Geschlechtsbestimmung: Vaterersatz für Männer
Zellteilung ist ein schwieriges Geschäft: Werden Chromosomen ungerecht zwischen zwei Zellen verteilt, dann werden beide damit nicht glücklich. Ein Zellschiedsrichter muss deshalb dringend für Ordnung und Gerechtigkeit sorgen - und weil undenkbar ist, dass es ohne geht, dürfte es bei einigen Insektengruppen eigentlich nur Weibchen geben.
Männer sind schon ärgerlich überflüssig, kostspielig und im Prinzip durchaus verzichtbar, meint Mama Natur manchmal. Sie begründet mangelnde Mutterliebe gegenüber männlichem Nachwuchs in solchen Fällen unwiderlegbar energetisch: Wenn nicht gerade rasch wandelnde Anforderungen dazu zwingen, per Sex zweier Geschlechter den Genpool stetig zu durchmischen, dann tut es doch auch ein Geschlecht im Alleingang – nennen wir es, trotz fehlendem Gegenüber, ruhig einmal "Weibchen". Sollen von diesem mehr entstehen, so knospt oder wächst einfach ein Zweites aus dem Ersten. Den ganzen Stress mit Partnersuche, Anbandeln, Verpaaren und Geschlechterkampf kann, nun ja, "frau" sich eigentlich einfach sparen. Oder nicht?
Andererseits hat Sex unbestreitbar ein paar Vorzüge; und deshalb wählen die vielleicht erfolgreichsten Vertreter der vielleicht erfolgreichsten Tiergruppe, die sozialen Insekten, oft eine Mischstrategie – Spermien, Befruchtung und das volle Programm wenn nötig, aber nicht häufiger. Je nach Art führt dies dazu, dass Männchen nur selten überhaupt entstehen – bei Bienen etwa, um die Eier zu befruchten, die dann zu einer Königin auswachsen sollen.
Alternativ können – bei Ameisen etwa – aber auch dürftige Männchen mit halbem, haploiden Chromosomensatz als Arbeitstiere billig massenproduziert werden. Qualitativ hochwertige Weibchen mit doppelter, "diploider" Genausstattung entstehen hier nur, wenn Eier von Spermien befruchtet werden. Samenzellen dürfen männliche Tiere dann streng kontrolliert produzieren, wenn etwa eine neue Königinnengeneration gefragt ist.
Männer, soweit sind sich Mama Ameise, Wespe und Biene jedenfalls einig, sind immer nur halb, also mit einem einfachen, "haploiden" Gensatz. Biologen nennen dies "haplodiploide Geschlechterbestimmung": befruchtete Eier wachsen zu diploiden Hautflügler-Weibchen, unbefruchtete zu haploiden Männchen.
Ein nicht betroffener männlicher Primat könnte dazu "Nun ja, warum nicht?" sagen und zur Tagesordnung übergehen. William Sullivan, zwei Geschlechtsgenossen und ihre Kollegin Barbara Fasulo von der Universität von Kalifornien in Santa Cruz taten es nicht. Denn eigentlich, so hatten findige Zellbiologen schon vor geraumer Zeit alarmiert konstatiert, kann die ganze Sache mit der haplodiploiden Geschlechterbestimmung gar nicht funktionieren. Der Grund ist schnell erklärt: Wenn einige Beobachtungen und die daraus abgeleiteten gängigen zellbiologische Thesen stimmen, dürften sich Eizellen mit haploiden Chromosomensatz ohne Zutun eines Spermiums gar nicht erst beginnen können, sich zu teilen.
Denn zu einer Teilung, bei der unter anderem der Gengehalt verdoppelt und auch Tochterzellen verteilt werden müssen, benötigen Zellen einiges an Werkzeug. Ein unverzichtbares ist etwa das so genannte Centrosom – ein Organisationszentrums-Paar, welches Mikrotubuli-Schleppseile von zwei Seiten so koordiniert, dass die mittig platzierte Genmasse der Mutterzelle säuberlich portioniert und getrennt in die späteren zwei Tochterzellen geschafft werden kann. Diese unverzichtbaren Zellteilungswerkzeuge – eine Reihe verschiedener Proteine – fehlen aber einer unbefruchteten Eizellen. Praktischerweise werden sie aber, soviel hatten Forscher herausgefunden, von den Spermien bei jedem Befruchtungsvorgang beigesteuert.
Fündig wurden die Forscher schließlich in sehr typischen Zellorganellen der Hautflügel-Eier, den so genannten "akzessorischen Kernen", deren eigentliche Funktion bislang reichlich mysteriös ist. In fast völlig ausgereiften Insekteneiern sind Hunderte dieser genfreien Hilfs-Kerne enthalten – alle schnüren sich zunächst vom chromosomenhaltigen Hauptkern ab, lösen sich aber in den allerletzten Entwicklungsstadien auch wieder auf. Und der Inhalt einiger wenige von ihnen wird dann, wie die Fluoreszenversuche belegen, zu Centrosomen umgearbeitet.
Vielleicht, so spekulieren die Wissenschaftler, ist der Centrosomen-Bau aus den akzessorischen Kernen sogar jenes Alleinstellungsmerkmal, das haploide Männchen und komplexes, arbeitsteilendes Sozialsystem bei Hautflüglern überhaupt erst möglich gemacht hat – und damit ihren Erfolg.
Übrigens: Immer wenn auch befruchtende Spermien im Spiel sind, wird keiner der vielen akzessorische Hilfskerne einer Eizelle umfunktioniert, sondern stets die mitgebrachten Centrosomen der Spermienzellen bevorzugt eingesetzt. Zumindest in diesem Fall steuern also die Männchen qualitativ Höherwertiges zur Nachwuchsbildung bei. Zur Bildung von Weibchen, wohlgemerkt.
Andererseits hat Sex unbestreitbar ein paar Vorzüge; und deshalb wählen die vielleicht erfolgreichsten Vertreter der vielleicht erfolgreichsten Tiergruppe, die sozialen Insekten, oft eine Mischstrategie – Spermien, Befruchtung und das volle Programm wenn nötig, aber nicht häufiger. Je nach Art führt dies dazu, dass Männchen nur selten überhaupt entstehen – bei Bienen etwa, um die Eier zu befruchten, die dann zu einer Königin auswachsen sollen.
Alternativ können – bei Ameisen etwa – aber auch dürftige Männchen mit halbem, haploiden Chromosomensatz als Arbeitstiere billig massenproduziert werden. Qualitativ hochwertige Weibchen mit doppelter, "diploider" Genausstattung entstehen hier nur, wenn Eier von Spermien befruchtet werden. Samenzellen dürfen männliche Tiere dann streng kontrolliert produzieren, wenn etwa eine neue Königinnengeneration gefragt ist.
Männer, soweit sind sich Mama Ameise, Wespe und Biene jedenfalls einig, sind immer nur halb, also mit einem einfachen, "haploiden" Gensatz. Biologen nennen dies "haplodiploide Geschlechterbestimmung": befruchtete Eier wachsen zu diploiden Hautflügler-Weibchen, unbefruchtete zu haploiden Männchen.
Ein nicht betroffener männlicher Primat könnte dazu "Nun ja, warum nicht?" sagen und zur Tagesordnung übergehen. William Sullivan, zwei Geschlechtsgenossen und ihre Kollegin Barbara Fasulo von der Universität von Kalifornien in Santa Cruz taten es nicht. Denn eigentlich, so hatten findige Zellbiologen schon vor geraumer Zeit alarmiert konstatiert, kann die ganze Sache mit der haplodiploiden Geschlechterbestimmung gar nicht funktionieren. Der Grund ist schnell erklärt: Wenn einige Beobachtungen und die daraus abgeleiteten gängigen zellbiologische Thesen stimmen, dürften sich Eizellen mit haploiden Chromosomensatz ohne Zutun eines Spermiums gar nicht erst beginnen können, sich zu teilen.
Denn zu einer Teilung, bei der unter anderem der Gengehalt verdoppelt und auch Tochterzellen verteilt werden müssen, benötigen Zellen einiges an Werkzeug. Ein unverzichtbares ist etwa das so genannte Centrosom – ein Organisationszentrums-Paar, welches Mikrotubuli-Schleppseile von zwei Seiten so koordiniert, dass die mittig platzierte Genmasse der Mutterzelle säuberlich portioniert und getrennt in die späteren zwei Tochterzellen geschafft werden kann. Diese unverzichtbaren Zellteilungswerkzeuge – eine Reihe verschiedener Proteine – fehlen aber einer unbefruchteten Eizellen. Praktischerweise werden sie aber, soviel hatten Forscher herausgefunden, von den Spermien bei jedem Befruchtungsvorgang beigesteuert.
Weswegen es allerdings rein logischerweise männliche Hautflügler gar nicht geben sollte – sie entstehen ja ohne Spermienzutun aus unbefruchten Eiern. Wo liegt der Logikfehler von Mutter Natur oder der Wissenschaftsmeinung? Sullivan und Co schauten genauer hin und nahmen exemplarisch die Eizellen zweier parasitischer Wespen, Nasonia vitripennis und Muscidifurax uniraptor, unter die Lupe. In den unbefruchteten Eiern machten sie sich auf die Suche nach typischen Proteinen des Centrosoms: sie schleusten fluoreszierende Antikörper ein, die exklusiv an solche Eiweiße binden, etwa an das Gamma-Tubulin.
Fündig wurden die Forscher schließlich in sehr typischen Zellorganellen der Hautflügel-Eier, den so genannten "akzessorischen Kernen", deren eigentliche Funktion bislang reichlich mysteriös ist. In fast völlig ausgereiften Insekteneiern sind Hunderte dieser genfreien Hilfs-Kerne enthalten – alle schnüren sich zunächst vom chromosomenhaltigen Hauptkern ab, lösen sich aber in den allerletzten Entwicklungsstadien auch wieder auf. Und der Inhalt einiger wenige von ihnen wird dann, wie die Fluoreszenversuche belegen, zu Centrosomen umgearbeitet.
Obwohl akzessorischen Kerne auch bei anderen Tiergruppen gefunden wurden, nutzen wohl nur die sozialen Insekten sie als Ersatz für den beim Männchenbau ausbleibenden Centrosomen-Nachschub per Spermium. Bei anderen Tieren entstehen Centrosomen aus anderen Zellbestandteilen – bei Mäuse-Blastomeren etwa aus den so genannten multivascularen Aggregaten.
Vielleicht, so spekulieren die Wissenschaftler, ist der Centrosomen-Bau aus den akzessorischen Kernen sogar jenes Alleinstellungsmerkmal, das haploide Männchen und komplexes, arbeitsteilendes Sozialsystem bei Hautflüglern überhaupt erst möglich gemacht hat – und damit ihren Erfolg.
Übrigens: Immer wenn auch befruchtende Spermien im Spiel sind, wird keiner der vielen akzessorische Hilfskerne einer Eizelle umfunktioniert, sondern stets die mitgebrachten Centrosomen der Spermienzellen bevorzugt eingesetzt. Zumindest in diesem Fall steuern also die Männchen qualitativ Höherwertiges zur Nachwuchsbildung bei. Zur Bildung von Weibchen, wohlgemerkt.
Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.