über Kernspinresonanzspektroskopie maßen die Forscher zunächst, welche Metabolite sich in den Urinproben der Nager verbargen. Dann bekamen die Tiere das Schmerzmittel Paracetamol verabreicht, das bei Überdosierung Leberschäden verursachen kann. Schließlich untersuchten sie die Leber der Versuchstiere und korrelierten per Computeranalyse diagnostizierte Organschäden mit den zuvor gefundenen Metaboliten im Harn.
Jetzt kam die Probe aufs Exempel: Bei einer zweiten Nager-Gruppe versuchten die Forscher anhand der Urinproben vorherzusagen, inwieweit die Leber durch Paracetamol bei jedem einzelnen Tier in Mitleidenschaft gezogen wird. Mit Erfolg. "Die Leute von Pfizer haute es aus den Socken", erzählt Nicholson. "Mit Pharmakogenomik war das nicht annährend zu erreichen."
Damit steht der Beweis der Machbarkeit, der Proof-of-Principle, dass Pharmako-Metabonomik durchaus funktionieren könnte. Bis zum Einsatz beim Menschen dürften allerdings noch Jahre vergehen. Bis dahin müssen wir wohl noch mit der Einheitspille für jedermann vorlieb nehmen.
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